Links zur Rezension EinleitungDesolation ist ein postapokalyptisches Fantasy-Rollenspiel aus dem Hause Greymalkin Designs, das sich des aus Hollow Earth Expedition bekannten Ubiquity-Regelsystems von Exile Game Studio bedient. Gemäß dem Slogan „High Fantasy Brought Low“ ist der Schauplatz dieses Rollenspiels eine Fantasy-Welt, die gerade ein apokalyptisches Ereignis hinter sich hat, bei der sie fast vollständig zerstört und signifikant verändert wurde. Die Spielercharaktere sind Überlebende dieser Katastrophe in einer Welt, in der Geld keinen Wert mehr hat und in der die Menschen für Nahrung oder Werkzeuge morden würden. Doch mehr im Laufe dieser Rezension. ÄußerlichkeitenZunächst einige Worte zum Äußeren des Buches. Das 256 Seiten starke Grundregelwerk kommt in ein einem stabilen und vollfarbigen Hardcover-Einband daher. Das Cover-Artwork weiß zu gefallen und stimmt gut auf die postapokalyptische Spielwelt ein. Abgesehen von den in der Mitte des Buches untergebrachten Beispielcharakteren, einer Karte der Spielwelt vor der Apokalypse und einer einzelnen Illustration ist das Buch ganz in schwarz-weiß gehalten. Qualität und Stil der Illustrationen schwanken von mäßig bis gut und von realistisch bis comicartig. Totale Ausreißer sind ebenso wenig dabei wie echte Hingucker, das Artwork tut seinen Zweck, ist aber insgesamt nur durchschnittlich. Ärgerlich ist, dass zumindest mein Exemplar des Buches einen etwas gekrümmten Einband hat und nicht ganz sauber gebunden wirkt. Stabil ist es jedenfalls dennoch. InhaltDoch nun zum interessanteren Teil, dem Inhalt. Nach einer kurzen, sehr schön in die Stimmung des Settings einleitenden Einführungsgeschichte beginnt Kapitel eins mit der Weltbeschreibung, genauer gesagt einer Beschreibung der Welt im „Davor“, wie man im Desolation-Jargon die Welt vor der Apokalypse nennt, die ihrerseits von den meisten Kulturen als „Nacht des Feuers“ bezeichnet wird. Hier erfährt der Leser einiges über die Welt, wie sie einst war und bekommt einen Eindruck davon, was in der Nacht des Feuers verloren ging. Dabei handelt es sich alles in allem um eine klassische High Fantasy – Welt, die sich zwar an einigen Stellen etwas vom Standard löst (z.B. von der Natur verstoßene Elfen), aber insgesamt wenig Neues bringt. Der Kontinent Scondera wird klar dominiert vom Imperium der Menschen, das sich über nahezu den gesamten Osten des Kontinents erstreckt und offensichtlich ans Römische Reich angelehnt ist. Es bedient sich mächtiger Magie, die nahezu die gesamte Gesellschaft durchdrungen hat und der Bevölkerung relativen Wohlstand und ein hohes Maß an Kultur und Zivilisation ermöglicht. Die Hauptstadt Ascondea hat sich nahezu alle menschlichen Völker des Ostens Untertan gemacht, lediglich sechs als ‚Marken‘ bezeichnete Reiche sind noch mehr oder minder unabhängig geblieben. Im Westen hingegen, jenseits des großen Primea-Gebirges, liegen die Warlands, ein karges Steppenland, das von Nomaden und kriegerischen Reitervölkern bewohnt wird. Die einzelnen Stämme, die größtenteils aus Menschen, aber auch aus Oruskern (Orks, Goblins, etc.) bestehen, befinden sich im ständigen Konflikt untereinander und insgeheim wird das Chaos durch Agenten und Spione des Imperiums genauestens kontrolliert und aufrecht erhalten. Zu groß ist die Angst, die Stämme der Warlands könnten sich unter einem einzigen großen Kriegshäuptling vereinen und erneut die Berge überqueren, um das Imperium zu bedrohen. Im Gebirge lebt das religiöse Volk der Zwerge in seinen unterirdischen Hallen und Schächten. Den Propheten, der den Einsturz ihres Bergkönigreichs in der vernichtenden Apokalypse voraus sah, schickten sie wortwörtlich in die Wüste. Man schenkte ihm keinen Glauben und verbannte ihn, so dass er seine Anhänger um sich scharte und in die Saikin-Wüste zog. So entwickelte sich eine Unterart der Zwerge, die sogenannten Wüstenzwerge, die sich durch eine dunklere Haut sowie den Mangel an Metall von ihren Vettern im Gebirge unterscheiden. Statt Kettenhemden sind sie in helle Tücher gehüllt und statt runenbesetzter Waffen aus Stahl fertigen sie ihr (Kriegs-)Werkzeug aus gehärtetem Glas. Dann wären da noch die Elfen, die bereits vor Jahrhunderten von der Magie und der Natur verstoßen wurden und seither ein Leben als verfluchte Nomaden fristen. Heimatlos durchziehen sie das Land, wo immer sie sich niederlassen wird das Land unfruchtbar und die Tiere werden krank. Der Wald duldet sie nicht länger und hetzt Tiere wie Pflanzen auf das noch immer die Natur verehrende Volk. Weiter wären noch die Gnome zu nennen, die die Apokalypse voraus sahen und sich ganz von Technik und Magie abwandten, auf die aber dennoch niemand hören wollte. Weiter gibt es mit den Lorantanern ein halblingsgroßes Inselvolk mit an Voodoo erinnerndem Geisterglauben und karibischem Flair, das seefahrende Vagabundenvolk der Rover, die etwas asiatisch angehaucht sind, sowie die Mongrels, Bastarde aus Menschen und Orks, Goblins oder Kobolden, die in Desolation als Orusker zusammengefasst werden und die eisige Oruskische Wildnis im Norden des Kontinents bewohnen. Das kürzere Kapitel zwei befasst sich dann mit der Nacht des Feuers, der Zerstörung der Welt, als Feuer vom Himmel regnete und natürliche wie magische Katastrophen den gesamten Kontinent erschütterten und nachhaltig verändern sollten. Das magische Gewebe ist zerrissen, viele Magier explodierten regelrecht bei dem Versuch, während der Nacht des Feuers Magie anzuwenden. Magische Konstrukte fielen in sich zusammen und magische Gegenstände gingen in Flammen auf. Auf die Nacht des Feuers folgte der ebenso tödliche Lange Winter, der ein ganzes Jahr andauerte und die Bevölkerung weiter dezimierte, so dass am Ende nur einer von zehn die Apokalypse überstand. Während des langen Winters war ein Großteil des Kontinents von Schnee und Eis bedeckt, die überlebenden Siedlungen waren isoliert und auf sich allein gestellt, bis endlich die große Schmelze einsetzte und das Eis taute. Dem Leser wird hier in sehr deutlichen Worten geschildert, dass von der netten, freundlichen Welt aus Kapitel eins nicht viel übrig geblieben ist. Damit sind wir nun auch beim dritten Kapitel angelangt, das sich dem Danach, also der Zeit nach der Nacht des Feuers widmet. Und siehe da: das erste, das auffällt, ist, dass die Welt im Danach deutlich knapper beschrieben wird als das Davor. Hier zeigt sich einer der Knackpunkte des Grundregelwerks. Ganz ähnlich wie in Hollow Earth Expedition wird auch in diesem Ubiquity-Setting keine tiefer ausgestaltete Spielwelt geboten, vielmehr gibt man dem Spielleiter ein Baukastensystem an die Hand, mit dem er die Spielwelt nach seinen eigenen Vorstellungen und auf seine eigene Kampagne hin gestalten kann. So gibt es etwa explizit keine Karte von der Welt im Danach, die sich während der Nacht des Feuers auch geografisch geändert hat (ganze Landstriche sind verschwunden, andere neu entstanden, wieder andere praktisch „versetzt“ worden). Das Spiel setzt 18 Monate nach der Nacht des Feuers ein. Alle politischen und gesellschaftlichen Strukturen sind zerbrochen, ein jeder kämpft vorrangig um das eigene Überleben. Die Magie ist vom ausgiebig genutzten Werkzeug zum Schrecken geworden, die meisten Menschen geben der Magie die Schuld an der Nacht des Feuers. Die Magie wird gefürchtet und Magier müssen auf der Hut sein. Nicht nur, dass die Magie sich verändert hat und gefährlicher geworden ist (insbesondere für den Anwender selbst), man wird auch gesellschaftlich nicht mehr anerkannt. Die Ermordung und Verfolgung von Magiern oder Leuten, die man für welche hält, ist alltäglich. Handwerker sind heiß begehrt, so sehr, dass sie zur Not auch gegen ihren Willen festgehalten und zur Aufbauarbeit verpflichtet werden. Neben diesem kurzen Einblick in die Veränderungen der Gesellschaft bietet das Kapitel über das Danach vor allem eines: Begegnungen und Beispielgemeinden aus dem Danach, die der Spielleiter nach eigenem Ermessen und Gebrauch verarbeiten kann. Dieses Kapitel sollte damit bewusst nicht von den Spielern gelesen werden, deren Charaktere die neue, zerstörte Welt wohl genauso wenig kennen wie die Spieler selbst. Die Erkundung und der Wiederaufbau der postapokalyptischen Welt sind zentrale Themen in Desolation. Besonders die recht ausführlich beschriebenen Beispielgemeinden liefern dem Spielleiter einiges an Stoff und Inspirationen für seine Abenteuer. Jedes der Dörfer bietet genug Ansätze, sich in einen spannenden Plot verflechten zu lassen. Kapitel vier steigt nun in das Regelwerk ein, genauer gesagt mit der Charaktererschaffung. Diese läuft ganz ähnlich wie in Hollow Earth Expedition ab, von Kleinigkeiten einmal abgesehen. So gibt es etwa wie für Fantasy typisch verschiedene spielbare Völker mit entsprechenden Vor- und Nachteilen, sowie natürlich die Möglichkeit, mittels Talenten und Fertigkeiten Magie anzuwenden. Ich will mich hier nicht weiter ins Detail verlieren, wer nähere Informationen zur Charaktererschaffung bei Ubiquity sucht, wird sicherlich in der Rezension zum Grundregelwerk von Hollow Earth Expedition fündig. Alles in allem bleibt zu sagen, dass die Charaktererschaffung nach Punkteverteilungssystem funktioniert und recht schnell und einfach über die Bühne geht. Auch werden Elemente des Charakterhintergrunds und seiner Persönlichkeit, wie die Motivation oder Nachteile ins Regelsystem mit eingebettet. Sehr schön sind die zwölf vorgefertigten Beispielcharaktere. Auch wenn einer davon sich bei der Auswahl seiner Waffen ärgerlicherweise nicht ganz an die Regeln hält, ermöglichen die Archetypen ein sofortiges Losspielen. Sie sind farbig, alle mit großem und meist ordentlichem Bild versehen, außerdem wie schon in Hollow Earth Expedition mit einer kurzen Hintergrundgeschichte ausgestattet, die es dem potenziellen Spieler direkt ermöglicht, den Charakter in die Welt einzubinden. Kapitel fünf wendet sich dann auch einem für Ubiquity-Veteranen interessanten Thema zu, nämlich der Magie. Das ziemlich frei und erzählerisch gehaltene Magiesystem Desolations ist eine Eigenkreation, aber direkt in das Ubiquity-System eingebettet. Es baut auf verschiedenen Traditionen (z.B. Elementarmagie oder Nekromantie) auf, die teilweise an bestimmte Völker und Rassen gebunden sind. Das wohl markanteste Element ist der sogenannte „Burn“. Je weniger Erfolge der Magiewirker beim Zaubern erzielt, desto mehr Burn-Schaden erleidet er, eine Nachwirkung der Nacht des Feuers, die die Magie nachhaltig verändert hat. Damit existiert ein quasi selbstregulierender Mechanismus. Je mehr der Magiewirker zaubert und je größere Wirkungen er erzielen möchte, desto höher ist sein Risiko, Burn zu erleiden und damit kampfunfähig zu werden. Hiermit werden einige taktische Elemente ins Spiel gebracht. Einige Tabellen und Beispielzauberlisten geben dem Spielleiter die nötigen Mittel in die Hand, realistische Schwierigkeiten für das ansonsten sehr frei und erzählerisch gehaltene Magiesystem festzulegen. Das Magiesystem verheißt jedenfalls eine ordentliche Prise Abwechslung zu den klassischen Spruchlisten anderer Fantasy-Rollenspiele und die Gefahr durch Burn macht es nicht nur taktisch, sondern auch angenehm gefährlich und atmosphärisch. Das sechste Kapitel befasst sich nun mit dem Thema der Religion und stellt die unterschiedlichen Glaubensrichtungen der verschiedenen Völker inklusive einiger Sekten und Kulte vor. Im Wesentlichen dominiert ein dualistischer Glaube an die Himmlische Mutter, die alles Gute verkörpert und die Menschen schützt und den Endvater, die Personifikation des Bösen und des Chaos. Zumindest im Imperium verehrten die meisten Menschen die Himmlische Mutter. Gerade wenn man Desolation hier mit den gängigsten D&D-Welten vergleicht, fällt die eher zweitrangige Bedeutung von Göttern und Religion auf. Es gibt auch keine klerikale Magie in Desolation. Zwar können Priester und besonders gläubige Charaktere mittels entsprechender „geistlicher“ Talente einige nette Möglichkeiten erhalten, das Spielgeschehen mittels Stilpunkten zu beeinflussen, doch klerikale Zauber a la D&D gibt es nicht.
Kapitel sieben beschreibt nun das Ubiquity-Regelsystem und auch hier möchte ich wieder auf die Rezension zu Hollow Earth Expedition verweisen. Knapp zusammengefasst lässt es sich sagen, dass es sich bei Ubiquity um ein schnelles und einfach zu verstehendes Poolsystem mit 50%-Chance handelt, das alles in allem zwar das Rad nicht neu erfindet, aber durchaus seine Qualitäten hat. Ich persönlich habe darin ein System gefunden, das sehr gut zu meinem eigenen Spielstil passt. In Kapitel acht folgen nun noch die Kampfregeln, auch hier der Verweis auf Hollow Earth Expedition. Ein schnelles aber tödliches Kampfsystem, das trotz seiner Einfachheit einige taktische Möglichkeiten bietet und ohne langwierige Würfelorgien auskommt. Was allerdings Regeln für Dinge wie Krankheiten oder Gifte bzw. Stürze und Ertrinken im Kampfkapitel verloren haben, ist etwas fragwürdig. Nach einem kurzen Spielbeispiel folgt mit Kapitel neun das obligatorische Ausrüstungskapitel, das vor allem mit Waffen und Rüstungen aufwartet. Regeln zur Ausstattung von Startercharakteren sucht man allerdings leider vergeblich, hier wird allein auf das Ermessen des Spielleiters verwiesen. Kapitel zehn schließlich wendet sich wieder ganz an den Spielleiter und beinhaltet unter dem Titel „Storytelling“ einige Tipps und Anregungen für den Spielleiter, unter anderem auch dafür, wie man Abenteuer im Davor oder während der Nacht des Feuers umsetzen könnte. Es folgt im Anschluss ein vorgefertigtes Beispielabenteuer. Es bietet einen ergiebigen Einblick in Desolation und eignet sich gut als Einstieg in eine längere Kampagne. Ich habe es bislang zwei Mal geleitet und beide Male hatten meine Spieler und ich ihren Spaß. Viele für Desolation typische Themen wie die Angst vor Magie, das Zusammentreffen fremder Kulturen und der ständige Kampf ums Überleben werden angerissen, wodurch ein gutes Bild von der Spielwelt vermittelt wird. Einzig der Schwierigkeitsgrad wirkt auf mich für eine Anfängertruppe unangemessen, doch durch eine Reduzierung der Gegner lässt sich das ganze recht problemlos anpassen. Völlig by-the-book sollte man jedoch vorsichtig sein, die Spielercharaktere nicht gleich am ersten Spielabend zu überfordern. Schließlich folgt mit Kapitel elf noch ein Bestiarium. Als die Nacht des Feuers das magische Gewebe kräftig erschütterte und die Magie in einer Woge der Zerstörung über das Land fegte, hat sie auch vor den Tieren nicht Halt gemacht. Einige wurden von der Magie berührt und sind mutiert, haben sich in reißende Bestien verwandelt. Andere haben gar selbst magische Fähigkeiten entwickelt. Außerdem sind seit der Nacht des Feuers auch alte Geschöpfe aus Mythen und Legenden wieder aufgetaucht. Daneben finden sich auch Werte für gewöhnliche Tiere und klassische Fantasy-Monster, wie etwa untote Zombies und Skelette. Die Spielwerte der gesammelten Gegner sind in übersichtlichen Kästen dargestellt, viele sind auch mit einer passenden Illustration versehen. Einzig die Stärkegrade, in die die Kreaturen eingeteilt sind, sind häufig wenig aussagekräftig. Man sollte sich auf keinen Fall allzu sehr auf sie verlassen, sondern die Werte der Monster genau prüfen, ehe man sie auf seine Spielercharaktere loslässt, um keine bösen Überraschungen zu riskieren. Wie es sich für ein Überlebensszenario wie Desolation natürlich gehört, sind alle (essbaren) Wesen auch mit einem Nährwert ausgestattet, der angibt, wie viele Personen vom Fleisch der Kreatur satt werden können. Leider sind die Angaben teilweise ziemlich unrealistisch, sodass es sich um nicht mehr als ein nettes Gimmick handelt. Letztlich bleibt doch alles am gesunden Menschenverstand des Spielleiters hängen. Abschließend gibt es freilich den obligatorischen Index, sowie einen leeren Charakterbogen zum Kopieren. Dieser ist zweiseitig und recht übersichtlich gehalten, er verzichtet auf größere optische Spielereien und hält zwei große Felder für Charaktergeschichte und Notizen frei. Damit gewinnt er weder einen Schönheitswettbewerb noch einen Innovationspreis, doch er ist einfach zweckdienlich. FazitAlles in allem bietet Desolation ein durchaus interessantes Setting, das es in der Form im Fantasy-Bereich wohl noch nicht gegeben hat. Es bietet hier Neues, ohne sich dabei so weit von der klassischen Fantasy zu entfernen, um zum tatsächlichen Nischensetting zu werden. Das alles fußt auf dem Ubiquity-Regelsystem, das in diesem Setting in meinen Augen einen genauso guten Dienst verrichtet, wie es das schon für Hollow Earth Expedition tat. Das angenehm frei gehaltene Magiesystem fügt sich hier nahtlos ein und gibt dem System das, was für ein echtes Fantasy-Szenario noch gefehlt hatte.
|
||||||||||||||||||||