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Renaissance
Bewertung:
(3.1)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 07.08.2010
Autor:Christian Volckman (Autor), Greg Newman (Story-Adaption), Julien Renoult (Grafische Adaption)
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Krimi, Sci-Fi - Near Future
VerlagCross Cult
ISBN/ASIN:978-3-936480-39-9
Inhalt:56 Seiten, Hardcover
Preis:12,00 EUR
Sprache:Deutsch

Die filmische Umsetzung der Comic-Reihe „Sin City“ dürfte sicherlich etlichen Lesern bekannt sein, auch wenn man vortrefflich darüber streiten mag, ob diese Konzeption aufgegangen und das Flair des Comics einfangen werden konnte. Einen gänzlich anderen Weg hat der Franzose Christian Volckmann für sein mit rund 14 Millionen Euro produziertes Langfilmdebüt „Renaissance“ gewählt – erst waren über 400 Mitarbeiter damit beschäftigt aus dem Storyboard einen optischen Leckerbissen zu machen, um ihm nunmehr in einen Comic zu verwandeln.

 

Inhalt:

Die Handlung spielt in Paris, im Jahr 2054: Der multinationale Konzern Avalon gehört zu den mächtigsten Unternehmen der Kosmetikbranche und auf allen Bildschirmen in der Stadt ist die Werbung für seine Produkte zu sehen, die jugendliches Aussehen und ewige Schönheit versprechen.

 

Die 22 jährige Wissenschaftlerin Ilona Tasuiev arbeitet für Avalon in einer Klinik für Unterprivilegierte und verschwindet eines Tages spurlos. Man informiert die Polizei und so nimmt der recht eigensinnige Inspektor Karas die Nachforschungen auf, da man eine Entführung vermutet. Seine Ermittlungen führen ihn in zu Ilonas Schwester Bislane und in die Labors von Avalon. Bevor Ilona spurlos verschwunden ist, war sie scheinbar einer sehr wichtigen Entdeckung auf der Spur, welche die Zukunft der Menschheit für immer verändern könnte. Und so wird für Karas rasch deutlich, das sich wesentlich mehr hinter dem Interesse von Avalon an einer verschwundenen Mitarbeiterin verbergen muss, als man zugeben möchte.

Scheinbar war Ilona bei ihren Forschungen einem Mittel auf der Spur, welches Progerie – die vorzeitige Alterung von Kindern – verhindern kann und einiges scheint mit den vermeintlich verlorenen gegangenen Forschungsergebnissen eines älteren Wissenschaftlers von Avalon zusammenzuhängen, der selbst vor etlichen Jahren in diesem Bereich forschte. Doch je weiter Karas ermittelt um so gefährlicher wird es für ihn selbst, da einflussreiche Personen sehr an den Erkenntnissen von Ilona Tasuiev interessiert sind.

 

Schreibstil & Artwork:

Der französische Grafiker, Maler und Fotograf Christian Volckman drehte seinen ersten animierten Kurzfilm „Le Cobaye“ während seines Abschlussjahrs an der Grafikhochschule in Paris 1994. In dieser Zeit realisierte er auch zwei Musikvideos französischer Bands, die er komplett vor Bluescreen drehte und Bild für Bild bedruckte und retuschierte. 1995 begann er mit der Arbeit an „Maaz“, einer achtminütigen Science-Fiction-Geschichte, bei er sein graphisch innovativer Stil vervollkommnen konnte.1999 erschienen, lief dieser Kurzfilm auf über 100 Festivals und wurde mit mehr als 30 Preisen in verschiedenen Kategorien ausgezeichnet. 2006 folgte der Film „Renaissance“, ein futuristischer Thriller in edler Schwarzweiß-Animationsoptik, dem allerdings kein überragender kommerzieller Erfolg beschieden war.

 

Die Aussage von Christian Volckmann ist eindeutig: Er wollte seinen eigenen „Bladerunner“ drehen und konnte Alfred Frazzani für die Gestaltung seines futuristischen Paris des Jahres 2054 gewinnen. Die Geschichte von „Renaissance“ ist dabei mit ihrer Handlung eindeutig dem Krimi noir entlehnt und damit mehr als nur ein einfacher Krimi.

 

Der zynische Großstadtbulle Karas kämpft sich einsam und allein durch eine korrupte Welt und ist bei der Wahl seiner Mittel nicht unbedingt zimperlich. Als desillusionierter Moralist hat er den Glauben an das Gute und an den Sieg der Gerechtigkeit längst verloren. Und so geht es auch bei Volckmann nicht ausschließlich um den Polizisten Karas und seine Ermittlungen – er will auch die düsteren Winkel einer verrotteten Stadt darstellen und seinen Helden tief hinab in die dunklen Seelen hinabsteigen lassen. So präsentiert er uns in einer zwar überraschenden aber trotzdem absehbaren Geschichte einige Wendungen und Entwicklungen, die nicht unbedingt spektakulär sind, diesen Comic mit seinem Protagonisten aber durchaus spannend und lesenswert machen.

 

Besonders schön in Szene gesetzt ist der Schluss, wo Karas die Hintergründe um das plötzliche Verschwinden von Ilona aufgeklärt hat und die Ordnung wieder hergestellt zu sein scheint. Doch in diesem Comic gibt es kein Happy-End und so bleibt die Geschichte der Tradition des Krimi noir verpflichtet um uns zu zeigen, das es keine Erlösung für den Helden gibt – ganz im Gegenteil.

 

Ein extravagantes Langfilmdebüt, das durch seine Schwarz-Weiß-Optik besticht, in einen Comic umzuwandeln ist eine große Herausforderung. Gab es im Film geschmackvoll unterkühlte Bilder ohne Abstufungen, Grau und ohne verwischten oder weich gezeichneten Linien sehen, welche das Auge erfreuten, so sieht im Gegensatz dazu der Comic leider seltsam steril und blutleer aus. Dies dürfte mit Sicherheit an dem Einsatz von „Standbildern“ liegen, die man aus dem Film für den Comic ausgewählt hat. Und hier liegt auch der große Kritikpunkt an der „Umwandlung“: Die realistisch gehaltenen Figuren scheinen plötzlich an Dynamik verloren zu haben und wirken geradezu hölzern, die harten s/w-Kontraste sind auf Papier ebenfalls längst nicht mehr so schön wie im Kino und sogar die Eleganz eines futuristischen Paris geht ein Stück weit verloren, wenn man den Akteuren durch die Straßenschluchten folgt. Zudem mussten einige Szenen gekürzt werden und es fehlt schlicht und ergreifend an Platz für notwendige Dialoge.

 

An interessanten Ideen mangelt es diesem Comic nicht und so gibt es Hologramm-Ausweise, Spezialanzüge der Polizei, welche Unsichtbar machen oder aber auch das virtuelle Gefängnis, in der Ilona festgehalten wird, aber der große innovative Sprung dieser Mischung aus Science-Fiction und Krimi noir mag sich nicht einstellen.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

In Sachen Qualität gibt es nichts zu bemängeln und so gibt es einen 56 Seiten starken Hardcoverband in einer gewohnt guten Verarbeitung und angenehmer Druckqualität. Die Übersetzung stammt von Christian Langhagen und lässt sich angenehm lesen. In Sachen Ausstattung hätte ich mir vielleicht noch einige Informationen über den Film gewünscht, da man als Leser nicht unbedingt erkennt, das es sich bei diesem Comic mehr oder weniger um „den Comic zum Film“ handelt.

 

Fazit:

Es ist eine düstere und kalte Welt, die uns Volckmann in seinem futuristischen Paris des Jahres 2054 präsentiert und eine Geschichte, die von ihrer Konzeption her auch eigentlich angenehm konstruiert ist. So sind die dunklen Machenschaften eines Konzerns, der versucht einen Wirkstoff, der Progerie aufhalten kann dafür zu nutzen, um eventuell ein Mittel für ewige Jugend zu erschaffen, sicherlich für den Near-Future Bereich eine interessante Hintergrundgeschichte, doch hier wurde ein recht gelungener Film in das leider sehr enge Korsett eines Comics gedrückt und dieses Medium ist mit 56 Seiten schlicht und ergreifend überfordert die getroffene Auswahl aus einer Bilderflut aufzunehmen, so das der Leser zwar manche Intention erahnen kann, aber nicht die gesamte Schönheit des Films zu sehen bekommt, insbesondere was die Dynamik angeht.

 

Die Entscheidung von Karas sich gegen den omnipräsenten Konzern Avalon zu wenden und dessen pervertierten Treiben ein Ende zu machen zeichnen die Geschichte eigentlich aus, ebenso wie der wunderbar in Szene gesetzte Schluss, in dem sich der vermeintliche Held entscheiden muss – gibt es Fortschritt oder kann er diesen aufhalten.

 

Wer Gelegenheit hat, sich diesen Film auf DVD zu besorgen, der sollte dies getrost tun, da es sich um einen absolut sehenswerten Film handelt. Wer lieber Vorlieb mit dem Comic nehmen möchte, erhält zu einem vernünftigen Preis eine gut erzählte Geschichte, bei der es leider einige Abstriche an der visuellen Konzeption gibt, was aber nicht an den Zeichnern liegt sondern an der komprimierten Auswahl von Bildern aus dem Film – hier wäre vielleicht ein wenig mehr an Illustrationen und eine schönere Auswahl besser gewesen.