Links zur Rezension Codex of ErdeDer Codex of Erde (ab jetzt CoE) ist ein Kampagnen-Setting für Dungeons & Dragons bzw. für das d20 System. Bei dem Buch handelt es sich um ein 253 Seiten starkes Hardcover. Der Preis für den Codex liegt bei $35. Die Titelillustration ist farbig, alle Illustrationen im Innenteil sind in schwarz-weiß gehalten. Fast alle Illustrationen und auch das gesamte Layout wirken im Vergleich zu anderen d20 Produkten und besonders zu den Werken von Wizards of the Coast eher billig und unprofessionell. Für den Text wurde eine recht große Schriftart gewählt, was jedoch durch die geringen Abstände zum Seitenrand wieder wettgemacht wird.
Inhaltsangabe Der CoE besteht aus den folgenden Kapiteln, auf die ich im Folgenden etwas detaillierter eingehen werde.
Auf den ersten Seiten des Buches, direkt hinter dem Impressum findet der Leser zunächst ein Vorwort, das einige einleitende Worte bereithält und einige Dinge klarstellt. So wollen die Autoren Erde beispielsweise nicht als vollständig ausgearbeitete Kampagnenwelt verstanden wissen, sondern als Rahmen, den der Spielleiter nach seinem eigenen Geschmack mit Leben füllen kann und muss. Auch die Verwendung von real existierenden Sprachen für die Namen von Städten, Ländern, Göttern und dergleichen wird hier gerechtfertigt: Durch diese Vorgehensweise habe man für einzelne Regionen oder Rassen ein durchgängiges Flair geschaffen, ohne sich selbst eine Pseudo-Sprache ausdenken zu müssen. Darüber hinaus erleichtere die Verwendung realer Sprachen dem Spielleiter die Arbeit. Wenn er sich nämlich Namen für NSC oder Städte ausdenken muss, kann er sich einfach an den realen Vorbildern für die entsprechende Region orientieren (ein Zwerg namens Peter würde demnach in Erde nichts ungewöhnliches sein, da die Zwerge quasi deutsch sprechen). Diese Argumentation mag etwas merkwürdig erscheinen, vor allem wenn das Vorwort gleichzeitig versucht den Begriff „Luneburg Plains“ als Fantasynamen ohne Bezug zur Realität zu verkaufen.
Nach dem Vorwort folgt das oben zusammengefasste Inhaltsverzeichnis. Eine Seite weiter beginnt auch schon das Kapitel The History of the World. Hier fällt zunächst der enorme Umfang dieses Kapitels auf – 41 Seiten Prosatext sind doch ziemlich viel. Wer allerdings glaubt, eine ausgefeilte oder gar innovative Historie zu finden, die sich grundsätzlich von den gängigen Klischees unterscheidet, der täuscht sich leider: Von der Erschaffung der Welt bis zu den aktuellsten Ereignissen gibt es eigentlich nicht viel, was man nicht schon irgendwann in anderen Werken gelesen hätte. Die Schöpfungsgeschichte entspricht dem üblichen, christlich geprägten Klischee vom allmächtigen Schöpfer der die Welt nach seinem Bild erschafft. Diese Einfallslosigkeit setzt sich größtenteils auch auf den nächsten 30 Seiten fort. Einzig die jüngere Geschichte bietet dann einige interessantere Punkte. Erde hat nämlich zu Kampagnenbeginn die tausendjährige Herrschaft eines bösen Gottes endlich hinter sich gebracht und steht am Beginn eines neuen, scheinbar goldenen Zeitalters. Zumindest diese Idee ist ja recht innovativ. Die Schreibe in diesem Kapitel wird jedoch wohl nicht jedermanns Sache sein. Der Stil ist am ehesten als ein wenig altertümlich und blumig zu bezeichnen, was zwar recht stilvoll ist, es allerdings schwer macht, die reinen Fakten gleich zu erfassen. Diese beiden Kritikpunkte zusammen führen dazu, dass die Lektüre der Historie eher anstrengend und langweilig ist. Einzig die befremdlich anmutenden deutschen und französischen Namen lassen den Leser hin und wieder schmunzeln.
Nachdem man das erste Kapitel hinter sich gebracht hat, folgt eine Abhandlung über den Kosmos und die Götter. Hier wird recht knapp die Kosmologie von Erde beschrieben, wobei sich der ein oder andere interessante Ansatz findet. Zum Beispiel gibt es eine Welt namens Inzae, die im Grunde eine alternative materielle Ebene darstellt, die an Erde gebunden ist und so etwas wie das brutale unbarmherzige Ebenbild der Welt ist. Inzae kann über kosmische Treppenhäuser erreicht werden, in deren Stufen die „Sprache der Schöpfung“ eingraviert ist. Näher geht der Abschnitt jedoch auf keine der eingeführten Ideen ein. Als nächstes geht das Kapitel auf den Kalender von Erde ein, eine Information die sicherlich wichtig für Kampagnen in Erde ist. Im dritten, letzten und umfangreichsten Teil beschäftigt sich das Kapitel schließlich mit den Religionen und Göttern von Erde. Auch hier kann man sich als deutscher Leser das Lachen stellenweise kaum verkneifen: Götter die „Narrheit“ oder „Unklar“ heißen sind einfach schwer ernst zu nehmen. Andere Götter sind schlicht und ergreifend aus der europäischen Sagenwelt und Geschichte geklaut (Demeter, Poseidon, Augustus). Ob man dies als Einfallslosigkeit betrachten will oder nicht, sei jedem selbst überlassen. Die Beschreibung der Götter ist relativ prägnant und knapp, enthält jedoch genügend Informationen.
Das nächste Kapitel trägt den Titel The Kingdoms of Erde. Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich hier um eine Beschreibung der einzelnen Königreiche von Erde. Jedem der insgesamt 36 Reiche wurde eine Doppelseite eingeräumt, was doch arg knapp wirkt. Auf diesen Seiten findet der Leser grundlegende Informationen zu Regierungsform, Entwicklungsstufe, Land und Leuten. Diese Informationen sind jedoch erneut äußerst knapp gehalten. Die reine Beschreibung der Königreiche ist nicht ausreichend, um Abenteuer in einer der beschriebenen Regionen zu halten. Der Spielleiter wird in jedem Fall noch selbst Arbeit investieren müssen. Bei den Königreichen fällt die eigenwillige Namensgebung übrigens besonders auf: Aachen, Augsberg, Avignon, Grundliche Hohle, Roheisen Hohle und dergleichen sind für den europäischen Leser schwer in eine Fantasywelt einzuordnen und wirken doch arg fehl am Platz.
Nach der Beschreibung der Königreiche folgt ein 28 Seiten umfassender geographischer Überblick über die Welt Erde, der recht brauchbare Informationen enthält. Die Namensgebung ist auch hier wieder präsent: Voralberg Mountains, the Detmold oder Frieden Anhohe sind nur einige Beispiel dafür. In diesem Kapitel findet man auch eine Reihe von Landkarten, die allerdings qualitativ eher schlecht sind.
Das Abenteuer Search for a Lost City von D&D-Altmeister Gary Gygax nimmt die nächsten 12 Seiten ein und kann als Einführung in die Welt Erde benutzt werden. Es handelt sich hierbei um das übliche, extrem einfach gestrickte Abenteuer, das man als Beigabe zu einem Kampagnenband erwartet und meistens auch bekommt. Hier fällt vor allem auf, dass die Schriftgröße im Vergleich zu den anderen Kapiteln noch einmal erhöht wurde.
Die verbleibenden 75 Seiten werden vom Regelteil eingenommen, der mit dem Spielerhandbuch beginnt. Hier werden wie erwartet die Rassen von Erde beschrieben, welche im Großen und Ganzen die normalen D&D Rassen sind. Einzige Ausnahme sind die so genannten Half-Faeries, also der Nachwuchs von Menschen und Feenwesen. Regeltechnisch gibt es allerdings keinen Unterschied zu den Halbelfen. Nachfolgend werden eine neue Klasse und drei Prestigeklassen beschrieben. Die neue Klasse ist der High Elf, eine merkwürdige Mischung aus Rasse und Klasse, die nach dem d20 System schlicht und ergreifend falsch wirkt. Nebenbei konnte ich nirgendwo einen Hinweis darauf finden, dass nur Elfen diese Klasse ergreifen können (was Sinn machen würde, wenn es auch dem Konzept des d20 Systems zuwider laufen würde). Demnach lässt sich schlussfolgern: Ein Zwerg ist ein Elf, ist ein Halbling ist ein Gnom, ist ein Hochelf. Die Logik hinter dieser Klasse wollte sich mir trotz mehrmaligem Lesens nicht erschließen. Bei den drei Prestigeklassen handelt es sich um den „Holy Defender of the Flame“, den „Primal Druid“ und den „Watcher in the Woods“. Alle drei sind solide Prestigeklassen. Teil drei des Spielerhandbuchs enthält eine Beschreibung von Gilden und Orden. Hier findet man eine ganze Reihe solcher Organisationen, denen ein Charakter unter Umständen beitreten könnte. Jede Organisation wird sehr kurz und prägnant beschrieben, eine weitere Ausarbeitung durch den Spielleiter ist nötig, um sie sinnvoll im Spiel einsetzen zu können. Der Abschnitt „Equipment & Economy“ gibt einige grundlegende Informationen zum Thema Handel und Wirtschaft und enthält darüber hinaus eine Liste mit einigen neuen Gegenständen, darunter auch eine Reihe neuer Waffen und Rüstungen. Unter den neuen Rüstungen befinden sich zum Beispiel einige Helme, mit denen auch neue Regeln eingeführt werden: Ein Helm bietet einen Bonus auf die Rüstungsklasse, der allerdings nur gegen Angriffe angerechnet wird, die Betäubungsschaden verursachen. Warum ein Helm nicht auch vor normalem Schaden schützen sollte wird im Text nicht begründet. Das gesamte Konzept erscheint unschlüssig und unnötig, da im D&D Player’s Handbook ja ausdrücklich beschrieben wird, dass eine Rüstung normalerweise auch einen Helm beinhaltet. Den Abschluss des Spielerhandbuchs bildet eine Reihe neuer Zauber und Domänen, die zum größten Teil halbwegs brauchbar sind und das Repertoire der Zauberwirker um einige nette Sprüche erweitern.
Das folgende Spielleiterhandbuch bildet den Abschluss des Werkes und besteht aus einer Liste neuer magischer Gegenstände und einer kleinen Ansammlung neuer Monster. Während die magischen Gegenstände insgesamt einen anständigen Eindruck hinterließen, sind die Monster teilweise nicht ganz balanciert (die Lesser Chimera hat beispielsweise 15 Tp, 4 Angriffe, eine Giftattacke, Dunkel- und Dämmersicht und einen HG von lediglich 1).
Fazit: Insgesamt hinterließ der Codex of Erde bei der Rezension keinen runden Eindruck: Die Aufmachung ist billig, und genauso wirkt auch der Inhalt – da werden Namen geklaut, weil man sich selbst keine ausdenken wollte (was sogar im Vortwort so geschrieben steht), gute Ideen sind zwar vorhanden aber rar, nichts ist detailliert ausgearbeitet. Zudem versucht Troll Lord Games, diese eindeutigen Mängel als Besonderheit der Welt Erde anzupreisen. Tatsächlich bedeutet das aber, dass der Spielleiter sehr viel Eigenarbeit leisten muss um eine Kampagne in Erde zu leiten. Wer dazu bereit ist findet vielleicht eher Gefallen an dem Setting, meiner persönlichen Erwartung an ein Campaign Setting entspricht das aber nicht. Die Namensgebung ist schließlich ein ernsthaftes Manko. Für mich persönlich klingt es einfach lächerlich, wenn ich vom Gott Unklar lese, der von einer Horde von Tiermenschen namens Ungern verehrt wird. Außerdem will ich keine Zwerge, die Karl-Gustav heißen und Aachen ist eine Stadt nahe der deutsch-französischen Grenze und bestimmt kein Fantasy-Königreich. Hier kann man natürlich argumentieren, dass solche Details leicht zu ändern wären, doch wenn ich $35 für ein Buch bezahle, will ich nicht auch noch stundenlange Arbeit aufwenden, bevor ich das Buch benutzen kann. Auch regeltechnisch ist der Codex nicht ganz einwandfrei, wie bereits erwähnt wurde. Insgesamt kann man nur sagen: Finger weg! Wer ein gutes Setting für seine Kampagne sucht ist eigentlich mit jedem anderen Produkt besser beraten, ob nun Vergessene Reiche, Dragonlance, Kalamar oder ein anderes.
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