Links zur Rezension InhaltIm Gegensatz zur Fülle von Abenteuern, die für das klassische Cthulhu-Rollenspiel geschrieben wurden und in den 20er bzw. 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts spielen, fristet das moderne „Cthulhu Now“ eher ein Schattendasein. Zwar erscheinen in unregelmäßigen Abständen immer wieder Veröffentlichungen für diesen Bereich, doch eine richtig groß angelegte Kampagne, die vielleicht auch neue Spieler in diese Moderne locken könnte, stand bislang noch aus. Doch jetzt scheint es, als wolle Pegasus Press verlorenen Boden wieder gutmachen und bringt die deutsche Übersetzung des legendären Klassikers „Nocturnum“ auf den Markt. Diese in drei Bänden erscheinende Kampagne für Cthulhu Now wurde ursprünglich von „Fantasy Flight Games“ für den amerikanischen Markt konzipiert und ist Ende der 90er Jahre entstanden. Der äußere EindruckMit seinen 130 Seiten nimmt sich der erste Band der Kampagne fast schon ein wenig schmal aus, wenn man den sonst im Bereich „Cthulhu“ vorgelegten Seitenumfang von einzelnen Veröffentlichungen bedenkt. Der Umschlag der Hardcoverausgabe bleibt der grundlegenden Optik der Produktlinie von „Cthulhu Now“ treu und besticht durch seine grau-weiß gehaltenen Hintergrundfarben. Die Covergestaltung oblag Manfred Escher, der eine stilisierte Sonnenfinsternis vor dem Hintergrund der nächtlichen Skyline einer Großstadt zeigt und somit dem Namen der Kampagne noch einmal eine ganz besondere Bedeutung zuweist.
Das Layout des Innenlebens selbst ist recht nüchtern und fast schon unspektakulär. Dafür kann es aber durch ein (fast) gewohnt sauberes Druckbild und einen vernünftigen Zeilenumbruch überzeugen. Auf die sonst aus anderen Cthulhu-Publikationen gewohnten zeitgenössischen Fotos wurde verzichtet, so dass dieser Band ausschließlich mit Zeichnungen auskommt, die durchweg gut gemacht sind und ein stimmungsvolles Bild vermitteln. Auch gibt es eine ganze Reihe von kurzen Geschichten und Texten in den einzelnen Kapiteln, welche die Handlung aufnehmen und dem Leser einige neue Aspekte vermitteln. Ebenso gelungen sind die Handouts, egal ob es sich um handschriftliche Aufzeichnungen oder Grundrisse von Gebäuden handelt, die sich am Ende des Kapitels des jeweiligen Abenteuers befinden.
Das Inhaltsverzeichnis gibt einen schnellen Überblick über Struktur des Bandes, doch leider fehlt ein Index, den ich bei der Fülle von Informationen in diesem ersten Band doch ein wenig vermisse, ebenso wie das sonst schon fast obligatorische Lesebändchen. Ansonsten – wie so oft – ein Lob für durchgängig solide und gute Arbeit in Sachen Qualität und Layout an Pegasus Press.
Wer sich als Spielleiter für diese Kampagne interessiert, sollte getrost die nächsten Zeilen lesen, um zu erfahren, ob sich der Kauf lohnt. Allzu neugierige Spieler seien allerdings an dieser Stelle gewarnt, da sie sich beim weiter lesen vielleicht einen großen Teil des Vergnügens an dieser Kampagne nehmen! Zum InhaltNach einem kurzen Vorwort des Redakteurs Frank Heller gibt es im ersten Kapitel zunächst einen groben Überblick über die gesamte Handlung der Kampagne. Berücksichtigt man die beiden Folgebände, so ist diese Zusammenfassung überaus notwendig, da man als Spielleiter unter Umständen selbst schnell den Faden verlieren kann. Und so erfährt der neugierige Spielleiter bereits auf diesen ersten Seiten, wie sich die komplette Kampagne bis zum Finale hin entwickelt – etwas ungewöhnlich, aber ich fand es sehr gut.
Direkt im Anschluss an diese Zusammenfassung der Kampagne folgt eine Darstellung der einzelnen Gruppierungen und Figuren, die im Lauf der Kampagne auftauchen und eine wichtige Rolle spielen werden. Neben detaillierten Informationen, die den Spielleiter in die Lage versetzen, selbst auf abstruse Fragen und Handlungen der Spieler bzw. deren Charaktere reagieren zu können, findet man hier eine Fülle von gesondert hervorgehobenen Texten, die einen tieferen Einblick in die Geschehnisse und Motive der einzelnen Gruppierungen geben, und natürlich die Kurfassung der einzelnen Charakterbögen der Nichtspielercharaktere (und Wesenheiten).
Der Hintergrund der Geschehnisse, die sich durch die drei Bände der Kampagne ziehen, lässt sich auf die uralte Rasse der Shk’ryth zurückführen. Hierbei handelt es sich um Wesen, die ihren Ursprung auf Azathoth zurückführen können, jedoch seit Jahrtausenden mehr oder weniger auf der Erde gefangen sind. Um ihr unfreiwilliges Gefängnis verlassen zu können, bedarf es gewaltiger Anstrengungen, da eine riesige Energiemenge benötigt wird, um ein Dimensionstor zu schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, wollen die Shk’ryth mit Hilfe einer Maschine außerirdischen Ursprungs einen Kometen auf die Erde prallen lassen, der ein solches Dimensionstor öffnen würde. Die Shk’ryth haben für ihre Zwecke über Jahre hinweg einen international arbeitenden Konzern namens TemCo aufgebaut, unter dessen Deckmantel sie ihren finsteren Plänen nachgehen. Und so geraten die Charaktere mehr oder weniger unfreiwillig in eine sich anbahnende Katastrophe, da der Komet SH-01 von Shk’ryth umgelenkt wird, und sich anschickt auf der Erde einzuschlagen und so die ganze Menschheit vernichten wird.
Die drei in dem Band „Lange Schatten“ enthaltenen Abenteuer bilden eine Art Einführung für die Charaktere, in dem sie beiläufig von der Existenz der Shk`ryth erfahren und die zum Schluss den nahtlosen Übergang in den zweiten Band ermöglicht, da sich hier erste Bruchstücke der bevorstehenden Katastrophe abzeichnen. Es ist dem Spielleiter überlassen, ob er diese drei Abenteuer in einem durchspielt, oder sie Stück für Stück seiner Gruppe langsam näher bringt. Allerdings sollten die Charaktere schon ein wenig Erfahrung mitbringen, da sich die Kampagne nicht unbedingt an Einstiegscharaktere wendet. Hier dürfte es ein erfahrener Spielleiter allerdings mit einigen Kniffen schaffen, entsprechende Möglichkeiten bei der Charaktererschaffung zu bieten. WinternachtDas erste Abenteuer führt die Charaktere durch die Berglandschaft der Rocky Mountains, wo sie unversehens in einen gewaltigen Schneesturm geraten. Glücklicherweise bietet sich eine kleine Ortschaft in der nähe der Hauptstraße an, in der man zumindest die Nacht verbringen kann, bis das schlimmste vorbei ist. Doch ein Unfall hält die Charaktere zunächst auf. Angekommen in dem kleinen Bergbauörtchen Miner´s Folly finden sie Unterkunft im Clearwater-Hotel, welches sich etwas außerhalb der Ortschaft auf einem Felsplateau befindet. Doch von Nachtruhe und ein wenig Entspannung nach der Fahrt kann keine Rede sein, da scheinbar ein Hotelgast beim Sturz aus seinem Fenster ums Leben gekommen ist. Die örtliche Polizei ermittelt zwar, legt aber in der Sache nur sehr wenig Elan an den Tag.
Aber auch der nächste Morgen beginnt mit einer Überraschung für die Charaktere. Noch in der gleichen Nacht kam ein weiterer Hotelgast ums Leben, der auf bestialische Weise in seinem Zimmer umgebracht wurde. Da die Straßen alle restlos zu geschneit sind und so schnell nicht geräumt werden, sitzen die Charaktere vorerst in dem kleinen Ort fest und noch schlimmer – als Fremde in der Stadt bringt man sie unweigerlich mit den Morden in Verbindung. Mit dem Gefühl im Magen, vielleicht selbst das nächste Opfer zu werden und um den Verdacht von sich zu nehmen, sollte man vielleicht auf eigene Faust den mysteriösen Geschehnissen nachgehen.
Die Charaktere finden bei ihren Nachforschungen heraus, wer hinter den Morden steckt. Scheinbar verbirgt sich hinter dem Bergbauunternehmer Delaney weitaus mehr, als man auf den ersten Blick meint. Und schließlich kommen die Charaktere einem Werwolf auf die Spur, der unter der Kontrolle von Delaney steht, der nichts anderes ist, als ein Shk`ryth, der sich in menschlicher Gestalt „verkleidet“ hat. Dank der Hinweise eines alten Indianers finden die Charaktere ein magisches Artefakt, das tief in den Stollen einer Mine Delany verborgen ist. Und schließlich schließt sich der Kreis und die Charaktere müssen den Kampf gegen den Shk`ryth antreten, der mit einem alten indianischen Ritual gebannt werden soll.
Dieses Szenario ist sicherlich nichts besonderes und kann an ein oder vielleicht zwei Abenden durchaus stimmungsvoll umgesetzt werden. Dennoch bietet es einige schöne Ansätze, um den Spielern die mysteriöse Rasse der Shk`ryth etwas näher zu bringen und die Spieler etwas für dieses Thema zu sensibilisieren, ohne allzu viel über diese zu verraten. Ein durchaus gelungener Einstieg in die Kampagne. Königin des ZwielichtsDas zweite Abenteuer beginnt damit, dass die Charaktere von einem alten Freund namens Jason Burke, der als Chemiker an der Mandrake Universität von Eastfield arbeitet, per Mail um Hilfe gebeten werden. Zwar bedarf es hier einiger Kunstgriffe durch den Spielleiter, welcher der Charaktere Burke beispielsweise aus Studentenzeiten oder ähnlichen Zusammenhängen er kennt, doch sollte dies kein größeres Problem sein. Als die Charaktere in Eastfield eintreffen, werden sie schnell Zeuge von unfassbaren Zuständen, die in der Stadt herrschen. Scheinbar hat eine neuartige Droge rasend schnell etliche Studenten in ihren Bann gezogen. Wegen einiger Vorfälle in jüngster Vergangenheit, die scheinbar mit den Auswirkungen der Droge zu tun haben, hat die örtliche Polizei alle Hände voll zu tun, zwischen der Studentenschaft und den aufgebrachten Bewohnern schlichtend einzugreifen um Recht und Ordnung in der Kleinstadt aufrecht zu halten. Burke berichtet den Charakteren von den fatalen Auswirkungen der Droge „Feenstaub“, die seit einiger Zeit in der Stadt im Umlauf ist. Ihm ist es aber zwischenzeitlich gelungen, eine Art von Gegenmittel zu entwickeln, um die fatale Wirkung der Droge aufzuheben und nun fürchtet er um sein Leben, da er seit einiger Zeit verfolgt wird.
Die Charaktere nehmen sich der Angelegenheit an, da die Polizei zur Zeit mit anderen Dingen zu beschäftigt ist, und versuchen der Herkunft dieser seltsamen Droge auf die Spur zu kommen. Recht bald stellt sich aber heraus, dass sich hinter dieser Droge weit aus mehr verbirgt, als man auf den ersten Blick meint. Wer die Droge „Feenstaub“ konsumiert, wechselt in eine gänzlich andere Parallel-Welt und findet sich in einer finsteren Stadt wieder. Diese besteht aus einem Gewirr von irrealen Gebäuden, das von einem großen schwarzen Turm überragt wird. Erstaunlicherweise kann man sich aber in dieser Stadt nicht frei bewegen, sondern lediglich die beeindruckende Szenerie auf sich wirken lassen.
Bei ihrem Kampf gegen den Erzeuger der Droge stoßen die Charaktere auf eine längst vergessene Sekte und müssen die „örtliche Gottheit“, die „Königin des Zwielichts“, die in dem großen schwarzen Turm wohnt, um Hilfe bittenim Kampf gegen einen Shk`ryth bitten, der hinter den Geschehnissen steckt.
War das erste Abenteuer noch ein recht gelungener Einstieg mit einigen netten Ideen, so kann das zweite Abenteuer doch eine deutliche Steigerung aufweisen. Zugegebenermaßen sind die Charaktere hier auf Zuruf unterwegs, da sie ein Freund kontaktiert, doch sind die Erlebnisse in Eastfield – insbesondere die Darstellung der Parallel-Welt – eine nur allzu willkommene atmosphärische Bereicherung für Spieler, die den besonderen Kick mögen. StilleDas letzte Abenteuer des Bandes führt die Charaktere in das sonnige Kalifornien. Hier sollen die Charaktere im Auftrag eines Mannes namens Ken Hito dessen verschwundene Tochter Kay wiederfinden, da diese ja einige Erfahrung bzw. Wissen im Bereich des Paranormalen und Okkulten besitzen. Doch dieser Auftrag beginnt direkt mit einem Fiasko, da man Hito nur noch tot in seiner Wohnung auffinden kann. Nach den wenigen Angaben, die sie besitzen, hat sich Hitos Tochter in ein kleines Dorf in den Bergen Kaliforniens aufgemacht, um dort dem Lärm der Großstadt zu entfliehen und innere Einkehr zu halten.
Das Dorf Still Mountain trägt seinen Namen nicht zu Unrecht – außer einem buddhistischem Kloster und einer Sternwarte gibt es hier weit und breit nichts von Interesse und in dem kleinen Ort wohnen nur 85 Menschen. Bei ihren Nachforschungen in Still Mountain stoßen die Charaktere auf Hinweise, die zu einen Gang führen, der den Weg zu einer unterirdischen Kaverne freigibt. Hier entdecken sie auch die entführte Tochter, an der scheinbar Untersuchungen durchgeführt werden.
Spätestens hier kommt es zum Kampf zwischen den Charakteren und den Entführern, wobei sich herausstellt, dass hinter dieser Entführung das Oberhaupt des Klosters steckt, der in Wirklichkeit ein Shk`ryth ist. Bei ihrem ungleichen Kampf erhalten sie allerdings unerwartete Unterstützung, so dass es besser für die Charaktere ist, die junge Frau mit sich zu nehmen und die Flucht zu ergreifen. Auf jeden Fall aber sollten die Charaktere zum Schluss sehen, wie hinter den Bergen ein Hubschrauber startet, auf dem unzweifelhaft das Firmenlogo von TemCo zu erkennen ist.
Auch wenn der Einstieg in das Abenteuer mit dem Auftrag eines „Unbekannten“ etwas abgedroschen daher kommt, sollten die Charaktere dennoch überzeugt werden, dem Fall der vermissten Tochter nachzugehen, da das Abenteuer spätestens mit dem Auffinden der Leiche von Hito in dessen Kühlschrank schon recht bald an Fahrt aufnimmt. In dem durchaus spannend zu spielenden Szenario erhalten die Charaktere einige neue Hinweise (auch wenn sie mit diesen vielleicht im Moment noch nichts anzufangen wissen) und die Geschichte nimmt gegen Ende einen überaus aufschlussreichen Verlauf, da der Begriff „TemCo“ zum ersten Mal ganz offen im Spiel präsentiert wird und den Charakteren durch die Aufzeichnungen, die sie in der Sternwarte entdeckt haben, deutlich geworden sein sollte, welches Unheil sich mit dem nahenden Kometen SH-01 für den Fortbestand der Erde abzeichnet. Fazit:Der Hintergrund dieser Kampagne ist für den Bereich Cthulhu sicherlich außergewöhnlich, da man ausgetretene Pfade verlässt, bei denen es sich sonst immer wieder nur um uralte Kulte oder Verrückte handelt, die nichts anderes im Sinn haben, als dunkle Wesenheiten zu beschwören, damit diese leibhaftig auf Erden in Erscheinung treten. Hier begegnen die modernen Protagonisten in „Cthulhu Now“ ebenso „modernen“ Kreaturen, die mit High-Tech und Wissenschaft den Fortbestand der Erde bedrohen und bringen dadurch die Abenteuer auf ein ganz neues Niveau. Dabei bauen die einzelnen Abenteuer des Bandes langsam und behutsam aufeinander auf und der Schrecken für Charaktere wächst kriechend in seinem Verderben voran. Diese Kampagne lässt sich meiner Meinung nach durchaus auch mit neu erschaffenen Charakteren spielen, die bislang noch keine Erfahrung mit dem Cthulhu-Mythos sammeln konnten, vorausgesetzt man gibt ihnen als Spielleiter bereits entsprechend bessere Ausgangswerte mit auf den Weg. Problematisch dürfte allerdings die Wahl des passenden Berufes werden, die man auf den gesamten Verlauf der Kampagne abstimmen sollte – also gut planen!
Der erste Band der Kampagne „Nocturnum“ präsentiert sich sowohl äußerlich als auch inhaltlich auf solidem Niveau, wobei man sich über einige Details in den Abenteuern streiten kann. Doch diese Stellen sind – wie so oft – Geschmackssache und jeder Spielleiter dürfte problemlos dazu in der Lage sein, kleinere „Ungeschicke“ der Autoren in seinem Sinne zu ändern. Wer also drei recht gut gemachte Abenteuer für „Cthulhu Now“ haben möchte, ist hier ebenso gut aufgehoben, wie jemand, der die ganze Kampagne mit seiner Runde spielen möchte. Ich freue mich zumindest – nach Lektüre der Zusammenfassung – auf die beiden weiteren Bände und ausreichend Gelegenheit, die komplette Kampagne spielen zu können. |
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