Wenn Ed Brubaker und Steve Epting sich erneut für ein gemeinsames Marvelprojekt zusammentun, dann ist das quasi schon ein Garant für eine umwerfende Story. Schließlich haben sie bereits zusammen sehr erfolgreich an Captain America gearbeitet und allein Brubaker hat mit diversen Serien bewiesen, dass er zu den ganz Großen des heutigen Comic-Business zählt. Wenn die Beiden sich aber zusammentun, um den ersten Marvel-Helden zum 70. Geburtstag zu gratulieren, dann kann eigentlich nur etwas ganz Besonderes rauskommen. Und gleich vorweg gesagt: „Das Marvels-Projekt“ ist tatsächlich ein ganz besonderes Meisterwerk geworden.

 

Inhalt:

Die Welt Ende der 30er Jahre. Die Nazis verwüsten Europa und der Zweite Weltkrieg steht kurz bevor. Sowohl in den USA, als auch in Deutschland versuchen Wissenschaftler Supersoldaten zu erschaffen. Die menschliche Fackel ist so ein Versuch, doch kommt der künstliche Flammenmann nicht mit seinen Kräften klar und wird in Beton eingegossen. Erst als der deutsche Professor Erskine mit Hilfe von Nick Fury überläuft, scheint das Supersoldaten-Programm Früchte zu tragen und Captain America wird geboren.

In der Zwischenzeit tauchen aber immer mehr mutige Männer auf, die sich Masken überziehen und das Verbrechen in Eigenregie bekämpfen. Angel ist einer von diesen Männer und avanciert bald zu einem der großen Helden. Aber Nazi-Spione agieren in den Staaten und als einige Helden diesen auf die Schliche kommen, bezahlen sie dies mit ihrem Leben. Erst Captain America kann den Spionagering sprengen. Zusammen mit Namor erfahren sie von den Plänen der Nazis, die USA gleich doppelt zu überfallen…

 

Schreibstil & Artwork:

Ed Brubaker führt den Leser in die Vergangenheit, zurück zu den Anfängen der Marvel-Superhelden. Ganz konkret stehen hier Nick Fury, Namor, die menschliche Fackel, John Steele und Steve Rogers aka Captain America im Fokus der Story, begleitet von einige Sidekicks und natürlich einer Handvoll Bösewichten (was wäre Cap America ohne den Red Skull). Aber auch die Helden, die vor den Marvels da waren, finden hier ihre Auftritte. Allen voran Angel - eigentlich ein Doktor – der von einem alten Mann ein seltsames Geschenk bekommt. Tatsächlich funktioniert dieser Angel auch als Erzähler dieser Geschichte, jemand der diese umwälzende Zeit komplett miterlebt hat und quasi als Augenzeuge berichtet - ein geschickter Kniff des Autors, der dazu führt, das man sich als Leser mitten drin fühlt.

Die Story ist ganz klar eine Hommage, eine Ehrerbietung an die Anfänge der Marvels und ist dabei aber keineswegs flach, sondern ist sehr vielschichtig und tiefgängig. Die verschiedenen Helden – sowohl die „Normalen“ wie auch die neuen „Marvels“ – werden gut von allen Seiten beleuchtet. Der Plot verfolgt gleich mehrere Handlungsstränge, die sich am Ende hervorragend zusammenfügen. Natürlich ist der Plot in vielerlei Hinsicht nicht neu, die Entstehungsgeschichte von Captain America dürfte beispielsweise hinreichend bekannt sein. Doch Brubaker lässt hier seine eigenen Ideen geschickt mit einfließen und verpackt dazu das Ganze noch in eine spannende Kriminalgeschichte, die ganz im Zeichen seiner „Criminal“ oder „Sleeper“-Serien steht. Im Mittelpunkt des Krimis steht dabei eben Angel und seine Investigation gegen die Nazi-Spione. Brubaker macht hier einfach das, was er kann und das macht er wieder einmal hervorragend. Die Erzählung ist einfach atmosphärisch dicht und unglaublich spannend, weiß den Leser schon mit wenigen Panels in ihren Bann zu ziehen. Das man dabei in die Vergangenheit zurückgeführt ist noch ein zusätzlicher Bonus.

 

Die Artworks stammen von Steve Epting und sehen einfach schick und passend aus. Die Illustrationen sind enorm detailreich gezeichnet und bieten klar definierten Konturen und Linien, die Feinheiten sehr gut erkennen lassen. Dabei sind die einzelnen Panels sehr dynamisch inszeniert und geben dem Ganzen die nötige Geschwindigkeit. Im Gegensatz zu den üblichen Marvel-Superhelden-Comics ist die Kolorierung im vorliegenden Falle nicht knallig bunt, sondern dezent und düster. Auch das passt hervorragend zum Setting und zur düsteren Stimmung der Weltkriegszeit. Meisterkolorist Dave Stewart hat hier wieder ganze Arbeit geleistet.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

Der Band kommt als Softcover und im US-Format. Von produktionstechnischer Seite erstklassig gearbeitet, beinhaltet er die komplette achtteilige Mini-Serie, die in den USA Ende 2009 bis Anfang 2010 erschienen ist. Eine Covergalerie bildet den Extrasteil.

 

Fazit:

„Das Marvels-Projekt“ ist eine gelungene Hommage an die Anfänge der Marvel-Superhelden. Die Handlung ist zwar im Großen und Ganzen bereits bekannt, aber Brubaker erzählt sie zum Einen in Form einer Krimigeschichte und zum Anderen hat er sie in Details dezent verändert oder erweitert, so dass die Geschehnisse um die Entstehung von Cap America und Co einfach runder wirken. Der Plot ist dabei fesselnd und vielseitig, hangelt sich an verschiedenen Handlungsfäden entlang, die am Schluss geschmeidig zusammengeführt werden. Auch von der optischen Seite her, überzeugt diese Geschichte vollkommen. Die Artworks sehen klasse aus und passen perfekt zum Setting und der Handlung und sorgen dabei für die richtige Stimmung. Auch wenn thematisch keine echte Neuerfindung, so gehört „Das Marvels-Projekt“ doch in jede Marvel-Sammlung, denn Ed Brubaker und Steve Epting haben hier einen echten Klassiker geschaffen. Einfach umwerfend gut!