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Stolz und Vorurteil und Zombies
Bewertung:
(3.7)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 14.11.2010
Autor:Jane Austen, Seth Grahame-Smith, Tony Lee (Autor), Cliff Richards (Zeichner)
Übersetzer:Sandra Kentopf
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Historisch-fiktives England
VerlagPanini Comics
ISBN/ASIN:978-3-86201-7
Inhalt:176 Seiten, kleinformatiges SC
Preis:16,95 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Man kennt es als „Die düstere Pest“ und ihre beklagenswerten Opfer werden, so man sie benennen muss, nur als „Die Unaussprechlichen“ oder die „Kreaturen“ bezeichnet. In ganz England haben sich die Toten aus ihren Gräbern erhoben und machen scheinbar vor nichts und niemanden Halt bei ihrer Suche nach neuen Opfern und ihrer Versessenheit auf weitere Gehirne.

 

Schauplatz der Handlung ist das ländliche England, im frühen 19. Jahrhundert, wo sich die Geschichte um das Leben der Familie Bennet mit ihren Töchtern dreht, die alle noch nicht verheiratet sind, aber – so zumindest der inständige Wunsch ihrer Mutter – verheiratet werden sollen. Doch das ist nicht sonderlich einfach, müssen die recht ungleichen Schwestern sich fast regelmäßig gegen die Angriffe von Zombies wehren, die weite Landstriche Englands unsicher machen und scheinen der Männerwelt bislang noch nicht sonderlich angetan. Selbst ihr Vater – der sich ebenfalls gegen die Angriffe der Kreaturen zu wehren weiß – hat sie im fernen Asien bei den Shaolin-Mönchen in den fernöstlichen Kampfkünsten trainieren lassen.

 

Doch Neuigkeiten in dem ansonsten außer von Zombie-Attacken geprägten Leben zeichnen sich ab: Ein wohlhabender junger Mann – Mr. Bingley – hat sich auf dem benachbarten Anwesen Netherfield Park niedergelassen, welches vor einiger Zeit Opfer des Angriffes der „Unaussprechlichen“ wurde und seit dem leer stand. Mutter Bennet hofft bereits inständig, dass sich der neue und alleinstehende Nachbar sich für eine ihrer Töchter näher interessieren könnte, während ihr Mann sich vielmehr darum sorgt, seine Töchter in den Tödlichen Künsten zu unterrichten, um den Horden der marodierenden Zombies Herr zu werden. Doch das Drängen von Mutter Bennet wird letztlich von ihrem Mann erhört und so können ihre Töchter, nachdem die Familien einander vorgestellt wurden, auf dem anstehenden „Begrüßungs“-Ball in Netherfield Park teilnehmen.

 

Der Abend auf dem Anwesen verläuft gesellschaftlich gesehen recht annehmbar und Mutter Bennet kann durchaus mit ihren Bemühungen zufrieden sein, zeigen sich doch erste vorsichtige Annäherungsversuche, doch wird die abendliche Zusammenkunft jäh durch einen Angriff von Zombies unterbrochen, in dem sich die Bennet-Töchter als wehrhafte Kämpferinnen zeigen, die dem Übel ein schnelles Ende bereiten.

 

Elizabeth Bennet macht an diesem Abend Bekanntschaft mit Mr. Darcy, einem wohlhabenden Freund von Mr. Bingley. Sie ist nicht sonderlich angetan von seiner hochmütigen, verschlossenen und verwöhnten Art, aber dennoch scheint es ihr dieser Mann angetan zu haben.

 

Einer Einladung von Caroline Bingley folgend, der Schwester von Mr. Bingley, macht sich Jane Bennet einige Tage später zu dem Anwesen von Mr. Bingley auf, doch unterwegs gerät sie in einen Angriff der „Unaussprechlichen“, dem sie zwar mit heiler Haut entkommen kann, deren Folgen sie aber, nachdem sie letztlich auf Netherfield Park angekommen ist, in den nächsten Tagen mit einer Erkrankung ans Bett fesseln. Die Bingleys bestehen darauf, dass sich Jane erst auskuriert, bevor sie sich auf dem Weg zurück macht und laden als zusätzliche Gesellschafterin ihre Schwester Elisabeth ein.

 

Aber auch der Weg von Elizabeth Bennet ist nicht ohne Gefahren und so muss auch sie den herumstreifenden Horden der „Unaussprechlichen“ trotzen, welche die Gegend unsicher machen. Angekommen auf dem Anwesen von Mr. Bingley findet die furchtlose Kämpferin, deren Schwert ebenso scharf ist wie ihre Zunge, in Mr. Darcy, der sich ebenfalls noch auf Netherfield Park befindet, einen ebenbürtigen Gegner, der von der eitlen Hochmütigkeit dieser Frau seltsam fasziniert ist.

 

Was auf dem Ball in Netherfield Park begann, wächst scheinbar zu wahrer Liebe, doch gibt es auch intrigante Tanten, tödliche Ninjas und Horden von nach Hirn, Fleisch und Blut gierenden Zombies, welche diese sich anbahnende Liaison der zwei äußerst ungleichen Charakteren nicht einfacher machen. Diese und einige andere Bedingungen sorgen rasch für eine Reihe von Missverständnissen zwischen Elisabeth Bennet und Fitzwilliam Darcy und den anderen Akteuren in diesem Reigen, dreht sich doch wahrlich schon bald alles um Stolz, Vorurteil und natürlich auch um unzählige Zombies.

 

Schreibstil & Artwork:

Bei so viel verschiedenen Autoren gilt es zunächst einmal, ein wenig Ordnung in die Entstehung der Geschichte zu bringen. Insofern widme ich mich zunächst einmal Jane Austen, der Autorin der Ursprungsversion von „Stolz und Vorurteil“:

 

Die Schriftstellerin Jane Austen wird am 16.12.1775 als siebtes Kind des Pfarrers George Austen und seiner Frau Cassandra in Steventon, Hampshire, geboren. Gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Cassandra, der sie sehr nahesteht, erhalten sie nur eine grundlegende Schulbildung von etwa fünf Jahren. Anschließend bilden sie sich zu Hause in Malerei, Klavierspielen und vor allem in der umfangreichen Bibliothek ihres Vaters weiter. Bereits im Alter von zwölf Jahren fängt Jane an zu schreiben und es entstehen in dieser Zeit zahlreiche Jugendwerke, die sie später überarbeitet. So schrieb sie in der Zeit zwischen 1795 und 1799 an frühen Fassungen ihrer erst später veröffentlichten Romane.

 

Als begeisterte Tänzerin und Theaterbesucherin hatte sie in jungen Jahren einige Verehrer, allerdings schien sie nicht sonderlich am Ehestand interessiert zu sein und blieb – wie ihre Schwester Cassandra – ledig. Als ihr Vater 1805 stirbt, sind die Schwestern und die Mutter finanziell von Janes Brüdern abhängig. Häufige Wohnortwechsel zwischen Bath, London, Clifton, Warwickshire und Southampton sowie kürzere Aufenthalte bei mehreren Verwandten prägen diese Zeit. 1809 lassen sich die drei Frauen schließlich in dem Dorf Chawton, Hampshire, nieder. Die wiedergefundene Stabilität weckt in Jane neue kreative Kräfte und so arbeitet sie an der Veröffentlichung von „Sense and Sensibility“ (Verstand und Gefühl, 1811) sowie „Pride and Prejudice“ (Stolz und Vorurteil, 1813). 1814 erscheint „Mansfield Park“, dem 1816 der Roman „Emma“ folgt.

 

Jane Austen ist zu diesem Zeitpunkt bereits eine viel gelesene, wenn auch anonyme Autorin. Sie stirbt im Alter von 41 Jahren am 18. Juli 1817, wahrscheinlich an der Addison-Krankheit, deren Ursache damals unbekannt und die nicht behandelbar ist. Die Romane „Persuasion“ (Überredung) und „Northanger Abbey“ (Die Abtei von Northanger) erscheinen posthum im Jahr 1818. Erst zu diesem Zeitpunkt gibt Janes Bruder Henry die Urheberschaft aller sechs Werke bekannt.

 

Im Jahre 2003 machte die BBC eine Umfrage zum beliebtesten Buch in England. Dabei landete der Roman „Stolz und Vorurteil“ auf dem zweiten Platz direkt hinter „Der Herr der Ringe“ von J. R. R. Tolkien. Austens Roman ist und bleibt ein erstaunliches mediales Phänomen, obwohl er sich thematisch und erzählerisch in wichtigen Zügen inzwischen überlebt hat.

 

Fast 200 Jahre nach seiner Veröffentlichung nimmt sich der amerikanische Schriftsteller, Drehbuchautor und Film- und Fernsehproduzent Seth Grahame-Smith dem Roman „Stolz und Vorurteil“ an, um ihn in ganz besonderer Art und Weise zu überarbeiten.

 

Seth Grahame-Smith wurde am 04.01.1976 geboren. Aufgewachsen ist er in Weston und Bethel (Conneticut), wo er auch die High School besuchte. Am Emerson College machte er seinen Abschluss in Filmwissenschaften. Seine bekanntesten Werke dürften zweifelsohne die Romane „Stolz und Vorurteil und Zombies“ so wie „Abraham Lincoln: Vampire Hunter“ sein, die es innerhalb kürzester Zeit in die New York Times Bestsellerliste schafften und in Kürze sogar verfilmt werden sollen.

 

Die Idee zu dem Buch „Stolz und Vorurteil und Zombies“ stammt von Jason Rekulak, seinem zuständigem Redakteur bei dem Verlag Quirk Books. Dieser schlug vor, den Roman „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen mit seiner komplexen Handlung als Ausgangspunkt zu nehmen und einen Zombie-Plot in die ganze Sache einzubauen. Durch diese „Verknüpfung“ sollte aus dem etwas angestaubten Klassiker die Erstellung eines gänzlich neuen und etwas aufregenderen Inhaltes erfolgen. Fasziniert von dieser seltsamen Idee machte sich Grahame-Smith an die Arbeit, las zunächst noch einmal das Original und begann dann akribisch genau herauszufinden, wo man in der Geschichte sinnvoll Zombies einbauen könnte, einen Prozess den er später selbst einmal scherzhaft als „Mikrochirugie“ bezeichnete.

 

Auch wenn Quirk Books sich zunächst aus Angst vor den wütenden Jane Austen Anhängern und zu erwartenden geringen Verkaufszahlen nur zögerlich mit dem fertigen Skript anfreundete, wurde es dennoch 2009 veröffentlicht. Bereits einige Wochen vor seinem Erscheinen erreichte das Buch bereits unerwartet großen Bekanntheitsgrad im Internet, wo das Cover und der Titel kursierten. Die Erwartungen der neugierigen Leserschaft waren letztlich so hoch, das „Stolz und Vorurteil und Zombies“ innerhalb einer Woche nach seinem Erscheinen den dritten Platz in der New York Times Bestsellerliste erreichte. Seit seinem Erscheinen wurden weltweit über eine Millionen Exemplare verkauft und das Buch in über 20 Sprachen übersetzt.

 

Doch Grahame-Smith ist längst nicht nur als Schriftsteller aktiv. Er zeichnet sich auch als Mitschöpfer und Produzent von „The Hard Times of RJ Berger“ verantwortlich, einer Comedyserie, die von MTV produziert wird und in der sich alles um die Erlebnisse von Schüler RJ Berger, einem chronischen „Loser“ dreht, für den sich plötzlich die komplette Welt ändert, als diese Kenntnis von seinem übergroßen Penis erhält. Gemeinsam mit David Katzenberg, seinem Partner von „Katzsmith Productions“ arbeitet er an einigen neuen Film- und Fernsehproduktionen. Zurzeit lebt er mit seiner Frau Erin und seinem Sohn Joshua in Los Angeles.

 

Als ob es nicht schon schwierig genug für Grahame-Smith gewesen wäre, den Text von Jane Austen umzugestalten, ohne dabei das Original zu zerstören, so musste sich Autor Tony Lee daran machen aus dem rund 400 Seiten umfassenden Buch eine Art Kurzfassung zu machen, die sich für einen Comic eignet, ohne dabei Einbußen im Aufbau und Sprachwitz hinzunehmen. Doch nicht umsonst hat man Tony Lee als einen der „Shooting Stars“ der in der neuen Generation von britischen Comic-Autoren bezeichnet, da er hier seinem Ruf alle Ehre macht und es ihm gelingt die Story aufs wesentliche zu reduzieren, ohne dabei gravierende Einbußen machen zu müssen.

 

Der Zeichner Ricardo Álvares Fraga, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Cliff Richards, wurde 1964 in Belo Horizonte in Brasilien geboren. Bekannt wurde er unter anderem als Zeichner für die Reihe „Buffy the Vampire Slayer“ bei Dark Horse Comics und die Buffy-Reihe „Haunted“. Er arbeitete aber auch an der # 30 von „Sojourn“ für CrossGen mit.

 

Richards zeigt sich als überaus präziser Arbeiter in diesem unkolorierten Comic, der alleine durch seine Linienführung beeindrucken muss. Dabei sind seine Akteure durchgehend überzeugend in Stimmung gesetzt, es stimmt jeder Gesichtsausdruck und auch die Bewegungen in den zahlreichen Kämpfen und Scharmützeln (nicht nur mit den Untoten) sind gekonnt umgesetzt. Wahrscheinlich hat sich hier auch die jahrelange Arbeit für „Buffy“ bezahlt gemacht, auch wenn es bei ihr um Vampire ging. Ein kleiner Nachteil bei der fehlenden Kolorierung macht allerdings manchmal schon bemerkbar, wenn man sich bei der Fülle von Akteuren orientieren muss und sich hierbei ausschließlich auf die Gesichter verlassen muss.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

In Sachen Qualität gibt es bei „Stolz und Vorurteil und Zombies“ nichts zu bemängeln, auch wenn es sich um einen kleinformatigen Softcoverband handelt. Dieser ist solide geklebt und macht einen überaus haltbaren Eindruck, wie man ihn bei Panini gewohnt ist. Die Übersetzung erfolgte durch Sandra Kentopf und ist absolut gelungen. Darüber hinaus gibt es im Faltcover einen knappen Text mit Informationen zum Autor und dem Zeichner.

 

Fazit:

Nach Vampiren, Zauberadepten und einigen anderen Gruppierungen scheint es, als würden seit geraumer Zeit nunmehr auch Zombies Rückkehr in Literatur, Comics und im Film halten. Das nun ausgerechnet der berühmten britischen Entwicklungsroman „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen herhalten muss, dürfte vor allem ein Verdienst von Seth Grahame-Smith sein.

 

Der Roman von Seth Grahame-Smith weicht durch seine Ergänzungen und Einschübe in einigen Szenen zwar manchmal durch seine Zombie-Thematik mehr oder weniger vom Original ab, doch besticht seine Adaption insgesamt durch eine sehr hohe Werktreue. Aus diesem Roman eine Graphic-Novel zu machen, die sowohl der Adaption als auch der Kürze eines Comics gerecht wird, ist ein großes Kunststück, welches Autor Tony Lee und Zeichner Cliff Richards letztendlich recht gut gelungen ist. Zwischen Zombie-Attacken und dem allgegenwärtigen Grauen gewinnt die recht schwierige und eigene Beziehung von Elizabeth Bennet und Mr. Fitzwilliam Darcy auch optisch ganz neue Seiten und die einstmals gesichtslosen Protagonisten bekommen Leben eingehaucht – wenn auch nur auf dem Papier.

 

Und wer meint, die Zombie-Thematik wäre für diese Graphic-Novel nur ein billiger Aufhänger, den muss ich an dieser Stelle enttäuschen, da die vorliegende Geschichte wesentlich komplexer ist, als man auf den ersten Blick meint und sich nicht nur in sinnlosen Gewaltorgien niederschlägt, wie man sie aus billigen Splatterfilmen kennt. Hier ist ein überaus lesenswerter und unterhaltsamer Comic entstanden, der auch Skeptiker durch seine Qualität überzeugen dürfte. Sicherlich handelt es sich bei Cliff Richards nicht unbedingt um einen wagemutigen Zeichner, der mit aufwendig gestalteten Panels und grandiosen Einfällen glänzt, aber gerade die etwas konservative und gänzlich in Schwarz-Weiß gehaltene Gestaltung unterstützen den Text hervorragend – auch wenn man manchmal ein wenig die Orientierung bei den Akteuren verliert.

 

Für mich eine Empfehlung, da man weder die Vorlage von Jane Austen oder von Seth Grahame-Smith zu kennen braucht um dieses „Mash-up“ zu verfolgen und zu sehen, wie eigentlich biedere Mädels vom Land ihre Kampfkünste an Zombies auslassen und ganz nebenbei mit „Stolz und Vorurteil“ hadern. Allerdings sollte man schon ein kleines Faible für Zombies mitbringen, da sich sonst der Spaß an dieser Graphic-Novel in Grenzen hält!