Aufmachung und LayoutWie so häufig überzeugt auch der vorliegende Band im Bereich der Optik und Aufmachung sehr. Man hält ein schweres, stabil gebundenes DIN A4 Hardcover von immerhin 277 Seiten in den Händen, die Umschlaggestaltung (einmal nicht wie gewohnt von Manfred Escher, der nur das Logo „25 Jahre Cthulhu“ beigesteuert hat, sondern von Hans Schneider) ist dunkel gehalten und zeigt auf dem Titel ein Schiff im Packeis, Hundeschlitten, einen Forscher und im Hintergrund eine landende Expeditionstruppe. Beim Aufschlagen fällt auf, dass beide Einbandinnendoppelseiten farbig gestaltet sind und einmal eine zeitgenössische Antarktiskarte und im Rückeinband einen sehr gelungenen farbigen Charakterbogen (Design im Stil einer Expeditionsteilnehmer-Akte: Yörn Buttelmann) zeigen. Im Textteil findet sich das gewohnte Pegasus Cthulhu-Layout, d. h. schweres, griffiges Papier, scharfer Schwarz-Weiß-Druck, (leider) sehr kleine Schrift, meist zweispaltig. Unterbrochen wird der Textteil von zeitgenössischen Fotografien (Bildredaktion Melanie Hamann mit Frank Heller), zahlreichen, ausgezeichneten Illustrationen und Karten (Chris Schlicht) und von vielen erläuternden Tabellen und Infokästen. Bei der Fülle an zu verwaltendem Material ein Plus: das Lesebändchen! Handouts sind wie gewohnt sehr realistisch gestaltet (von Melanie Hamann mit Marc Meiburg und Christina Wessel-Heller) und zu jedem Expeditionsteilnehmer findet sich ein Portrait in den umfangreichen Anhängen. Diese Anhänge sind so umfangreich ausgefallen, dass ich ihnen unten einen gesonderten Platz einräumen werde. Neu für ein Cthulhu-Produkt ist der Abdruck von acht Farbtafeln, auf denen Bilder von Marc Simonetti das Geschehen der Kampagne ansprechend bebildern. Es gab für die Kampagne noch mehr begleitendes Material, dieses war jedoch den wenigen glücklichen Käufern vorbehalten, die es auf der letzten Spiel in Essen ergattern konnten. Hierauf werde ich noch im Fazit genauer eingehen müssen.
InhaltBei dem vorliegenden Band handelt es sich um den ersten Teil einer auf drei Teile angelegten Kampagne – wobei das Wort Kampagne eine lose Aneinanderkettung mehrerer Episoden vermuten lässt. Dies ist nicht der Fall: im Grunde handelt es sich um ein großes Abenteuer, dessen zahlreichen NSC und Nebenplots sich nach und nach zusammenfügen. Da das Verwalten der Kampagne über die Informationen in den Anhängen erfolgt, werde ich die inhaltliche Besprechung der besseren Übersicht halber zweiteilen.
Abenteuer/Plot(Vorsicht Spoiler!!!)Nach den Vorworten der deutschen Redaktion (Frank Heller) und des Übersetzers (Robert Maier) folgt eine Einführung der beiden amerikanischen Autoren (Chaz und Jan Engan) der Kampagne, die diese für den deutschen Markt erweitert und nahezu vollständig neu geschrieben haben. Diese bietet einen Überblick auch über die beiden Folgebände, die wesentlichen Plotlines, Akteure und Interessengruppen. Einige praktische Hinweise zum Umgang mit Regeln (Fertigkeiten, Wahnsinn), der Adaption des Arthur Gordon Pym von Edgar Allan Poe und empfohlene Lektüre schließen sich an, bevor dann eine einseitige Zusammenstellung der wichtigsten NSC als Dramatis Personae die Einführung abrunden.
Im Prolog geht es dann zum eigentlichen Abenteuer, bzw, dessen Vorgeplänkel. Nach der nur teilweise erfolgreichen ersten Expedition der Miskatonic-Universität zum Südpol (nachzulesen im Roman „Berge des Wahnsinns“ von H. P. Lovecraft) soll im Jahre 1933 durch die –privat finanzierte und nicht an eine Universität gebundene - Starkweather-Moore-Expedition (SME) ein zweiter Anlauf gestartet werden. Namensgeber Starkweather ist ein weltgewandter Abenteurer, der den Ruhm sucht, während Moore, Geologieprofessor der Miskatonic-Universität, aus gesundheitlichen Gründen an der ersten Expedition nicht teilnehmen konnte und nun nachvollziehen will, was seinen Kollegen damals widerfahren ist. Im Prolog kann die Anwerbung der Spieler-Charaktere nachgespielt werden und sie können erste Nachforschungen über andere Expeditionsteilnehmer anstellen und auf eigene Faust Hintergründe recherchieren (zum Beispiel über Überlebende der ersten Expedition).
Danach folgt die Ankunft in New York, in der die Charaktere zum ersten Mal auf die anderen Expeditionsteilnehmer treffen und feststellen, dass die SME nicht die einzige zeitgleich stattfindende Expedition in diesem antarktischen Sommer (September ´33 bis Februar ´34) sein wird, sondern dass wenigstens zwei weitere Expeditionen den Sprung auf den kalten Kontinent wagen: die Lexington-Expedition, angeführt von einer Frau (was Starkweathers ohnehin gesunden Ehrgeiz noch weiter anzustacheln scheint) sowie der deutschen Barsmeier-Falken-Expedition, die jedoch einen anderen Teil der Antarktis zu untersuchen scheint. Im Folgenden werden die Charaktere für die Reise vorbereitet, eingekleidet und müssen an den Vorbereitungen teilnehmen, dabei lernen sie die erforderliche Ausrüstung kennen, prüfen Frachtlisten und machen erste Erfahrungen mit der enormen Presseaufmerksamkeit, die SME auf sich zieht.
Die weitere Handlung sei hier nicht verraten, nur so viel: Die SME hat sehr viele Anfangsschwierigkeiten, so kommt es zu Mord und Sabotage, noch bevor die S. S. Gabrielle, das Expeditionsschiff, Richtung Antarktis starten kann. Nach dem Tod eines Seemanns (Kapitelname) und dessen Nachwehen im Kriminalfall-ähnlichen Kapitel Diebe, Boten, Diskussionen, wobei die Charaktere sich ständig geheimnisvollen Warnungen ausgesetzt sehen, folgt dann die Abreise. Die Reise in die Antarktis selbst ist auch nicht so friedlich, wie gedacht, denn es folgt die Sabotage auf See, ein spannendes Kapitel, in dem der Tagesablauf der Seemannschaft, die Erkundung des Schiffes und die Jagd nach dem Saboteur im Mittelpunkt stehen. Die Charaktere erleben ihre Äquatortaufe, sehen Melbourne, helfen der Expedition bei der weiteren Vorbereitung und der Aufnahme weiterer Vorräte, bevor es dann im letzten Kapitel Auf Eis geht. Hierin wird die Fahrt in die polare Region dargestellt, man lernt das Packeis kennen und landet schließlich in der Antarktis, wo es gilt, ein erstes Basislager aufzuschlagen.
AnhängeSo viel vorab: Die Anhänge erschlagen einen fast ob ihres Detailreichtums und Umfanges, nehmen sie doch mit 129 Seiten fast genauso viel Platz in Anspruch wie der eigentliche Abenteuerplot. In Spielwerte und Hintergründe erfahren wir auf fast 30 Seiten mehr über die Expeditionsteilnehmer. Neben den Spielwerten (wie immer mit einigen augenzwinkernden „Fertigkeiten“, die die NSC oftmals noch treffender beschreiben als der Text selbst) finden wir ausgearbeitete Hintergründe zu allen (sechsundfünfzig!!!) Nichtspielercharakteren, darunter Expeditionsteilnehmer der SME und der Lexington-Expedition, die Übersicht wird durch eine Besatzungsliste, die vorangestellt ist, wesentlich erleichtert.
Es folgen die Handouts, die die inzwischen von Pegasus gewohnte Qualität bieten können, darunter Zeitungsausschnitte, (z. T. handgeschriebene) Briefe, Frachtlisten und Urkunden. Sodann werden neue Fertigkeiten in einem kleinen Regelteil vorgestellt, darunter Fahren (Hundeschlitten), Funk, Hundeführung, Luftbildkartierung, Meteorologie, Sprengen, Überlebenskunst (Extrembedingungen) und Wartung von Propellermaschinen. Letztere werden dann auch eingehend im nächsten Kapitel Transportmittel betrachtet. Dort finden sich die Zahlen, Daten und Fakten zu den verschiedenen Transportmitteln der unterschiedlichen Expeditionen. Schiffe, Flugzeuge (transportabel und polarfest), ein Zeppelin, Tragschrauber und Schneeraupen werden hier erläutert. Es folgen Ausführungen zur Frachtliste und zu den Frachtoperationen der Starkweather-Moore-Expedition, die erforderlich sind, um Mensch, Tier und Material (vor allem Treibstoff) zwischen den verschiedenen Lagern hin und her zu transportieren.
Sodann liest man eine Chronologische Übersicht über die Antarktis-Expedition der Miskatonic-Universität 1930-1931 sowie eine Chronostratigrafie, also eine Gegenüberstellung „realer“ historischer Ereignisse der Erdzeitalter mit der den Menschen (noch?) unbekannten Geschichte. Das nächste, recht lange Kapitel beschäftigt sich mit den denkwürdigen Erlebnissen des Arthur Gordon Pym, einem Romanfragment von E. A. Poe, dass hier vor dem Hintergrund der Lovecraft’schen Erdgeschichte neu interpretiert wird und die „unveröffentlichten Kapitel“ werden nicht nur abgedruckt, sondern es wird auch erläutert, welchen Weg die „Originaldruckfahnen“ genommen haben und wieso dies für manche der Expeditionsteilnehmer (aller drei Expeditionen) noch von Bedeutung werden kann.
Ein grandioses Kapitel widmet sich dem geographischen Hintergrund der Kampagne und heißt deshalb passenderweise Die Antarktis. Darin wird das (Über-)Leben in der Antarktis vorgestellt, nebst Übernachtung, Gesundheit und Erste Hilfe, Verpflegung und Ernährung, Erkrankungen und körperlichen Schäden. Tabellen und einzelne typische Krankheiten und Gebrechen werden eingehend beschrieben und auch deren Darstellung im Spiel und die regeltechnischen Auswirkungen auf die SC werden nicht ausgespart. Funkverkehr und Navigation, Geografie bekommen ebenfalls kleine Unterkapitel spendiert. Der Hauptgegner der Charaktere, das Wetter in der Antarktis, und dessen Auswirkungen auf die jeweilige Situation der SC wird ausführlich beschrieben, insbesondere der Wind und das daher oft eingeschränkte Flugwetter dürften dabei von Interesse sein. Flora, Fauna, Witterungs- und Himmelsphänomene sowie allgemein Wissenwertes und Technisches runden dieses immens wichtige Kapitel ab, bevor man sich dann eingehend im Folgekapitel der Ausrüstung in der Antarktis widmet. Zelte, Unterkünfte, Kleidung, Verpflegung, Schlitten, Atemgeräte und Notausrüstung der SME werden hier detailliert beschrieben und entsprechende Listen und Tabellen geliefert. Auch die Ausrüstung eines Hundeschlittens wird hier aufgeführt. Im Kapitel Gefährliches Eis werden abschließend noch typische Gefahren der Polarregion erläutert, so etwa technische Fehlfunktionen, Wetterumschwünge oder Magnetstürme. Im Anschluss gibt es noch Regeln zur Wartung von Flugzeugen und wichtige Informationen über einen möglichen, vorzeitigen Aufbruch ins Miskatonic-Gebirge findet man in Auf die Berge. Eine Kurze Geschichte der Antarktisforschung und Andere Expeditionen in der Antarktis runden das detaillierte, im Anhang zusammengefasste Kompaktwissen zur Antarktis ab. Es folgen noch Kopiervorlagen für einen doppelseitigen (A4>A3) Charakterbogen und mehrere Seiten mit Portraits der Expeditionsteilnehmer.
Fazit:Ein passendes Fazit zu schreiben, fällt in diesem Falle nicht leicht. Zum einen habe ich bislang nur den ersten Teil einer dreibändigen Kampagne, zum anderen wird das Spielerlebnis durch weiteres Zusatzmaterial, welches dem Band nicht beiliegt, erheblich gefördert. Hierzu zählen zwei Expeditionspacks, eines von Pegasus selbst, welches neben einem Spielleiterschirm noch Charakterbögen und einige Handouts enthält, und ein weiteres, vom Team der Seite cthulhu.de mit Pegasus’ Segen erstelltes Fan-Expeditionspaket mit weiteren Handouts (teilw. auf Zeitungspapier), Blöcken, Aufklebern, Charakterportraits etc. Als weitere Kampagnenergänzung gibt es von Erdenstern eine passend komponierte Begleitmusik-CD, welche vom Rezensenten in diesem gesonderten Artikel besprochen wird.
Bezüglich der Aufmachung gibt es nichts zu kritisieren, von der kleinen Schrift einmal abgesehen. Bebilderung, Layout, Handoutgestaltung, Karten etc. sind allesamt wunderbar geraten und lassen bereits beim ersten Lesen echtes Expeditions-Feeling aufkommen. Lediglich die Anordnung der Anhänge scheint etwas willkürlich und so kann es immer wieder zu einigem Hin- und Herblättern kommen, da sich z.B. Ausrüstung in verschiedenen Teilen der Anhänge findet.
Etwas anders beim Abenteuer selbst. Inhaltlich richtet sich die Kampagne vor allem an erfahrene Spielleiter, denn es gilt, dutzende von NSC zu verkörpern und zu verwalten. Der Auftakt in New York ist von der Geschichte her großartig, und auch die Reise auf der S. S. Gabrielle wird sicherlich den Spielern unvergessen bleiben. Sabotage, Zwischenstopp in Melbourne und erste Erfahrungen mit dem unwirtlichen Kontinent am Südpol runden dieses Expeditionserlebnis ab. Die von den Spielercharakteren zu meisternden Aufgaben, allesamt an historische Expeditionen und deren Herausforderungen angelehnt, lassen eine sehr realistische Stimmung aufkommen – durch die Konkurrenz-Expeditionen und die im Geheimen agierenden Widersacher kommt auch ohne allzu cthuloide Elemente großartige Spannung auf. Die Anhänge runden das Ganze ab und helfen dem Spielleiter bei seiner schwierigen Aufgabe.
Das Erlebnis wird – zumindest für den Spielleiter - von der Komplexität der Materie etwas getrübt. Das Verwalten von mehreren Expeditionen, im Hintergrund agierender Gegner, unzähligen Nichtspielercharakteren und das Management des Expeditionsmaterials und der Ausrüstung derselbigen nebst den zahlreichen verschiedenen Fortbewegungsmitteln stellt eine ziemliche Mammutaufgabe dar und erfordert neben vertiefter Regelkenntnis auch ein gehöriges Maß an Selbstorganisation, dass weit über das hinaus geht, was in anderen Abenteuern gefordert wird. Das Berechnen von Nachschubwegen und Frachtoperationen kommt noch erschwerend hinzu.
Hinzu kommt, dass man vorab trefflich den (Farb-)Kopierer wird bemühen müssen, denn das Buch strotzt gerade so vor Handouts, Karten und Illustrationen, die man seinen Spielern sicherlich nicht vorenthalten möchte. Wohl dem, der eines der streng limitierten Expeditionspacks ergattern konnte. Der Rezensent kann nicht nachvollziehen, warum diese Limitierung erfolgte, bzw. warum die wesentlich interessanteren Handouts von dritter Seite angeboten wurden. Hier wäre zumindest eine Online-Lösung (z. B. als PDF) wünschenswert.
Unter dem Strich bleibt jedoch ein großartig ausgestatteter, atmosphärischer Kampagnenauftakt, der Lust auf die weiteren Bände macht, der jedoch aufgrund seiner Komplexität (und des schieren Umfangs) hohe Anforderungen an den Spielleiter stellt. Der Gesamteindruck wird lediglich von der etwas unverständlichen Add-On-Politik betreffend der Handouts und Extras getrübt, die für das Spiel zwar nicht essentiell, aber für das Spielerlebnis „Berge des Wahnsinns“ sehr stimmungsvoll wären. Es bleibt anzumerken, dass es für Expeditionsteilnehmer förderlich wäre, wenn diese Lovecraft’s Berge des Wahnsinns (und Poe’s Arthur Gordon Pym) zuvor nicht gelesen hätten – der Spielleiter hingegen muss mindestens Lovecraft gelesen haben, um hier den Spielern das Erlebnis zu bescheren, die epischste und umfassendste (und zu gleich leider den Mythos etwas entzaubernde) Kampagne zu erleben, die je für das Cthulhu-Rollenspiel geschrieben wurde.
Unter Berücksichtigung der tollen Atmosphäre, der sehr guten Ausstattung (wobei die „Ausgliederung“ der Handouts in streng limitierte Fan-Pakete wenig Zustimmung bei mir findet), dem spannenden Hintergrund und der Recherche-Arbeit des Autoren-Teams, bei gleichzeitiger negativer Wertung der Anordnung der Anhänge, des Mikro-Management-Aufwandes (Ausrüstung, NSC etc.) für den Spielleiter und der zu kleinen Schriftgröße und einem für den Umfang durchaus angemessenen Preis komme ich auf eine Wertung von sehr guten 4.5 Punkten.
Nachtrag: Wie inzwischen aus verlässlicher Quelle bekannt wurde, hat sich Pegasus entschlossen, einen Großteil der vorab nur einem kleinen Kreis zugänglichen Handouts zum Download bereit zu stellen. Damit relativiert sich die (ohnehin recht milde) Kritik des Rezensenten abermals. Die Downloads findet ihr in der Linkliste rechts unter dem Datenblock. |
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