Links zur Rezension Inhalt:Die drei Jugendlichen Talinn, Lorky und Evrane leben in einem kleinen Dorf des riesigen Königreichs Angor. Ihr Leben scheint vorbestimmt, denn als Kinder von Angehörigen der niedersten Kaste bleibt ihnen nichts anderes als Bauern oder Hirten zu werden. Doch die drei träumen von Abenteuern und Freiheit und so planen sie, ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Als Talinn zufällig Zeuge eines Mordes unter Rittern wird, fällt den dreien nicht nur ein mysteriöses Medaillon in die Hände – es bietet sich ihnen auch die Möglichkeit zur Flucht. Dass das seltsame Medaillon magische Kräfte hat und was sie auf ihrer Reise in ein neues Leben erwartet, das ahnen sie nicht im Geringsten, doch schon bald geraten sie in Schwierigkeiten, denn auch Andere sind an dem Medaillon interessiert…
Schreibstil & Artwork:Jean Charles Gaudin ist in franko-belgischen Comic-Kreisen keine kleine Nummer, denn zahlreiche phantastische und umwerfende Comicserien – wie beispielsweise „Marlysa“ (Reviews ebenfalls im Gate zu finden) oder „Seuche“ – gehen auf sein Konto. Für seine neue Fantasy-Serie „Angor“ hat er sich mit Zeichner Dimitri Armand zusammengetan und ein optisch, wie erzählerisch anspruchsvolles Auftaktwerk abgeliefert. Die Grundidee dabei ist allerdings nicht neu. Drei Freunde in einem typisch mittelalterlich wirkenden Setting mit Kastengesellschaft – darunter ein junges hübsches Mädchen, das nicht mit einem x-beliebigen Bauern verheiratet werden will - wollen aus diesen altbackenen und in ihren Augen ungerechten Traditionen ausbrechen und reißen aus, um sich auf Abenteuerfahrt zu begeben. Durch Zufall gelangt ihnen auch noch ein magisches Artefakt in die Hände, womit sie natürlich auch ins Visier einer Handvoll fieser Häscher rücken, die ihnen von nun an auf den Fersen sind. Allerdings wird schon lange vor dem Auftauchen des Medaillons klar, dass „Angor“ keine einfache mittelalterliche Welt ist, sondern eine gehörige Portion Fantasy mit sich bringt. Seltsame Kreaturen, freundliche wie böse, und eben auch Magie existieren hier – wie viel davon verrät der erste Band der neuen Reihe jedoch noch nicht. Wie auch immer, aus diesen wie gesagt nicht vollständig neuen Ideen strickt Autor Gaudin eine packende und phantastische Story, die viel Potential inne hat und damit ein vielversprechender Auftakt für diesen neuen Zyklus ist. Gaudin nimmt sich schönerweise Zeit das neue Setting und seine Charaktere in Ruhe einzuführen und vorzustellen. Dazu gehören zum Beispiel Streitigkeiten mit den eingefahrenen Eltern, die ihr einfaches Schicksal mit einem simplen Schulterzucken akzeptiert haben, aber auch der harte Wille und die Arbeit, die Talinn in das Erlangen der Knappenschaft steckt, weil dies der einzige Weg für ihn ist, aus dem einfachen Leben zu entfliehen. Die Story überzeugt hier schnell mit einer hohen Dichte und einer tollen Atmosphäre.
Und das liegt auch zu einem großen Teil an den atemberaubend schicken Illustrationen von Armand, die die Fantasywelt und auch die verschiedenen Charaktere ansprechend detailliert darstellen. Armand hat ein sichtbar feines Fingerspitzengefühl, wenn es darum geht, seine Panels zu präsentieren. Die einzelnen Charaktere sind dabei sehr gut voneinander zu unterscheiden und auch Körperproportionen, Gestik und Mimik stimmen durchweg. Vor allem fallen aber bei näherer Betrachtung die feinen Details auf, die der Zeichner in die Welt einbaut, die aber auch an den verschiedenen Charakteren zu finden sind. So gibt es beispielsweise kunstvolle Körperbemalungen ebenso, wie kleine schmuckhafte Details an der Bekleidung und Ausrüstung der Personen und anderen Kreaturen. Die einzelnen Panels wirken dabei sehr durchdacht und zeigen sich schon fast cineastisch. Die Kolorierung, die ebenfalls durch Armand realisiert wurde, rundet den hervorragenden Gesamteindruck ebenso klasse ab. Die Farbgebung wechselt dabei je nach Szene zwischen sehr knalligen, bunten Farben und eher düster wirkenden Farbpaletten, aber passend wirkt es immer.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungVerlagsüblich kommt „Angor“ im übergroßen Albumformat und als schmuckes Hardcover. An der Produktionsqualität gibt es, wie immer, nichts zu mäkeln: sowohl Einband, Papier wie auch Druck sind von allererster Güte. Die Aufmachung überzeugt ebenso wie die gute Übersetzung, die flüssig zu lesende Texte bietet. Extras gibt es keine.
Fazit:“Flucht” ist der Auftakt zu einer aufregenden und vielversprechenden neuen Fantasyreihe aus franko-belgischem Hause. Der Debutband aus der Feder von Gaudin und Armand weiß ebenso zu fesseln wie zu überzeugen. Das liegt zur einen Hälfte an der dynamischen und actionreichen Story, zur anderen Hälfte aber auch an den atemberaubend schönen und detaillierten Artworks. „Angor“ könnte sich zu einer der besten Fantasyreihen des Jahres mausern, wenn die Autoren es schaffen, diese Qualität und Geschwindigkeit beizubehalten. Das wird man im Januar 2011 sehen, denn für dann ist der zweite Band angekündigt. Bis dahin empfehle ich jedem an franko-belgischen Fantasycomics im Stile von „Marlysa“ und Co Interessierten hier einen näheren Blick zu riskieren. Große Klasse!
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