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Peter Pan 3 - Sturm
Bewertung:
(4.2)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 25.01.2010
Autor:Régis Loisels
Übersetzer:Eckart Sackmann
Typ:Graphic Novel, Fantasy
VerlagEhapa Comic Collection
ISBN/ASIN:978-3-7704-0842-9
Inhalt:62 Seiten, Softcover
Preis:10,00 EUR
Sprache:Deutsch

An Interpretationen von James Mathew Barries legendären Kinderbuchklassiker „Peter Pan“ gab es seit seinem Erscheinen bzw. seit seiner Premiere als Theaterstück noch nie einen Mangel. So schließt sich auch der Autor und Zeichner Régis Loisel diesem Reigen an, wobei er sich allerdings für seine Interpretation in einer kurzen Widmung bei der klassischen Disney-Verfilmung des Jahres 1953 bedankt und seine Adaption als lediglich „frei inspiriert“ durch die Charaktere des schottischen Autors Sir James Matthew Barrie bezeichnet.

 

Doch was Régis Loisel in dieser dritten von auf sechs Bände angelegten Comicadaption zeigt, ist eine gänzlich neue und andere Version der Geschichte, wie man sie aus den bislang erschienenen Büchern, Verfilmungen und Theateradaptionen kennt: Mit der Fassung von Loisel bekommt der Leser den Auftakt für ein mal poetisches, mal trauriges, aber in jeder Hinsicht epochales Comic-Kunstwerk in die Hände gelegt.

 

Inhalt (Achtung - Spoiler!):

Im zweiten Band wurde Tigerlilly vor den Piraten gerettet. Doch ist sie weitaus mehr als nur eine einfacher Indianerin – sie ist die Tochter des Häuptlings der Piccaninny! Dieser ist mehr als glücklich, als er seine Tochter wieder wohlbehalten in seinen Armen hält. Als er die Geschichte über die Piraten und die Rettung aus dem Opikanoba hört, veranstaltet er ein großes Fest, in dessen Rahmen er Pan zum Ehrenhäuptling seines Stammes ernennen will und sogar seine Tochter mit ihm verheiraten möchte. Doch Tigerlilly macht ihrem Vater einen gehörigen Strich durch die Rechnung, da sie lieber Peter heiraten möchte. Es kommt zum Eklat, als Tigerlilly Peter einen Kuss gibt und dieser sie vor „Ekel“ wegstößt. Der Häuptling sieht sich und seine Tochter durch das Verhalten von Peter zutiefst in seiner Ehre verletzt. Das Fest endet abrupt und Peter wird mit der Drohung weggeschickt, sich nie wieder einem Indianer oder Stammesgebiet zu nähern, da man ihn ansonsten töten wird.

 

Währendessen sind Kapitän Hook und die Piraten auf der Suche nach den beiden Männern, die mit den gefangenen Indianern und Peter von der Gruppe getrennt wurden. Zudem vermisst Hook schmerzlich seinen Revolver, der im Kampf mit den Inselbewohnern verloren ging. Da Hook davon ausgeht, dass einer der Inselbewohner seinen Revolver hat, lässt er – angeregt durch eine Idee von Brummer – kurzerhand Mirko, den kleinen Sohn von Kracku und Ossa, entführen. Im Austausch für seinen Revolver – so lässt er den Inselbewohnern ausrichten – würde er Mirko wieder frei lassen.

 

Kaum dass Peter und Pan wieder vom Indianerdorf zurück sind, erfahren sie von der Entführung. Auch wenn die Inselbewohner keine Ahnung haben, was ein Revolver eigentlich sein soll, ist nach Peters Erklärung über das Aussehen des Gegenstandes die Waffe schnell wieder besorgt und die Übergabe mit den Piraten – nebst Freilassung von Mirko – erfolgt wider alles Erwarten ohne Probleme. Die Piraten wollen natürlich auch den Verbleib ihrer Gefährten in Erfahrung bringen und so erzählt ihnen Pan von deren Schicksal im Opikanoba – Peter und Tigerlilly erwähnt er allerdings mit keinem Wort.

 

Am Abend erklärt Pan Peter die Bedeutung des Schatzes der Insel und warum dieser nicht in die Hände der Piraten fallen darf bzw. kann. Der eigentliche Schatz besteht aus dem Glauben und der Fantasie der Kinder, die dadurch die letzten phantastischen Gestalten und Kreaturen auf der Insel am Leben erhalten. Würde man Hook diesen vermeintlichen Schatz geben, so würde dies den Tod aller Inselbewohner bedeuten.

 

Peter hat allerdings eine Idee, wie man die Piraten für immer von der Insel loswerden könnte. Kapitän Hook müsste einfach einen Schatz bekommen, so wie er ihn sich vorstellt. Die Nixen sollen hierzu aus allen Wracks, die in der Lagune verborgen sind, sämtliches Gold, Geschmeide und andere Dinge zu ihnen bringen, damit man diese stilecht als den „wahren“ Schatz am Totenkopf-Felsen verstecken könnte. Die Nixe Molli, die Kapitän Hook überhaupt von einem Schatz erzählt hat und verantwortlich für das Auftauchen der Piraten ist, soll Hook und seine Männer in die richtige Richtung locken.

 

Der Plan scheint aufzugehen und abends stechen Peter und Pan auf einem Floß, beladen mit dem „neuen Schatz“, in See, um sich in Richtung Totenkopf-Felsen aufzumachen. Doch die Piraten bemerken das Floß und folgen den beiden, befürchten sie doch, man wolle den Schatz an einen geheimen Ort in Sicherheit bringen.

 

Ein kräftiger Sturm braut sich zusammen und peitscht das Meer an, während die Piraten das Floß erreichen. Es kommt zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf der Schatz vom Floß rutscht und in den Tiefen des Meeres versinkt. Pan wird in diesem Kampf von einem Schuss aus dem Revolver von Kapitän Hook getroffen und schwer verletzt. Peter schafft es mit dem verletzten Pan zurück an Land zu fliegen, wo sich der Heiler Merilin um die Wunde kümmert. Doch dieser gibt Pan keine große Chance, hat sich doch die Kugel dicht neben seinem Herz in den Körper gebohrt. In seiner Verzweiflung, Pan zu retten, macht sich Peter auf den Weg nach London. Dort möchte er Mr. Kundal um Rat fragen, wie man seinen Freund retten kann.

 

Und so gibt es für Peter ein Wiedersehen mit London und mit Mr. Kundal, der selbst krank ist, sich aber über den unerwarteten Besuch freut und Peter weiterhelfen kann. Doch Peter zieht es auch zu anderen Orten und so trifft er seine alten Freund Schweinbacke, dem er von der Insel erzählt und ihm verspricht, ihn und seine Freunde mitzunehmen. Auch besucht er seine Mutter – doch diese hat Herrenbesuch von einem gewissen „Jack“ und reagiert sehr unwirsch auf das Wiedersehen mit ihrem Sohn. Schließlich sind in ihrer Welt fast drei Monate seit seinem Verschwinden vergangen.

 

Und so macht sich Peter letztlich auf den Weg zurück zur Insel um Pan zu retten, doch seine Freunde hat er längst schon wieder vergessen.

 

Schreibstil & Artwork:

Der schottische Schriftsteller Sir James Matthew Barrie hat mit der Figur des Peter Pan einen Mythos erschaffen, der innerhalb kürzester Zeit nicht nur in der Literatur, sondern auch auf der Bühne oder in ihrer filmischen Umsetzung zum allgemeinen und internationalen Kulturgut avancierte. Dabei stand allerdings zumeist eine durchaus kindgerechte Fassung eines modernen Märchens im Vordergrund, die von einem Jungen berichtete, der nie erwachsen werden wollte.

 

Der Bretone Régis Loisel wurde 1951 in Saint-Maixent, Frankreich, geboren. 1972 erschien seine erste Veröffentlichung „Les Pieds Nickelés Magazine“. Im folgenden Jahr besuchte er an der Universität Vincennes Comiczeichenkurse, die insbesondere durch Jean-Claude Mézières („Valerian und Veronique") animiert wurden.

Größere Bekanntheit erreichte er mit Mitte der 80er Jahre mit dem Zyklus „Die Suche nach dem Vogel der Zeit“ nach einem Szenario von Segre Le Tendre, der in der Folgezeit für einige frankobelgische Fantasyreihen stilbildend wurde. Er illustrierte aber auch die sexuellen Fantasien des Autors Le Guirec im Comic „Freudenfeste“. 1991 erschien der erste Band seiner Adaption von „Peter Pan“, für das er unter anderem 1992 den „Max-und-Moritz-Preis“ der Stadt Erlangen erhielt. Erst im Jahr 2005 erschien der sechste und letzte Band der Reihe.

 

Loisel schafft es auch weiterhin, in seiner phantastischen Interpretation von Barries „Peter Pan“ eine kraftvolle und immer wieder verstörend schöne Geschichte zu erzählen. Zentrales Element ist und bleibt der „unschuldige“ Peter, der in seiner kindlichen Naivität sämtliche Geschehnisse übersteht und selbst in bedrohlichen Situationen sich manchmal nicht der Gefahren bewusst ist, die ihn umgeben.

 

Seine Figuren und Handlungsschauplätze erschuf Loisel mit feinen Federzeichnungen und vielen Schraffuren. Während seine Landschaften auf der Insel vor Exotik und Schönheit nur so strotzen zu scheinen, verhält es sich bei den Figuren doch gänzlich anders. Sie sind nicht immer als „schön“ im herkömmlichen Sinne zu bezeichnen und so besticht insbesondere die Figur von Peter durch ein hohes Maß an „Normalität“ in seinem Aussehen, das ihn weder als strahlenden Held noch als verkommenen Gossenjungen darstellt. Doch auch die anderen Akteure auf der Insel sind wunderbar in Szene gesetzt – seien es die Indianer, Piraten oder aber die ganze Schar von phantastischen Kreaturen, die die Insel bevölkern.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

Bei einem visuell bahnbrechenden Werk hätte ich mir eine etwas gediegenere Hardcoverausgabe mit einigen zusätzlichen Informationen gewünscht – bedauerlicherweise erscheint die Neuauflage allerdings nur als einfaches Softcover in der Ehapa-Comic-Collection. Hier hat man unter Umständen seitens des Verlages eine große Chance vertan, um Sammler oder Liebhaber dieses Comics diese Neuauflage ans Herz zu legen. Dennoch ist die Reihe qualitativ insgesamt gelungen, zumal der günstige Preis auch für neugierige Leser interessant sein dürfte. Die sehr gute Übersetzung der Texte stammt von Eckart Sackmann.

 

Fazit:

Der dritte Band schildert ohne größere Übergänge die weiteren, abenteuerlichen Geschehnisse des ungleichen Duos von Peter und Pan in einer fulminanten Bilderpracht. Immer wieder besticht Peter durch impulsive Handlungen oder seine Ideen, die ihn oftmals als egoistischen und selbstherrlichen kleinen Rotzjungen erscheinen lassen. Pan übernimmt hingegen eher die Rolle eines Mentors, da es die Zufälle wollten, dass man ausgerechnet Peter unter den Menschen als „Retter“ der Insel auserwählt hat.

Loisel liefert einen Comic von geradezu zeitloser Eleganz, den man vielleicht beim ersten Lesen seiner Geschichte verschlingt, ihn dann aber immer wieder in die Hand nimmt, um dann mit aller Ruhe auch den wunderbaren Reigen der Bilder zu genießen. Für mich persönlich ein ganz großes Werk, welches unangefochten ganz oben bei mir steht und ich nur uneingeschränkt weiterempfehlen kann.