Links zur Rezension InhaltDas vergiftete Dorf ist Band 1 eines Zweiteilers. Es handelt sich um einen Kriminalfall in der Mitte des 19. Jahrhunderts, der sich aber mit einer kräftigen Prise Magie von der Realität abhebt. Dennoch ist er sicher kein klassischer Fantasy Comic. Der Mann Honoré Pencrec'h war als Heranwachsender von der kleinen Insel Dourduff in das schillernde Paris an der Seite eines Mädchens entflohen. Die Tochter aus reichem Hause, eine sehr bestimmte rothaarige Person mit Namen Camille Desfhouet und nun die Ehefrau des guten Honoré, scheint dabei die treibende Kraft dieser Hochzeit gewesen zu sein. Zumindest ist Camille diejenige, die unbedingt an den Ort ihrer gemeinsamen Kindheit zurück will, sehr zum Verdruss ihres Gatten Honoré. Schnell erfährt der Leser den Grund für seinen Unmut. In seiner Kindheit ist ein Mädchen spurlos verschwunden, in das sich Honoré ganz offensichtlich verliebt hatte. Es heißt, sie sei im Meer ertrunken, die gute Emma. Es heißt auch, wäre Emma nicht umgekommen, hätte Honoré die 'Zicke' Camille niemals geheiratet, aber wo Geld ist... Tatsächlich gehört Camille Desfhouet noch immer das Herrenhaus auf der Insel Dourduff und auch zwanzig Jahre nach ihrer Abreise erkennen die Menschen auf der Straße die beiden immer noch sofort wieder. Die Geschichte ihrer Rückkehr verbreitet sich rasch. Auf der Insel befindet sich jedoch ebenfalls die Kapuzinerschule, die Schule, in der Camille, Honoré und eben jene Emma dereinst zur Schule gingen und auch die alte Lehrerin, Mademoiselle Hortense, und ihr Gehilfe Louis arbeiten noch immer dort. Schnell wird klar, dass die beiden ein dunkles Geheimnis hüten und Mademoiselle Hortense sieht gar den Fortbestand der Schule bedroht, allein durch die Anreise unseres Ehepaars. Sie ist so verzweifelt, dass sie zur Magie greift, um noch einmal genau zu sehen, was im Detail vor zwanzig Jahren vorgefallen ist. Dabei unterläuft ihr ein gewaltiger Fehler und der junge Honoré, den sie eigentlich nur in der Vergangenheit zu beobachten suchte, wird Teil der aktuellen Gegenwart, was nicht nur ihn aus der Fassung bringt. Nach und nach wird die Geschichte immer verworrener und immer mehr Personen kommen hinzu. So hat die magisch begabte Lehrerin eine Zwillingsschwester, die in der Magie weit mehr bewandert ist als sie, ein motivierter Richter versucht sich im Lösen von Kriminalfällen und sagt gegen Ende des ersten Teils allen kriminellen Elementen den Kampf an und auch die gute Camille verfolgt sehr gezielt und alles andere als ungeschickt ihre eigene Agenda. Einzig unser Freund Honoré Pencrec'h fällt von einer Katastrophe in die nächste und das nicht nur einfach, denn es gibt ihn ja jetzt gleich zweimal. Das ist bisweilen sehr lustig, denn der junge Honoré verfügt über eine tiefe Abneigung gegenüber seiner spätere Ehefrau Camille und will seine spätere Zukunft so gar nicht wahrhaben...
Schreibstil & ArtworkDer Stil sowohl von den Zeichnungen als auch der Texte ist stark ans 19. Jahrhundert angelehnt und gibt dem Band ein authentisches Gefühl. Alles passt hervorragend zusammen. Der Autor JB Djian wurde hier vor kurzem erst als Schöpfer von Die Vier von der Baker Street gelobt und auch Der Große Tote, erschienen im Ehapa Verlag, stammt aus seiner Feder. Er liefert hier eine im wörtlichen Sinne zauberhafte Kriminalgeschichte ab, in der jede Menge wichtige Punkte einer solchen zu finden sind. Ein Mädchen wird vermisst, sie soll ertrunken sein, aber eine Leiche wird nie erwähnt. Ein Zwillingspaar gealterter Damen mit Zauberkräften hüten dunkle Geheimnisse und schützen einen Mann, der ein weiteres dunkles Geheimnis hat - aus Liebe. Die Jugendliebe des Protagonisten steht im starken Gegensatz zu seiner realen Ehefrau, die wiederum eine starke eigene Motivation in dieser Geschichte hat. Und vieles mehr. Dennoch verliert der Leser nie die Übersicht. JB Djian schafft es all diese Komponenten und noch manch Unerwähntes zu einer schönen Geschichte zu verweben, deren zarte Spannung sich nie aufbraucht und die stets durch neue Häppchen aufgefrischt wird. Die gute Stube eines Thrillers, auch wenn die Kapuzinerschule eher leichte Thrillerkost darstellt. Der Zeichner Vincent zeigte schon im Comic Albatros sein Können. Seine rustikalen Figuren und seine unaufgeregte Farbwahl passt hervorragend zum Thema des Bandes und unterstreicht geschickt die Worte der Figuren. Seine Zeichnungen bringen das 19. Jahrhundert gekonnt zurück ins Leben, zumindest das 19. Jahrhundert, das wir durch Buch und Film zu kennen glauben. Schließlich bleibt nur noch die Übersetzerin Tanja Krämling zu erwähnen. Wie bei vielen anderen Splitter Werken überzeugt sie auch in der Kapuzinerschule mit ihren Leistungen. Ohne Wenn und Aber.
Qualität und AusstattungHurra, es ist ein Splitter! Im Ernst, nach all den Comics, die ich bislang von Splitter rezensieren durfte, bleibt einem eigentlich nicht viel anderes zu erzählen. Wie immer ist der Band im übergroßen Hardcover höchster Qualität. Sechsundfünfzig stabile Seiten mit perfektem Druck suggerieren, dass der Comic auch in hundert Jahren nicht anders aussehen wird wie heute - bei vernünftiger Lagerung. Kurz, wie immer eine sehr gute Qualität und Verarbeitung. Danke.
Fazit:Kurz gesagt: ich mag die Kapuzinerschule. Wer es schmunzelnd zur Kenntnis nimmt, wenn sich in einer Geschichte die Ehegatten jeweils siezen, wenn sie die Menschen einander in leicht gestelzter Sprache mit Höflichkeit und Respekt begegnen, der sollte vielleicht einen zweiten Blick in diesen Band werfen. Die Geschichte ist originell, bleibt immer interessant und spannend und hat glaubhafte Charaktere, die offenbar alle ein kleines, ein großes oder gar ein dunkles Geheimnis haben. Der Ursprung der Geschichte selbst bleibt dabei das größte Geheimnis. Wie starb Emma? Wer war daran schuld? Starb sie überhaupt? Vielleicht gar ein: Wer überhaupt war Emma? Es entwickelt sich ständig etwas Neues in der Welt der beiden Honorés. Der Band macht Spaß, zumindest dem, den mein Fazit bislang nicht abgeschreckt hat. Wer dazu noch Krimis aus älteren Zeiten mag und sich von älteren Damen mit magischen Fähigkeiten nicht schockieren lässt, der sollte hier sicher zuschlagen. Wobei, es ist Band eins von geplanten zwei Bänden und die Geschichte steckt eigentlich mittendrin, als der Band aufhört - leider. Meine Wertung ist 4.0.
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