Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Prometheus 2 - Blue Beam-Projekt
Bewertung:
(3.4)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 20.05.2010
Autor:Christophe Bec (Autor und Zeichner)
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Science Fiction
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-084-2
Inhalt:56 Seiten, Hardcover
Preis:13,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Am 05.12.1945 befinden sich fünf Militärflugzeuge des Stützpunktes Fort Lauderdale in Florida auf einem Übungsflug, als nach einigen seltsamen Meldungen des Truppführers Taylor über ausgefallene Kompasse und seltsamen Sichtverlust der Funkkontakt zur Bodenstation vollständig abbricht. Eine anderes Flugzeug wird in den Bereich beordert, um die Maschinen zu suchen – doch dort erwartet die Mannschaft ein spektakuläres Phänomen.

 

Nach diesem historischen Rückblick wendet sich der zweite Band wiederum in atemberaubender Geschwindigkeit einer Fülle von unterschiedlichen Handlungsorten und Akteuren zu, die zum Teil bereits aus dem ersten Band bekannt sind oder aber gänzlich neu auftauchen. Und so gibt es immer wieder mysteriöse Vorfälle in der Vergangenheit der Menschheitsgeschichte, welche kurz angerissen werden, um dann direkt zu einem anderen Schauplatz zu hasten.

 

So begegnet der Leser unter anderem wiederum Tim Scott, dem wohl mit Abstand größten Golfchampion des Jahrzehnts, der im Rahmen der Geschehnisse am 25.09.2019 mit seinem Sportflugzeug abgestürzt ist und sich glücklicherweise nur das Bein verletzt hat. Der Absturz wäre nach den Geschehnissen des ersten Bandes nicht unbedingt verwunderlich, doch befindet sich Scott auf einer winzigen Insel mitten im Meer, bei der man sich fragt, welche Bedeutung nun die Insel oder Tim Scott für die weitere Entwicklung der Geschichte hat.

 

Kellie Lambert, die aufstrebende Moderatorin eines TV-Nachrichtenmagazins des amerikanischen Senders Fox, spricht mit Jake Walbherg, einem Luftfahrtexperten über die seltsamen Geschehnisse, die weltweit am 25. September 2019 um 13:13 Uhr zum Absturz von unzähligen Flugzeugen geführt hat über die Ursachen für diese Katastrophe.

 

Im Weißen Haus in Washington begegnet der Leser dem amerikanischen Präsidenten Donald Clarence Jr., der mit einigen Beratern darüber spricht, ob es sich nun um eine Kontaktaufnahme handelt oder nicht. Insofern dreht sich ebenfalls alles um die große Absturzkatastrophe, doch weiß man hier wohl wesentlich mehr – allerdings bleibt auch hier im Dunkeln, was einige Großmächte wohl seit Jahrzehnten wissen und vor der Menschheit verborgen halten.

 

Das amerikanische U-Boot USS Thunder Bay SSN-791 befindet sich im Wedellmeer und stößt plötzlich mit seinen Sensoren auf ein enorm großes Etwas, welches sich mit rasender Geschwindigkeit unter Wasser fortbewegt. Es erfolgt ein Angriff durch die Amerikaner, der sich als schwerer Fehler herausstellen soll, da sich dieses seltsame Gebilde sehr wohl zu verteidigen weiß.

 

Ein wenig lichtet sich aber auch das Geheimnis der Geschichte, da es einen zum Teil sehr aufschlussreichen Dialog im Pentagon zwischen Jeff Spaulding von der NASA mit einem ehemaligen Kollegen gibt, die sich über die bislang geheim gehaltene Entdeckungen der Apollo XIV-Mission unterhalten. Diese Mission entdeckte auf der Rückseite des Mondes in einem Krater ein gigantisches Raumschiff von vier Kilometer Länge und es scheint so, als würde die Erde seit vielen Jahrhunderten von unbekannten Wesen beobachtet. Eine spätere, streng geheime Mission der Apollo XX (unter Beteiligung der damaligen Sowjetunion) bestätigte diese Verdacht, allerdings ist es weiterhin Unklar, welche Absichten von diesen Unbekannten verfolgt werden und was es mit den mysteriösen Vorfällen auf sich hat.

 

Und auch die nächste weltweite Katastrophe stellt sich ein, da am gleichen Tag um 13.13 Uhr weltweit sämtliche Satelliten aus dem Orbit auf die Erde stürzen und bei ihrem Einschlag in Städte und bewohnte Gebiete eine verheerende Spur der Zerstörung hinterlassen.

 

Schreibstil & Artwork:

Der französische Zeichner und Szenarist Christophe Bec wurde am 24.04.1969 in der südfranzösischen Stadt Rodez geboren. Wegen der beruflichen Tätigkeit seiner Eltern verbrachte er die ersten Monate seines Lebens in Marokko, später dann im Kanton La Salvetat Peyralès im Département Aveyron.

 

Seit frühester Kindheit war Christophe Bec von Comics begeistert und so wundert es nicht, das er bereits mit elf Jahren ein eigenes 46-seitiges Album mit dem Titel “ L'Enigme Bright“ gezeichnet hat. Held in diesem ersten Comic von Bec war ein Reporter namens Guy Rébut, der allerlei Abenteuer erlebte. Gemeinsam mit seinem Bruder Guilhem erschuf er einige Jahre später das Fanzine „Esquiss“ mit einer bescheidenen Auflage von 50 Exemplaren, welches die beiden in ihrer Heimatstadt an den Mann zu bringen versuchten. Der Erfolg dieses kleinen Fanzine sollte sich allerdings erst 1990 einstellen, als es für den „Alp´art“ in der Kategorie „Bestes Fanzine“ auf dem Comic-Festival in Angoulême nominiert wurde. Noch im gleichen Jahr bestand er die Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule in Angoulême und traf dort einige andere talentierte junge Künstler, so zum Beispiel Eric Hübsch, Servain, David Prudhomme und Aristophane, die zum Teil entscheidenden Einfluss auf seinen eigenen Stil hatten.

 

Bec erhielt In 1991 die Anfrage des Fremdenverkehrsamtes von Marvejols einen historischen Comic zu zeichnen und so entstand innerhalb von nur vier Monaten „La Bête du Gévaudan“, von dem über 3.000 Exemplare verkauft wurden. Als erfolgversprechender Nachwuchskünstler unterzeichnete er 1992 nach seinem Studium einen Vertrag für den Verlag „Soleil“. Sein erstes Album für „Soleil“ erschien 1993 unter dem Titel „Dragan - Les Geôles D'Avade“ und basierte auf dem Szenario des überaus produktiven Autors Eric Corbeyran. 1997 erschien in Zusammenarbeit mit Richard Marazano der erste Band von „Zéro Absolu“ und mit dem Szenaristen Xavier Dorison entstand 2001 der erste Band der Reihe „Santuaire“ („Heiligtum“) für den Verlag „Humanoïdes Associés“, der sich zu einem Bestseller entwickeln sollte und bislang auf über 150.000 verkaufte Alben zurückschauen kann.

 

Im Jahr 2004 entstand der One-Shot „Anna“, nach einem Szenario von Stéphane Betbeder, den Christophe Bec bei dem kleinen Verleger „La Boîte à Bulles“ veröffentlichte. In 2006 folgte der apokalyptische Western-Reihe „Le Temps des Loups“ und der Militärthriller „Bunker“ für „Humanoïdes Associés“. Seine nächste größere Arbeit folgte in 2008, in der er mit dem ersten Band der auf drei Bände konzipierten Reihe „Prometheus“ ein überaus ambitioniertes Projekt vorstellte.

 

Glaubt man einigen Verschwörungstheoretikern und Weltuntergangsspezialisten, so soll es sich bei dem „Blue Beam Project“ um einen mehrstufigen Plan handeln, zu dem unter anderem eine hoch entwickelte satellitengestützte Projektionstechnik gehört, welche imstande ist, Hologramme von immenser Größe in die Atmosphäre zu projizieren, die dabei die besonders sodiumhaltigen Schicht in etwa 60 Meilen Höhe als Projektionsoberfläche verwendet. Auf diese Art und Weise könnten sowohl Raumschiffe, Kometen als auch mythologische Gestalten wie Religionsstifter dargestellt werden, um dem unwissenden Bürger „das Ende der Tage“ oder sonstige Inhalte vorzugaukeln. Hinzu kommen noch andere drei andere Schritte, welche ergriffen werden um eine „Neue Weltordnung“ zu schaffen. Insofern bemüht Bec vielerlei Mythen und moderne Internet-Legenden, kombiniert sie mit Versatzstücken, wie man sie zum Teil aus amerikanischen Serien wie Akte X kennt und präsentiert seinem Leser in der Stakkato-Optik eines Video-Clips seinen Comic.

 

Unter dieser Prämisse nimmt Bec in seinem zweiten Band der „Prometheus“-Reihe den Handlungsfaden wieder auf und erneut gibt es für den Leser eine scheinbar unkoordinierte und rasche Reihenfolge von einzelnen Episoden mit einigen neuen und zum Teil bekannten Charakteren aus dem ersten Band, welche die seltsamen Geschehnisse aus ihrem jeweiligen Blickwinkel beleuchten oder erleben und zum Teil auch versuchen diese aufzuklären. Die bedrückende Atmosphäre, die Bec dabei für sein gesichtsloses Grauen erschafft ist hierbei sehr gut in Szene gesetzt, doch leider reicht dieser Grundton nicht immer, um die Geschichte über 56 Seiten tragen. Hier fehlen mir manchmal einige aufschlussreichere Passagen für den Leser, um die Spannung zu steigern und einige Einblicke hinter die Kulisse der seltsamen Vorkommnisse zu erhalten.

 

Zeichnerisch bemüht sich Bec in „Prometheus“ um einen fast schon als fotorealistisch zu bezeichnenden Stil bei der Darstellung seiner Akteure, die ihm allerdings irgendwie nicht durchgehend gelingen will und so wirkt ein Teil der Zeichnungen wie Entwürfe, die eilig zu Papier gebracht und dann koloriert wurden. Bec scheint seine Geschichte bewusst in einem rasanten Tempo erzählen zu wollen und verschlägt seinen Leser so schnell es geht von einem Ort zum nächsten bzw. in eine der zahlreichen parallelen Handlungsebenen. So könnte man fast schon ein wenig enttäuscht sein, wären da nicht immer wieder auch grandiose großformatige oder doppelseitige Zeichnungen, welche für manch Schluderei wieder entschädigen.

Noch erstaunlicher finde ich hingegen die Liebe zum Detail, die Bec den zahlreich auftauchenden Maschinen oder Gerätschaften entgegenbringt. Im Gegensatz zu mancher Darstellung von Personen oder von Gesichtern besticht er hier immer wieder durch eine durchgehend sehr genaue Linienführung oder interessante gestaltete Blickwinkel. Insgesamt dürfte auch der zweite Band zeichnerisch nicht vollends überzeugen, wenn es auch einige sehr schöne Panels gibt.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

In Sachen Qualität liefert der Splitter Verlag wieder einmal eine tadellose Verarbeitung: Ein solider Hardcoverband mit einwandfreier Bindung, sauberem und klarem Druckbild und einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Von daher gibt es an dieser Stelle – wie so oft – von meiner Seite nichts zu kritisieren. Extras sucht man bei der Ausstattung hingegen leider vergebens, doch habe ich dieses Fehlen bei „Prometheus“ nicht unbedingt als bedauerlich empfunden. Die Übertragung aus dem französischen von Resel Rebiersch liest sich gut und flüssig, zumal es ihr gelungen ist, die manchmal recht technischen und langen Ausführungen im Text passend zu übersetzen.

 

Fazit:

Irgendwie wandelt Bec mit seiner mysteriösen Geschichte auf den Spuren von Roland Emmerich, da mich einige Züge seines Szenarios – auch wenn es inhaltlich nicht unbedingt passt – an den Film „Independence Day“ oder an ähnlich schicksalsschwangere amerikanische SF-Weltuntergangsfilme erinnern: Eine dunkle Bedrohung taucht auf und mit rationalen Erklärungen und vielen Schnitten nebst harten Übergängen rast die Geschichte an den Augen des Lesers vorbei. Bec scheint sich der Ähnlichkeit zu „Independance Day“ selbst bewusst zu sein und so lassen sich zwei Charaktere in einem Dialog darüber aus, ob „V – Die Außerirdischen“ wohlmöglich besser sei als der Film von Roland Emmerich.

 

Von dem Mythos des „Prometheus“ ist im vorliegenden Band nicht mehr viel übrig geblieben, außer einigen Motiven dieser Figur, die im Hintergrund einiger „Episoden“ als Skulptur oder Bild auftaucht und ich frage mich nach der Lektüre des zweiten Bandes ernsthaft, was es eigentlich mit diesem Titel für die Reihe auf sich hat. Bec ist ohne Zweifel hochgradig motiviert um seinen Lesern ein außergewöhnliches Abenteuer zu bieten, doch scheint er sich dabei nicht die Zeit nehmen zu können, seiner Geschichte entsprechend viel Platz zu bieten um sich ausbreiten zu können. So leidet die – trotz aller Mängel – überaus interessante Geschichte als auch die zeichnerische Qualität. Schade, da Bec es wesentlich besser kann und dies bereits auch in der Vergangenheit unter Beweis gestellt hat.

 

Der Schluss des zweiten Bandes – hier möchte ich nicht zu viel verraten – dürfte den neugierigen Leser in Maßen zufrieden stellen und lässt auf einen hoffentlich fulminanten Schluss hoffen, doch insgesamt dürfte diese Reihe wohl nur etwas für hartgesottene SF-Fans oder Freunde von modernen Verschwörungs- und Vertuschungstheorien sein.