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Traveller - Abenteuer 02 - Gefängniswelt
Bewertung:
(4.5)
Von: Moritz Mehlem
Alias: Glgnfz
Am: 23.02.2011
Autor:Marc Miller
Übersetzer:Patrick Benz
Typ:Abenteuer
System:Traveller
Setting:Traveller
Verlag13Mann Verlag
ISBN/ASIN:978-3-941420-50-2
Inhalt:138 Seiten, Hardcover
Preis:24,95 EUR
Sprache:Deutsch

Aufmachung

Hier gibt es nicht viel zu sagen – außer „klassische, schlichte Traveller-Eleganz“. Das Cover glänzt wie (fast) alle 13Mann (Mongoose)-Traveller-Produkte in mattem Schwarz, dem Traveller Logo, dem Titel und einem Motto. Letzteres heißt in diesem Fall „Der Justizgrad ist schließlich nicht zum Spaß da“ und erinnert in seiner lapidaren Schlichtheit fast schon an Judge Dredd.

Auch im Inneren gibt es keine Farborgien, Layout-Schnickschnack oder Kapitelreiter an den Seitenrändern, sondern knallhartes Zweispalten-Layout, das nur für Tabellen oder (recht rar gesäte) Illustrationen oder Karten unterbrochen wird.

Mich stellt das zwar absolut zufrieden, geht mir doch Funktionalität und Lesbarkeit vor grafischen Spirenzchen, aber die aktuelle an MTV und grafisch überbordende Comics gewöhnte Generation wird wahrscheinlich etwas „mehr“ erwarten. Auch Lektoratsfehler sind erfreulicherweise überaus selten und lediglich die Tabelle auf S. 76 sieht so aus, als sei die letzte Spalte irgendwie verrutscht. Neben dem Lektorat kann man auch der Übersetzung nichts vorwerfen, denn das Buch liest sich wie aus einem Guss und ich habe wirklich nichts gefunden, über das ich mich von der Übersetzung her richtig hätte aufregen können.

Die beiden schwarzen Lesebändchen hätte ich nicht unbedingt gebraucht, aber wo sie schon mal da sind, markiere ich gleich zwei Seiten, zu denen ich später noch etwas sagen möchte: S.21 und S.116.

 

Das Abenteuer ist die Neuauflage eines Traveller-Abenteuers aus dem Jahr 1982. Leider bin ich nicht mehr im Besitz des alten Abenteuers und kann mich auch kaum noch daran erinnern, sodass ein Vergleich der beiden Versionen entfällt.

Eine Frage, die sich bei „Abenteuer 2: Gefängniswelt“ stellt, ist natürlich: „Wo ist Abenteuer 1?“ In der Mongoose-Fassung ist das gerade „Abenteuer 1: Beltstrike“ und soweit ich weiß, wird dieses gerade übersetzt oder befindet sich schon im Layout. Keine Ahnung, warum 13Mann da eine andere Veröffentlichungsreihenfolge gewählt hat, als der Lizenzgeber.

 

Aber weiter im Text, mein Herz ist mit dem Layout ohnehin schon gewonnen…

 

Inhalt

Hmmm… Ich stehe vor einem Dilemma – will man doch einerseits das erste Produkt eines neuen Partnerverlages nicht in der Luft zerreißen und andererseits nicht schleimig in den Himmel loben.

 

Jetzt habe ich das Abenteuer „Gefängniswelt“ komplett „durchgeackert“, mir meine Gedanken darüber gemacht und kann es nicht vermeiden eines der beiden Extreme zu bedienen…

 

 

… ich bin restlos begeistert! So! Genau so! Genau so muss ein Abenteuer aussehen und konzipiert sein. Das kommt meinem Old-School-Sichtpunkt vom „Dungeon als kleinem Raum mit großer Freiheit“ extrem nahe. Nun ja – dann muss ich halt das nächste 13Mann-Produkt verreißen, um das wieder auszugleichen…

Was bekomme ich also auf den 136 Seiten geliefert, was mich so in Begeisterung versetzt?

 

Zuerst einmal wird der Gefängniskomplex mit seinen Räumlichkeiten genau dargestellt. Es gibt eine oberirdische Abteilung und unterirdische Bereiche, wie den Verwaltungskomplex, die obere Minenebene, die untere Minenebene (aufgrund der starken Verseuchung eine tolle Strafmaßnahme, sowie ein daran angrenzendes natürliches Höhlensystem, aus dem eine Flucht möglich sein kann, aber nicht muss.

Der Schilderung der Örtlichkeiten folgt eine gewaltige auch direkt als Zufallstabelle zu verwendende Menge an Häftlingen, Wärtern, Personal und Besuchern. Sie alle haben nicht nur Spielwerte, sondern kommen auch immer mit Informationen, die sie besitzen und eigenen Abenteueraufhängern daher.

 

Der nächste Abschnitt gibt Hinweise, wie man das Abenteuer leiten kann und gibt nicht nur den festen inneren Rhythmus des Gefängnisses an, sondern auch noch Zufallstabellen, Reaktionstabellen und Gefängnisvorschriften sowie zu erwartende Strafen bei Missachtung. Ferner gibt es ein Reputations-System, mit dem die Charaktere die innere Gefängnishierarchie hinaufklettern aber auch wieder hinabrutschen können.

Was soll ich sagen? Wirklich keine Frage bleibt offen: Wie verhalten sich die Wächter, wie werden Messerstechereien abgewickelt, wie ist das Computer-Wachsystem organisiert, wo gibt es wie viele Wächter…? Auch kleine aber stimmungsvolle Details, wie eine Häftlingsakte, die für jeden Charakter geführt werden muss, dienen nicht ausschließlich der Stimmung, sondern sind auch gute Hilfsmittel, die dem Spielleiter an die Hand gegeben werden, um ein kompliziertes Abenteuer souverän leiten zu können.

 

Wer sich selbst mit all diesen Hintergrundinformationen schwer tut, das Abenteuer zu leiten, bekommt noch eine Ereignistabelle, die Gefängnis-Gerüchteküche mit etlichen Abenteueraufhängern, 16 kurze Zwischenfälle, die jeweils schon eigene kleine Abenteuer darstellen und sechs Abenteuer: Epidemie, Frisches Blut, Machtkampf, Die Huld der Maschinen, Das Vermächtnis der Aliens und Flucht.

Diese Abenteuer sind an sich schon abendfüllend und von Machtgerangel zwischen Direktor und Vize-Direktor über einen Fluchtplan, den FRED, der Gefängniscomputer ausheckt bis hin zu einem uralten Alien-Vorposten wird alles geboten, was das Herz begehrt.

An dieser Stelle weiß auch zu gefallen, dass die Abenteuer auch parallel laufen können und nicht nacheinander oder gar in einer bestimmten Reihenfolge „abgeklappert“ werden müssen.

 

Aber selbst all diese Elemente, aus denen man sich eine tolle Kampagne innerhalb des Gefängnisses zusammenbasteln kann, sind noch nicht alles. Sind die Charaktere erst aus dem eigentlichen Gefängnis entkommen, müssen sie noch in der unbarmherzigen Natur des Wüstenplaneten überleben und sich zum Raumhafen in Circle City durchschlagen. Auch hier gibt es kein Script, sondern der Planet wird in seinen entscheidenden Elementen (Geographie, Flora und Fauna, Begegnungstabellen…) geschildert und die Charaktere können so handeln, wie sie es für vernünftig halten – natürlich mit allen Konsequenzen, die ihnen daraus erwachsen.

 

Weiterhin gibt es noch eine anderthalbseitige Ausrüstungstabelle, die alle Gegenstände umfasst, derer man im Gefängnis habhaft werden kann und die sich auch nur entfernt als nützlich erweisen könnten, und eine neue Karriere: den Häftling.

 

Ich habe zwei kleine Kritikpunkte, die neben dem für das Jahr 2011 wohl zu minimalistischen Layout die absolute Höchstnote verhindern – aber in einem Fall kann es auch meine eigene Doofheit sein, das will ich nicht abstreiten.

Kommen wir also zurück zu den beiden Seiten mit dem Lesebändchen:

Auf Seite 21 befindet sich die Karte des natürlichen Höhlensystems unter der Gefängnismine. Die Räume dieses Systems sind mit 1-3 durchnummeriert, ich finde aber im Text keine Erklärung, was die Zahlen bedeuten und es gibt auch keine erklärende Tabelle.

Ein ähnliches Problem stellt sich auf S. 116. Es gibt zwei verschiedene Karten von Keanou und der Region von Tarkwall. Direkt neben der Tarkwall-Karte befindet sich eine Legende, die nach einigem Überlegen aber zu der Keanu-Übersichtskarte gehört und die Tarkwall-Legende ist dann auf Seite 124. Da wäre ein kleiner Hinweis schon nett gewesen.

Wo wir schon beim Jammern auf hohem Niveau sind: Als Rollenspieler und Ästhetiker gefällt mir die schwarze Cover-Gestaltung wie gesagt außerordentlich gut, aber als Sammler tut es mir im Herzen weh, mit dem Buch zu arbeiten, denn nur zu schnell sieht man hier kleine Kratzer und Farbabriebe. Das ist allerdings kein Meckern an der wirklich guten Produktion, sondern einfach eine Feststellung, die in der Natur der Sache liegt.

 

Fazit:

Ein eher untypisches Traveller-Abenteuer, hat es doch mit den Weiten des Alls weniger zu tun, als mit der präzisen Schilderung eines kleinen Fleckchens Erde – okay: eines kleinen Fleckchens Keanou.

 

Wer sich allerdings darauf einlässt, erhält einen erstklassig ausgearbeiteten Hintergrund für viele, viele Abenteuer, die immer Hand und Fuß haben. Wirklich alles ist bei der Planung bedacht worden und der Spielleiter bekommt viele Werkzeuge an die Hand, wie er die Abenteuer im Gefängnis leiten kann und welche Auswirkungen sie später haben. Selbst daran, dass neben einer Flucht auch das Einlegen von Rechtsmitteln Erfolg haben kann, wurde gedacht.

 

Das größte Plus sei hier noch einmal erwähnt: Es gibt zwar minimale Regieanweisungen, aber kein Skript. Blitzsauber wird hier der gesamte Hintergrund geschildert und in diesem Rahmen können sich die Charaktere absolut frei verhalten.

So musste ein Abenteuer im Jahr 1982 aussehen und so muss es auch im Jahr 2010 aussehen. Das Ding ist einfach zeitlos gut.

 

Um die Eingangsfrage im News-Eintrag zu beantworten: Es bringt längerfristigen Spielspaß und es hat sich gelohnt, das Abenteuer präzise durchzuarbeiten, denn man stellt dabei fest, wie viele Gedanken eingeflossen sind und wie wirklich alle Details bedacht wurden, um dem Spielleiter möglichst gut dabei zu helfen, ein wirklich komplexes Abenteuer ohne Stottern leiten zu können.