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Inhalt:Die Studentin Pauline möchte dem hektischen Pariser Treiben entfliehen, um in der Abgeschiedenheit des ländlichen Dorfes Derouet ihre Magisterarbeit in Wirtschaftswissenschaften zu beenden, wohin sie ihre Freundin netterweise eingeladen hat. Als sie abends mit dem Zug endlich Val de Troudec erreicht, findet sie - wie abgesprochen - den alten 2CV („Ente“) von Gaelle, ihrer Freundin vor dem Bahnhofsgebäude, mit dem sie die restliche Strecke bis nach Derouet fahren soll. Doch der alte Wagen springt nicht an und so ist Pauline nach einigem Zögern dankbar für die Hilfe, die ihr ein junger Mann anbietet, der sich als Erwan vorstellt und dessen Fahrrad einen Plattfuß hat. Dieser muss in die gleiche Richtung wie Pauline und gemeinsam bringen sie den alten Wagen zum laufen. Pauline – ganz ein Kind der Großstadt – kann die Freundlichkeit von Erwan nicht ganz nachvollziehen und vermutet gänzlich andere Absichten hinter seiner freundlichen Konversation während der Fahrt in Richtung Derouet.
Angekommen bei dem kleinen Haus, in dem Erwan wohnt, gibt es allerdings weitere Probleme, da Gaelle vergessen hat zu tanken. An eine Weiterfahrt nach Derouet ist für Pauline nicht zu denken und so muss der Wagen notgedrungen stehen bleiben, da die nächste Tankstelle etliche Kilometer von dem Haus entfernt liegt. Das Angebot von Erwan, sie könne bei ihm übernachten schlägt Pauline zunächst brüsk aus, vermutet sie nach wie vor ganz andere Beweggründe hinter der netten Geste dieses Unbekannten. Doch der Versuch die Nacht im Auto zu verbringen stellt sich als überaus unangenehme Angelegenheit heraus, da es in dem Wagen ziemlich kalt und ungemütlich ist. So nimmt Pauline nach einigem Überlegen doch das Angebot von Erwan an und begibt sich zu dessen Haus. Dieser hat ironischerweise auf ihr Erscheinen gewartet und isst mit ihr zu Abend. Auf Paulines Frage hin, was er lese, erzählt ihr Erwan von dem magischen Buch, das vom „Kleinen Volk" handelt. Pauline ist verwundert über die fast kindliche Naivität von Erwan, die dieser solchen Geschichten von Elfen, und Korrigans entgegenbringt, doch Erwan versucht sie davon zu überzeugen, das es sich nicht um Märchengestalten handelt, sondern um richtige Lebewesen, die an einem real existierenden Ort leben. Zum Beweis könne sie ihn gerne morgen zu seinem Freund, Meister Cristo begleiten, da er diesem ohnehin das Buch zurückbringen müsse.
Eigentlich wollte sich Pauline am nächsten Tag zur Tankstelle aufmachen, um endlich Derouet zu erreichen, doch der Frühaufsteher Erwan erklärt ihr, das am Sonntag die Tankstelle leider geschlossen habe und sie sich noch etwas gedulden müsse, bevor sie ihre Reise fortsetzen kann. Ziemlich frustriert entschließt Pauline sich nach einigem Zögern dann doch noch Erwan auf seinem Ausflug zu seinem „Meister“ zu begleiten. Nach einer ausgiebigen Wanderung durch die Felder und Wälder der Bretagne, die durch einen schweren Regenguss nicht unbedingt angenehmer wird, treffen die übelgelaunte Pauline und Erwan bei der Hütte des Meisters ein, die in unmittelbarer Nähe eines Cromlech – einer kreisförmigen Anordnungen von Menhiren – lebt. Pauline macht sich zunächst lustig, als Erwan und der blinde betagte Cristo über phantastische Dinge reden, doch zeigt sie sich aber auch nicht abgeneigt Cristo in den Steinkreis zu folgen, damit dieser ihr etwas ganz besonderes zeigen kann.
Cristo lässt Pauline ein verdünntes Elixier – die Tränen der Bienen – in die Augen träufeln, damit sie etwas sieht, was sie nie wieder vergessen wird. Und wirklich befindet sich Pauline auf einmal in einer seltsamen Welt wieder. Bei dem Versuch sich zu orientieren, wird sie von einem menschenähnlichen kleinen Wesen angesprochen. Vor Schreck stolpert sie und verliert ihre Brille um sich fast zeitgleich im Steinkreis wieder zu finden. Während sie sich noch über den Verlust ihrer Brille bei Cristo und Erwan beklagt, die nirgendwo zu finden ist, unterhalten sich Cristo und Erwan über dessen Mission, bis sich Erwan schließlich von einem Elixier etwas in die Augen träufelt und verschwindet.
Pauline ist fassungslos über die Geschehnisse und möchte ihre Brille wieder haben. Cristo versucht ihr unterdessen zu erklären, das Erwan sich auf den Weg gemacht, um einen wichtigen Auftrag zu erfüllen. Doch Pauline ist das Gerede des alten Mannes ziemlich egal und so schafft sie es die Phiole mit den „Tränen der Bienen“ in ihre Hände zu bekommen und sich erneut von dem Elixier in die Augen zu träufeln. Doch dieses mal ist es die gleiche Mischung, wie Erwan sie benutzt hat – und dessen Wirkung hält wesentlich länger vor.
Erneut gelangt Pauline in das Reich des Kleinen Volkes, doch von Erwan ist weit und breit nichts zu sehen. Doch sie hat Glück, da sie wieder auf das kleine Wesen trifft, welches sie im Wald erschreckt und um ihre Brille gebracht hat. Dieses Wesen kennt Erwan, der sich bereits vor längerer Zeit auf den Weg tief in den Wald gemacht hat. Dieses Wesen, welches von Erwan mit dem wesentlich einfacher auszusprechenden Namen Georges versehen wurde, macht sich gemeinsam mit Pauline auf den Weg, um Erwan zu finden, da Pauline ansonsten keine andere Möglichkeit sieht, um aus dieser seltsamen Welt zu entkommen. Gemeinsam reisen sie zum Dorf von Georges, in dem sich Erwan befindet und der sich hier auf ein Treffen vorbereitet. Und so wird die ehemals rational denkende Pauline unversehens Mitglied auf einer mysteriösen Reise, welche sie zum Heiligtum, dem „Großen Toten“ führt.
Schreibstil & Artwork:Der Bretone Régis Loisel wurde 1951 in Saint-Maixent, Frankreich, geboren. 1972 erschien seine erste Veröffentlichung „Les Pieds Nickelés Magazine“. Im folgenden Jahr besuchte er an der Universität Vincennes Comiczeichenkurse, die insbesondere durch Jean-Claude Mézières („Valerian und Veronique") animiert wurden. Hier lernte Loisel auch den Zeichner und Szenaristen Serge Le Tendre kennen und so entstanden bereits 1975 einige Seiten der Serie „Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit“ („La Quête de l'oiseau du temps“) für das Magazin „Imagine“.
Seinen endgültigen Durchbruch schaffte er, als 1982 der erste Band des Zyklus „Die Suche nach dem Vogel der Zeit“ veröffentlich wurde (der zuerst im Magazin „Charlie Mensuel“ veröffentlicht erschien) und sich in der in der Folgezeit für einige frankobelgische Fantasyreihen stilbildend herausstellte. Er illustrierte aber auch die sexuellen Fantasien des Autors Le Guirec im Comic „Freudenfeste“.
1991 erschien der erste Band seiner Adaption von „Peter Pan“, für das er unter anderem 1992 den „Max-und-Moritz-Preis“ der Stadt Erlangen erhielt, wobei es allerdings bis zum Jahr 2005 dauern sollte, das der sechste und letzte Band der Reihe erschien. Doch neben der langwierigen Arbeit an dieser Reihe zeigt sich Loisel recht umtriebig und veröffentlichte in dieser Zeit eine ganze Reihe Einzelalben als Autorencomic oder arbeitet als Szenarist oder Zeichner für Kollegen.
2006 erscheinen die beiden ersten, der auf fünf Bände ausgelegten Erzählung seiner dritten großen Serie „Das Nest“ („Magasin Général“), bei denen er mit dem Künstler Jean-Louis Tripp zusammengearbeitet hat und die das Leben in dem winzigen Dorf Notre-Dame-des-lacs portraitiert.
Erneut wandert Loisel – unterstützt von Co-Autor Jean-Blaise Djian, den er bereits seit 1986, als sie gemeinsam an „Les belles histoires d'Onc' Renaud“ für den Verlag Delcourt arbeiteten, kennt – mit seiner Geschichte zwischen den Welten und schildert den Einbruch des phantastischen in unsere rationale und aufgeklärte Gegenwart. Der Einstieg den der erste Band dieser Reihe hierbei macht, wirkt dabei zu Beginn etwas holprig und unbeholfen, fast so, als hätte den Autoren die richtige Idee gefehlt, die Geschichte mit einem schönen und gelungenen Auftakt beginnen zu lassen, doch stimmt einen das Szenario mit seiner langsam sich entfaltenden Entwicklung dann doch etwas milder und kann zuletzt durch einige schöne Ideen überzeugen.
1992 schloss sich der Franzose Vincent Mallié einem Kunstatelier in Paris an. Er studierte grafische Kunst für zwei Jahre, bevor er als Storyboard-Zeichner und Auszubildender für Bühnenmalerei arbeitete. Gemeinsam mit Joel Parnotte gestaltete er 1996 erste kurze Comic Geschichten für die Zeitschrift „Golem“. Gemeinsam starteten sie die Reihe „Les Aquanautes“ im Jahr 2000. In 2003 begann Mallié gemeinsam mit dem Szenaristen Jérôme Félix die „L´Arche“ sowie die Reihe „Hong Kong Triade“
Es ist schwer zu sagen, ob Régis Loisel in Zeitnot ist, um noch all die Projekte auf Papier zu bringen, die ihm durch den Kopf schwirren oder ob er einfach nur müde vom zeichnen ist. Zumindest hat in diesem Band Vincent Mallié die in klassischem Stil gehaltenen Zeichnungen beigesteuert, die mit sauberen und glatten Strich, unterstützt durch die großflächige, in Braun-, Grün- und Rottönen gehaltene Kolorierung den später in der Geschichte einsetzenden fantastischen Stil unterstreichen und den Wechsel des Handlungsortes deutlich hervorheben. Das Zusammenspiel von Zeichner Mallié und den Farben von Lapierre sei an dieser Stelle auf jeden Fall besonders hervorgehoben – da erinnert zwar rein gar nichts an Loisel, dennoch liefert dieses Duo eine handwerklich absolut hervorragende Leistung, die sich nicht zu verstecken braucht. Der Bildaufbau und –ablauf gestaltet sich zwar recht konventionell und als Leser ist man vielleicht etwas enttäuscht über den allzu sauberen und aufgeräumten Stil von Mallié, der die Ideen von Loisel zwar technisch sehr gut umsetzt, denen aber vielleicht noch der letzte Funke fehlt, um den Leser anzustecken.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungIn Sachen Qualität braucht sich braucht sich die „Ehapa Comic Collection“ mit Sicherheit nicht vor der Konkurrenz zu verstecken und so überzeugt der Hardcovereinband durch solide Verarbeitung und die Bilder durch ein angenehm frisches Druckbild. Die Ausstattung – wie so oft auch schon bei anderen Verlagen moniert – lässt zumindest aus meiner Sicht einige Wünsche offen. Gerne hätte ich mir einen Kommentar von Loisel zu seiner Idee für diese Geschichte durchgelesen oder aber auch einen Blick in das Skizzenbuch geworfen, doch leider wird der Leser hier enttäuscht. Die Übersetzung von Uwe Löhmann ist absolut in Ordnung und lässt sich angenehm lesen.
Fazit:Stimmige und ruhige Bilder in einer letztlich wunderschön arrangierten Geschichte, welche mit ihrer fast schon plakativ zur Schau getragenen Phantastik zu überzeugen weiß – da bin ich offen gesagt auch nicht mehr sonderlich böse über den vermeintlichen Etikettenschwindel, der mit dem Hinweis auf Loisel gemacht wird, der scheinbar zwar Ideen für das Szenario beigesteuert hat, sich aber wohl geflissentlich im Hintergrund hält. Dieser Band besticht einfach durch seine sehr einfach und sehr geradlinige Erzählung, die den Leser – ebenso wie Pauline – im Unklaren darüber lässt, was Erwan in seinem Handeln eigentlich antreibt, bis es schließlich zum Bruch kommt und Pauline mit einer anderen Welt konfrontiert wird, wie sie phantastischer nicht sein könnte, ohne dabei die Protagonisten um den Verstand zu bringen. Ganz im Gegenteil, so entwickelt Pauline eine gewisse Zuneigung zu Erwan und ihre gemeinsame Reise in Begleitung der seltsamen Priester und erreichen den Ort ihrer Bestimmung. Nach diesem recht beeindruckenden Auftakt würde es mich nicht wundern, in absehbarer Zeit auch einige andere schön arrangierte Geschichten von Vincent Mallié zu sehen zu bekommen. Zumindest freue ich mich schon auf die Fortsetzung im zweiten Band!
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