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Planwagen des Thespis 1 - Shakespeare und Muerte Kid
Bewertung:
(3.4)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 10.07.2010
Autor:Christian Rossi
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Western
VerlagPiredda Verlag
ISBN/ASIN:978-3-941279-53-7
Inhalt:48 Seiten, Album Großformat (Hardcover)
Preis:14,50 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Im Winter 1864 dauert der Bürgerkrieg in den Vereinigten Staaten nunmehr schon drei lange Jahre an.

 

Drustan, der 16 jährige Sohn eines reichen Großgrundbesitzers verabschiedet sich von seiner Freundin und macht sich zurück auf das Anwesen seines Vaters. Zu seinem Erstaunen sieht er Truppen der Südstaaten vor dem Haus versammelt und beginnt nur langsam den Ernst der Lage zu verstehen. Sein Vater möchte ihn Captain McSavage und seinen Männern anvertrauen, damit er auf der Seite der Yankees kämpfen kann. Im Arbeitszimmer seines Vaters kommt es zum Eklat zwischen McSavage, seinem Vater und Drustan, ist dieser doch davon ausgegangen, er könne von seinem wohlhabenden Vater vom Militärdienst freigekauft werden. In seiner Not bittet Drustan den anwesenden schwarzen Hausbediensteten Methusalem um Hilfe, damit dieser seinem Vater erklären kann, er sei noch zu jung um zu kämpfen. McSavage ist empört über die mögliche Einmischung eines Sklaven in das Gespräch von weißen Männern und spuckt Methusalem ins Gesicht, doch Methusalem wehrt sich. In einem Handgemenge versucht McSavage auf den aufsässigen Sklaven zu schießen, trifft jedoch Drustans Vater und verletzt diesen. Methusalem nimmt hingegen Rache für die Beleidigung und bricht kurzerhand McSavage das Genick.

 

Drustan und Methusalem fliehen vor den durch die Schüsse alarmierten Soldaten in die nahen Sümpfe und wollen sich auf den Weg nach Westen machen um über den Mississippi zu kommen. Tagelang sind sie auf der Flucht und schaffen es schließlich auf einem selbstgebauten Floß über den Mississippi zu kommen. Doch auch hier scheint Drustan kein großes Glück zu haben, da er in die Hände einer Patrouille der Nordstaaten gerät, die annimmt, er wäre auf der Jagd nach entflohenen Sklaven.

 

Während Methusalem angeboten wird, sich der Armee der Nordstaaten anzuschließen, kommt Drustan in ein Gefangenenlager. Hier lernt er Hermes kennen, den man wegen des Verkaufs von gepanschtem Whisky zu einer Woche Zwangsarbeit „verurteilt“ hat. Hermes nimmt sich des Jungen an und findet rasch Gefallen an Drustan. Glücklicherweise können einige Beziehungen (und alte Spielschulden) zu einer Flucht der beiden beitragen und so macht sich dieses ungleiche Duo mit einem Planwagen auf die weitere Reise.

 

Einen ersten Eindruck von der Schauspielkunst von Hermes erhält Drustan, als sie in die Hände einer berittenen Patrouille geraten und nur Dank der schnellen und beherzten Verkleidung sowohl von Hermes als auch von Drustan die beiden zunächst nicht auffallen. Als die Patrouille sich allerdings an dem mitgeführten gepanschten Whisky vergeht und sich dessen katastrophale Nebenwirkungen sehr schnell einstellen, müssen beide mit ihrem Planwagen rasch die Flucht ergreifen.

 

Nach zwei weiteren Tagen erreichen die beiden ein kleines Dorf, in dem Hermes neuen Proviant kaufen will. Doch auch hier scheint ihnen ihr Glück nicht hold zu sein, da ein Unbekannter in der Stadt auftaucht um die Bürger vor der Ankunft von Muerte Kid und seinen Männern zu warnen, welche die Stadt überfallen wollen. Wehrhafte Männer gibt es allerdings so gut wie keine in der Stadt und so werden kurzerhand Hermes und Drustan verpflichtet bei der Verteidigung auf den Barrikaden zu helfen.

 

Und tatsächlich tauchen Muerte Kid und seine Männer auf – ein furchtbarer Kampf auf den eilig errichteten Barrikaden entbrennt und zahllose Tote sind an diesem Tag, sowohl unter den Bürgern als auch den Angreifern, zu beklagen. Aber Muerte Kid lässt nicht locker und will die Stadt in seine Hand bringen – zumal er in der Bank einen gehörigen Batzen Dollars vermutet. Während sich die Stadt auf den letzten großen Angriff von Muerte Kid vorbereitet, spielt Hermes unterdessen mit dem einarmigen Besitzer des Saloons und dem unbekannten Mann, der sich als Joe Adam herausstellt und Rache an Muerte Kid nehmen möchte, da dieser seine Frau getötet hat, Poker. Joe Adam verliert sein letztes Hab und Gut an den im Falschspiel überaus talentierten Hermes.

 

Muerte Kid wird bei einem weiteren Ausfall getötet und glücklicherweise erreicht die reguläre Armee rechtzeitig die Stadt um die verbliebenen Schurken in die Flucht zu treiben. Hermes wittert seine Chance um so schnell wie möglich die Flucht zu ergreifen. Während sich Drustan im Wagen versteckt, kommt Hermes, verkleidet als Priester, ungeschoren an den Wachen der Armee vorbei.

 

Joe Adam sieht seine einzige Chance wieder an seinen Besitz zu kommen darin, für Hermes zu arbeiten und akzeptiert dessen Bedingungen. Außerhalb der Reichweite der Stadt und der Armee erklärt Hermes sowohl Drustan als auch Joe Adam, was er mit den beiden vor hat: Sie werden als Theatertruppe auftreten und das Volk mit Stücken aus seiner eigenen Feder erfreuen. Und so erreicht am 14. April 1864 ein überaus ungleiches Trio Dallas um seinen ersten großen Auftritt auf die Bühne eines zweitklassigen Saloons zu bringen – doch Theater ist nicht unbedingt jedermanns Geschmack und auch der Krieg findet plötzlich sein Ende...

 

Schreibstil & Artwork:

Christian Rossi wurde am 31.12.1954 in Saint-Denis geboren und studierte Zeichnen an der Kunsthochschule in Estienne, wo er während dieser Zeit einiges über das Zeichnen von Comics von Jijé lernte. 1973 veröffentlichte er seine ersten Seiten in dem Magazin „Formule 1“, allerdings sollte es noch vier Jahre dauern, bis er Didier Convard traf und für den Verlag „Twin Cam“ zu arbeiten begann. Ab 1980 begann er für den Verlag „Fleurus“ zu arbeiten und illustrierte „'Valvidia le Conquistador“ und „Les Aventures de Claire“.

 

1981 startete er mit „Der Planwagen des Thespis“ seine erste Albenserie, wobei einige der Texte von Philippe Bonifay stammen. Ab 1985 folgte „Die Verwirrung des Julius Antoine“ nach einem Szenario von Serge Le Tendre und ab 1990 - nach Texten von Pierre Makyo – „Der Zyklus der zwei Horizonte“. Die seinerzeit von Jean-Michel Charlier und Jean Giraud kreierte Westernreihe „Jim Cutlass“ setzte Rossi 1991 fort, wobei sich Giraud nunmehr vornehmlich auf die Szenarios für diese Reihe konzentrierte. Gemeinsam mit dem Szenaristen Makyo entstand zur gleichen Zeit „Jordan“ für den Verlag Delcourt.

 

Mitte der 90er Jahre arbeitete er mit Serge Le Tendre an den Reihen „La Gloire d’Héra“ und an der 2001 erschienen Reihe „Tirésias“. Für den Verlag Albin Michel entstand mit dem Szenaristen Enrique Sanchez Abuli ein Einzelband mit Kurzgeschichten mit dem Titel „Capitaine La Guibole“. In 2003 begann er mit den Szenaristen Xavier Dorison und Fabien Nury die Serie „W.E.S.T.“, deren erste zwei Bände in der Ehapa Comic Collection verlegt wurden und die nunmehr bei Piredda erscheint.

 

Scheinbar hegte Rossi schon recht früh ein Faible für des Western-Genre, da seine erste eigene Reihe mit „Der Planwagen des Thespis“ begann. Verwundern tut dies sicherlich nicht, gehörte doch Jijé, der Schöpfer von „Jerry Spring“ mehr oder weniger zu seinen Lehrmeistern und die spätere Zusammenarbeit Giraud, dem Zeichner von „Leutnant Blueberry“ sollte ebenfalls nicht unerheblichen Einfluss auf ihn haben, auch wenn Rossi insgesamt sehr rasch seinen eigenen Stil fand.

 

Rossi verfolgt mit seiner Figur des reisenden Theaterdirektors Hermes kein klassisches Western-Klischee von glorreichen Helden und finsteren Schurken, sondern nimmt den Leser mit in die ungestüme und wilde Zeit kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieges, um diese als Ausgangsbasis Boden für seine ausgefallene Erzählung zu nutzen. Nach dem Ende des Sezessionskrieges zwischen den Nord- und Südstaaten (1861–1865) suchten viele durch den Krieg gescheiterte, teilweise verrohte Menschen einen neuen Anfang im Westen. Glücksritter und Abenteurer fanden in den relativ unerschlossenen Gebieten der USA oft einen gesetzlichen Freiraum vor. Und so präsentiert uns Rossi die Figur des Hermes als undurchsichtigen Glücksjäger, Hasardeur und – auf den ersten Blick zumindest – recht gebildeten Mann, der sich anschickt mit allerlei windigen Geschäften, Glückspiel und seinem Theater ein Auskommen zu finden. Weder ein richtiger Sympathieträger, aber auch kein ausgemachter Fiesling dürfte es sicherlich interessant werden, die seltsame Wanderbühne auf ihrem weiteren Weg zu begleiten.

 

Der Titel der Reihe – so auch die Ausführungen von Hermes zu seinen ungleichen Begleitern – geht zurück auf den ersten griechischen Tragödiendichter, Theaterleiter und Schauspieler Thespis, der im 6. Jahrhundert v. Chr. in Athen wirkte und bereits schon in der Antike als Erfinder des Dramas, speziell der Tragödie, galt. Horaz berichtet, Thespis sei auf einem Wagen herumgezogen und so wird nicht ohne Grund der Wohnwagen wandernder Schauspieler oder deren Wanderbühne auch „Thespiskarren“ genannt.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

In Sachen Qualität gibt es nichts negatives anzumerken: Das erste Hardcover-Album der Reihe liegt vollständig neu übersetzt von Marcus Schweizer und mit einem neuen Lettering von Mirko Piredda versehen, in einer einwandfreien Hardcover-Heftung als Album im Großformat vor. Die etwas matte Kolorierung die anfänglich ins Auge sticht, ist allerdings kein Mangel in der Verarbeitung, sondern bestand auch schon so in den älteren Ausgaben – ob es hier drucktechnisch vielleicht noch andere Möglichkeiten gegeben hätte, kann ich leider nicht beurteilen, aber sie bleibt sehr werkgetreu.

 

Fazit:

Die beiden ersten Bände dieser Reihe dürften dem deutschen Publikum unter Umständen schmerzhaft bekannt sein, war es doch dieser Reihe bislang nicht vergönnt gewesen komplett in deutscher Sprache veröffentlicht zu werden. Um so mehr dürfte es vielleicht freuen, das sich der Piredda Verlag dieser zu Unrecht vergessenen Reihe annimmt, die sich – trotz ihres Alters – recht wohltuend und entspannend aus der Masse der Western-Comics hervorhebt.

 

Wieder einmal ist es ein Europäer, der sich der amerikanischen Kultur und Zivilisation annimmt und einen kritischen Blick auf die verklärte Zeit des „Wilden Westen“ wirft. Um diesen Blickwinkel zu erhalten, ist gerade dieses seltsame Duo bzw. später Trio das Rossi dem Leser präsentiert hervorragend geeignet, scheint es doch durch seine Mischung an Protagonisten einen jeweils recht eigenen Blickwinkel auf die Geschehnisse zu besitzen.

 

Und so gelingt es Rossi auf wunderbar elegante und leichte Weise den vermeintlichen Mythos des „Wilden Westen“ mit seiner Ansammlung von Feiglingen, Verlierern und Hasardeuren in ein neues Licht zu tauchen, wobei er in manchen Situationen auch nicht mit einem gewissen Maß an beißendem Humor geizt, der einigen Szenen und Dialogen inne wohnt. Ein kurzweiliges und manchmal auch ernstes Lesevergnügen, welches ich eingefleischten Freunden des Genres gerne empfehle – auch wenn es hier vielleicht an Revolverhelden mangelt und manches Gefecht mit Worten ausgetragen wird.