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Rex Mundi 5 - Das Tal am Ende der Welt
Bewertung:
(3.8)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 23.02.2010
Autor:Autor: Arvid Nelson; Zeichner: Juan Ferreyra
Typ:Graphic Novel – History
VerlagEhapa Comic Collection
ISBN/ASIN:978-3-7704-3250-9
Inhalt:176 Seiten, Hardcover (26 cm x 17,6 cm)
Preis:20,00 EUR
Sprache:Deutsch

Angesiedelt in einem alternativen Paris des Jahres 1933, in dem die Kirche massiv die Staatsangelegenheiten beeinflusst und die Inquisition hart durchgreift, entführt die Comic-Reihe „Rex Mundi“ den Leser in eine Welt, die der unseren zwar sehr ähnlich ist, aber doch ganz anders funktioniert.

 

Auch wenn es auf den ersten Blick keine großen Unterschiede zum technischen und zum Teil auch sozialen Entwicklungsstand desrealen Jahres 1933 gibt, so besitzt diese alternative Welt doch einige gravierende Unterschiede: Die Macht über das Volk liegt beim König, den Adelshäusern und der Kirche. Etwas Ähnliches wie die Französische Revolution hat zwar stattgefunden, aber sie endete gänzlich anders und die Häscher der Inquisition werden im Kampf gegen das Verbrechen eingesetzt, wobei ihnen hierfür alle nur erdenklichen Mittel recht sind. Es gab noch keinen Weltkrieg, auch wenn die Konstellation der Großmächte sich in Europa ähnlich wie im echten Jahr 1933 verhält. Magie und Zauberei sind allgemein bekannt und werden auch praktiziert, selbst wenn die Kirche (und damit natürlich auch die Inquisition) dies mit Argwohn beobachtet.

 

Protagonisten des Verschwörungsthrillers von Autor Arvid Nelson sind der junge und recht selbstlose Arzt Dr. Julien Saunière, der in einem ärmlichen Stadtteil von Paris eine Praxis für Allgemeinmedizin betreibt und unversehens in einen Strudel von mysteriösen Geschehnissen gerät, sowie die Ärztin Dr. Genevieve Tournon, eine Freundin von Dr. Julien Saunière, deren Wege sich im Laufe der Geschichte wieder kreuzen und die sich anschickt, ihren Platz in der „besseren“ Gesellschaft zu finden.

 

Inhalt (Achtung: Spoiler)

Den Auftakt in diesem Band macht ein etwas außergewöhnlicher Prolog, der den Leser zurück ins Jahr 1920 nach Stenay versetzt:

Der um seine verstorbene Frau trauernde Herzog von Lorraine schickt seine Tochter Isabelle und deren Gouvernante Tamassy zu einem befreundeten Adeligen in die Grafschaft Vorderthal, in den Schweizer Alpen, damit sich Isabelle dort den Sommer über erholen kann. Der Besuch auf dem Schloss des Grafen von Vorderthal entwickelt sich allerdings recht schnell als Reise ins Verderben, da jener Graf ein Vampir ist, der es auf das ganz besondere Blut von Isabelle abgesehen hat. Während ihre Gouvernante von dem Grafen gebissen wird, kann Isabelle von einem anderen Vampir vor dem Grafen gerettet werden, der sie zu ihrem Meister bringen will. Doch Isabelle weiß sich zu wehren und so gelingt ihr zu guter Letzt die Flucht vom Schloss ins Dorf.

 

Was es letztlich mit diesem „Prolog“ und der Erwähnung des „besonderen Blutes“ auf sich hat, bleibt erst einmal offen und so wird der Leser unvermittelt zurück in das aktuelle Geschehen von „Rex Mundi“ zurück geholt, wobei es allerdings im späteren Verlauf der Geschichte ein Wiedersehen mit Madame Tamassy geben soll.

 

Während in Frankreich ein unerbittlicher Krieg tobt und sich Herzog Lorraine von Paris nach Carcassone zurückgezogen hat, kämpft Dr. Julien Sauniére mit seinen eigenen Zweifeln an seiner Suche nach dem Gral und dem Verrat durch Genevieve Tourron, die ihn fast sein Leben gekostet hätte. Seinen Kummer ertränkt er im Alkohol – wohin sollte er auch noch fliehen, sind doch überall Fahndungsplakate mit seinem Gesicht zu finden.

 

Doch auch diesmal kann sich Sauniére nicht vor der Inquisition verstecken. Inquisitor Moricant macht ihn ausfindig und möchte wissen, was Sauniére in seiner seltsamen Suche antreibt. Als Gefangener muss Sauniére die Inquisition begleiten und wird Zeuge, wie diese das Grab von Clovis II. finden und den entscheidenden Hinweis auf den Standort der Gralsfestung Montsalvat erhalten, welche sich scheinbar in den spanischen Marken befindet.

 

Unterdessen hat der Krieg in Frankreich eine unerwartete Wendung genommen. Obwohl die britischen Truppen von der englischen Königin abgezogen wurden, schafft es Herzog von Lorraine in einer gewagten Aktion, den deutschen Truppen in den Rücken zu fallen und die Belagerung von Carcassone aufzuheben. Das Blatt wendet sich und schon bald sehen sich die preußischen und österreichischen Truppen auf der Flucht vor der französischen Armee.

 

Inquisitor Moricant und seine Männer werden mitsamt Saunière bei Perpignan in der Nähe der Grenze zu den Spanischen Marken vom Militär verhaftet und somit die Pläne der Kirche vorerst vereitelt. Das Militär hat den Auftrag, Saunière in die Spanischen Marken zu bringen und sich der Inquisitoren zu entledigen. Bevor man Moricant allerdings erschießen kann, gelingt ihm – wenn auch verwundet – die Flucht. In einem Kloster findet er Zuflucht und seine Verletzungen werden von den Schwestern versorgt.

 

Zwischenzeitlich kann sich Sauniére irgendwo auf einer einsamen Gebirgsstraße in Spanien durch das Eingreifen eines überaus phantastischen Wesens aus den Händen der Truppen von Lorraine befreien. Doch seine Freude währt nicht lange, da er in die Hände einiger bewaffneter Bergbewohner fällt, die ihn mit sich nehmen. Und so erwartet Sauniére eine besondere Art von Gefangenschaft, da er in „Das Tal am Ende der Welt“, gebracht wird, wo es später auch ein Wiedersehen mit Isabelle, der Tochter des Herzogs Lorraine gibt, die ihn in den „geheimen Garten“ der Familie Lorraine einweiht.

 

Schreibstil & Artwork:

Der Autor und Zeichner Arvid Nelson schrieb bereits während seiner Zeit am Dartmouth College Comics, wo er auch zur Glaubensrichtung des Bahaismus konvertierte. Nach seinem Abschluss im Jahr 1999 wurde er zunächst Produktionsassistent bei Woody Allen. Während der Arbeiten an der Dokumentation für „The Paris Review“ besuchte er erstmals Paris und begann zahlreiche Eindrücke dieser Stadt zu sammeln, die später nachhaltigen Einfluss auf die Reihe „Rex Mundi“ haben sollten. Nelson arbeitete unter anderem auch für Marvel und DC, wo er sich verantwortlich für die Konzeption einiger Geschichten zeigte.

 

Im „Prolog“ gibt es zunächst einmal ein Wiedersehen mit dem Zeichner Jim di Bartolo, der ursprünglich nach dem „Ausstieg“ von EricJ die Zeichnungen für „Rex Mundi“ in den Ausgaben 14 und 15 übernahm. Nachdem man sich als Leser an die Bilder von von Juan Ferreyra gewöhnt hat, ähneln die Darstellungen von Jim di Bartolo denen von Ferreyra sehr stark und es wundert, warum man mit Arvid Nelson letztlich noch einmal die Zeichner gewechselt hat.

 

Der gebürtige Argentinier Juan Ferreyra begann seine Karriere in Amerika als Zeichner mit der von den Kritiken hochgelobten Reihe „Small Gods“. Andere Reihen folgten, bis er schließlich den „Interimszeichner“ Jim di Bartolo ersetzte und für Dark Horse Comics für die Reihe „Rex Mundi“ anfing. Ferreyra zeichnet sich durch seine sehr strukturierten und realistischen Zeichnungen aus, wobei seine Stärke eigentlich eher in den unterschiedlichsten Grauschattierungen liegt, die seinen Werken viel Tiefe verleiht, denn in dem pastellfarbenen Rausch, der die zwar auch nicht sonderlich guten, aber immerhin recht düsteren Bilder von EricJ ersetzt hat.

 

Den Stil von Ferreyra hatte ich schon in der Rezension von Band 4 als „photorealistisch“ bezeichnet, selbst auf die Gefahr hin, mich von Kennern des Genres eines Besseren belehren zu lassen. Dennoch bleibe ich bei dieser Einschätzung, da sie den künstlerischen Ausdruck der Zeichnungen von Ferreyra meines Erachtens nach am besten trifft.

 

Auch wenn er in Komposition und Blickwinkel sauber und scharf arbeitet, so lassen sich doch einige Mängel in der Ausführungen nicht verbergen: Oftmals scheint der Ausdruck der Gesichter mitnichten zu den Texten zu passen oder sie sind so gearbeitet, dass man geradezu verschiedene Altersstufen ausmachen kann. Bereits in der Rezension von Band 4 hatte ich die Figur des Herzog von Lorraine erwähnt, dessen Gesicht immer wieder zwischen der Optik des italienischen Faschisten Mussolini und dem jungen Lex Luthor aus der Fernsehserie „Smallville“ schwankt. Zwar werden diese „Schwächen“ von Kapitel zu Kapitel weniger, aber es sind nun mal nicht „ursprüngliche“ Figuren aus der Hand von Ferreyra, die seiner eigenen Kreativität entstammen, da ihm ansonsten sicherlich die Darstellung leichter von der Hand ging. Doch trotz aller Kritik schafft es Ferreyra, die bisher aufgebaute Stimmung von „Rex Mundi“ gut einzufangen und dem Szenario mit seinen Bildern einen eigenen, nicht unangenehmen Stempel aufzudrücken.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

Der vorliegende kleinformatige Hardcover-Band beinhaltet die Hefte Nr. 6 bis 10, die von Dark Horse verlegt wurden, und braucht sich in Sachen Qualität nicht hinter seinen Vorgängern zu verstecken: Eine solide Verarbeitung und ein klares Druckbild gehören mit zum Standard der Ehapa-Comic-Collection und auch der schön gestaltete Einband macht sich gut.

Neben einem sehr lesenswerten Vorwort von Jim Uhls, der derzeit an einem Drehbuch für die Verfilmung „Rex Mundi“ arbeitet, gibt es zudem noch ein ganz besonderes Highlight in diesem Band: Eine „Rex Mundi“ Valentinsgeschichte, die 2007 für „MySpace“ entstanden ist.

 

Fazit

Bereits seit Beginn der Serie spielte Magie eine gewisse, wenn auch oftmals untergeordnete, Rolle in den Geschehnissen der Serie. Im vorliegenden Band scheint es, als wolle Arvid Nelson das Antlitz der Welt von „Rex Mundi“ gegen Ende des Bandes ziemlich schnell und zum Teil recht drastisch auf eine Ebene heben, die dem bisherigen Grundton der Serie nicht unbedingt entspricht – das ist sehr bedauerlich.

Insgesamt schreitet die Geschichte einem scheinbar furiosen Finale entgegen, welches den Leser im abschließenden Band 6 erwartet, doch noch immer ist unklar, welche Rolle Sauniére in diesem „Spiel“ übernehmen wird. Zwar erfährt der Leser endlich auch einige Details über seinen familiären Hintergrund, doch bleibt der Charakter gegen Ende des Bandes weiterhin mehr ein Getriebener, als jemand, der seine weitere Vorgehensweise plant.

Dennoch hat mir auch dieser Band recht gut gefallen und ich bin mehr als gespannt auf das (hoffentlich) furiose Finale dieser überaus spannenden und mysteriösen Geschichte, die sich mit den Mythen des Heiligen Grals, den leiblichen Nachkommen von Jesus und anderen phantastischen Elementen auseinandersetzt.