Links zur Rezension InhaltAm 21.08.1781 macht sich das Schiff „Marie-Caroline“ von Afrika aus auf den Weg Richtung Cap Français, dem heutigen Cap-Haitian. Der Start der Reise steht allerdings unter keinen guten Vorzeichen, da Kapitän Boisbeauf nach einem Sturz nur wenige Tage später seinen Verletzungen erliegt und der verhasste Leutnant Jean-Jaques Bernadin das Kommando über das Schiff übernimmt. Die Stimmung an Bord ist angespannt und erlebt ihren ersten traurigen Höhepunkt, als Alihosi, die sich als persönliche Dienerin von Isa relativ frei auf dem Schiff bewegen darf, sich gegen die Annäherungsversuche von Leutnant Bernadin zur Wehr setzt und sie hierfür zu 100 Peitschenhieben verurteilt wird. Auch der beschwichtigende Einsatz von Isa kann an dieser Bestrafung nichts ändern und Alihosi wird für den Rest der Reise zu den Sklaven unter Deck gesperrt.
Der Aufenthalt in Principe, wo das Schiff repariert und die „kostbare Fracht“ von rund 340 Sklaven neue Kräfte sammeln soll, bevor es an die große Überfahrt zu den Inseln Amerikas geht, hat seine Tücken. Durch einen tragischen Unfall an der Ankerwinde sterben Leutnant Chenier und drei weitere Matrosen, da die Ankerspills nicht ordnungsgemäß verkeilt waren.
Die Unachtsamkeit eines Matrosen beschert zudem den eingepferchten Sklaven ein Messer, welches sie gegen ihre Peiniger auch einzusetzen wissen. Unter der Leitung von Alihosi kommt es zum Aufstand der Sklaven. Da Alihosi das Schiff recht gut kennt, ist es für sie ein Leichtes die Sklaven mit Waffen zu versorgen. Da ein gewaltiger Sturm tobt, der das Schiff fast zum Kentern bringt, ist der Rest der Mannschaft viel zu abgelenkt, als dass diese von den Geschehnissen unter Deck Kenntnis erhalten könnten. Erst als die Sklaven nach Abflauen des Sturmes den Kampf gegen die Besatzung aufnehmen, bricht auf dem Schiff die Hölle los.
Während sich die Mannschaft im hinteren Teil des Schiffes verbarrikadiert, haben die Sklaven das Schiff fast vollständig unter Kontrolle. Es ist nur eine Frage der Zeit bis die Übermacht auch noch die letzten verbleibenden weißen Peiniger überwinden wird. Die Hoffnung der Mannschaft sinkt und in einer letzten Verzweiflungstat beschließen sie, den Schießpulvervorrat der revoltierenden Sklaven zu vernichten und einen letzten Angriff zu starten.
Schreibstil & Artwork:Der französische Comiczeichner François Bourgeon wurde am 05.07.1945 in Paris geboren und durchlief eine Ausbildung zum Glasmaler an der Pariser „Ecole des Métiers d'Art“. Bereits 1971 musste er allerdings seinen Beruf aufgeben, da die allgemein schlechte Auftragslage in seinem Metier nicht für seinen Lebensunterhalt reichte. Anfang der 70er Jahre gelangte er, eher zufällig, in Kontakt mit der Jugendzeitschrift „Lisette“, für die er 1972 die Serie „L´Ennemie vient de la mer“ erschuf, die mit ihren stark schematisierten Zeichenformen noch deutlich Bourgeons Prägung durch die Glasmalerei erkennen lässt. Nach dem Konkurs von „Lisette“ folgten weitere kleinere Arbeiten für Magazine wie „Fripunet“, „J2“ und „Pif Gadget“.
Einen ersten, wenngleich auch kurzen, Ausflug ins Mittelalter unternimmt Bourgeon bereits 1973 mit dem Comic „Brunelle et Colin“ (dt. „Britta und Colin“, Carlsen). Die von Robert Génin für das Comicmagazin „Djinn“ geschriebene Serie um eine tollkühne Prinzessin und ihren Pagen gibt er allerdings bereits nach zwei Bänden wieder auf. Ab 1982 setz er sie mit dem Zeichner Didier Convard aber fort.
Im Jahr 1979 gelingt Bourgeon mit dem historischen Zyklus „Reisende im Wind“ der Durchbruch in der frankobelgischen Comicszene. Dies allerdings nicht unbedingt durch seinen Zeichenstil, sondern vielmehr durch seine Neuerungen auf dem Gebiet der Bilddramaturgie des Comics: Als Bourgeon Anfang der 70er Jahre die Comic-Szene betrat, war die Seitenaufteilung des Mediums noch weitgehend klassisch und konventionell geprägt: Die einzelnen Panels folgten linear aufeinander und bildeten ein starres Gerüst. Bourgeon hob diese Beschränkung einfach auf und wechselte die Panelgröße je nach Verlauf und Absicht seiner Erzählung. So fügt er beispielsweise kleinere Detailbilder in größere Panoramen ein und erzielt so mitunter Effekte, wie sie der Leser aus der Erzählsprache der Filmkunst kennt. Doch nicht nur die visuelle Erzählweise von Bourgeon war für die damalige Comic-Kultur wegweisend, sondern auch die Entwicklung der Charaktere innerhalb einer Comic-Reihe wie in „Reisende im Wind“, die man bislang in dieser Form nicht kannte.
Bourgeon pflegt in „Reisende im Wind“ einen insgesamt sehr realistischen und detaillierten Zeichenstil, wobei er oft auf der Grundlage von historischen Studien von Landschaft, Technik und Bauwerken arbeitet. Seine nie geschönten oder idealisierten Figuren basieren auf anatomisch genauen Vorgaben, ohne dabei allerdings ins Photorealistische überzugehen. Doch nicht nur der Zeichenstil besticht, sondern auch die historische Genauigkeit, die Bourgeon in der Reihe an den Tag legt:
Bereits in der Rezension des dritten und des vierten Bandes der Reihe „Reisende im Wind“ habe ich das Thema „Sklavenhandel“ eingehender betrachtet, da es sich um ein zentrales Motiv von Bourgeon in der wechselvollen Geschichte seiner Protagonistin Isa handelt. In den Laderäumen der Sklavenschiffe, bei denen die Sklaven von der Besatzung herablassend nur als „Ebenholzfracht“ bezeichnet wurden, waren die Menschen in ca. 1,50 Meter hohe Laderäume, die horizontal durch provisorische Zwischendecks unterteilt waren, eingepfercht. In diese Fächer, jeweils zu zweit aneinander gekettet, mussten die Gefangenen kriechen. So konnten sie noch nicht einmal auf dem Rücken liegen, geschweige denn, dass sie in den Fächern, in die sie eingezwängt wurden, aufstehen konnten. Wer Glück hatte, durfte unter Umständen täglich ein paar Stunden, paarweise angekettet, an Deck gehen.
Wenn allerdings Seuchen oder Krankheiten ausbrachen oder die Luftlöcher wegen des Wetters geschlossen gehalten wurden, fanden sich die Lebenden mitunter an den inzwischen Verstorbenen gekettet wieder. Es gibt zahlreiche erschütternde zeitgenössische Zeichnungen, welche über die Rationalisierung bei der Beladung von Sklavenschiffen berichten, bei deren Überfahrt mindestens 30 Prozent der Sklaven die fünf bis acht Wochen dauernde Überfahrt nicht überlebten.
Es wundert also nicht, dass es unter solchen Vorzeichen zu einem Aufstand an Bord der „Marie-Caroline“ kommt, der blutig beginnt und ebenso brutal endet. Doch ist es nicht nur der Sklavenaufstand, den Bourgeon in seinem Szenario verarbeitet. Er nutzt die Enge des Schiffes für ein wahres Kammerspiel an Charakteren und Befindlichkeiten, die hier auf engstem Raum ausgetragen werden. Mit Grignoux, dem Schiffskoch, präsentiert er dabei einen überaus facettenreichen Charakter, der im späteren Verlauf der Geschichte noch für eine ganz besondere Überraschung sorgt. Inmitten dieses Treibens stehen Isa und Hoel, die von einem neuen Leben träumen, ebenso wie Mary und ihr Kind. Doch auch hier entwickelt sich alles anders, als man es vielleicht meint und so trägt diese Reihe nicht umsonst den Titel „Reisende im Wind“.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungEine solide Heftung in gediegener Hardcover-Qualität sind beim Splitter Verlag sicherlich eine Selbstverständlichkeit, ebenso wie es an der gelungenen Übersetzung von Delia Wüllner nichts zu bemängeln gibt. Als Extra liegt dieser Ausgabe wiederum ein qualitativ hochwertiger und herausnehmbarer Druck bei, der nicht nur das Herz jeden Sammlers erfreuen wird.
In Sachen Drucktechnik hat sich seit den 80er Jahren natürlich auch einiges getan und so sehen die Farben dieser Neuauflage frischer und freundlicher aus, als seine etwas in die Jahre gekommenen Vorgänger. Zudem hat Bourgeon dem Projekt seine eigens dafür digitalisierte Handschrift für ein modernes Computer-Lettering zur Verfügung gestellt, welches den Band umso lesenswerter macht.
FazitEs ist und bleibt eine denkwürdige Reise, auf die Francois Bourgeon seine Protagonistin Isa schickt und dem Titel der Reihe alle Ehre macht – Reisende im Wind. Angetrieben durch ihr eigenes Schicksal und ihre Vergangenheit verschlägt es Isa von dem vermeintlich finsteren afrikanischen Kontinent auf die abenteuerliche Reise weiter in Richtung Haiti, wo die Sklaven verkauft werden sollen. Vor dem authentisch skizzierten Hintergrund an Bord eines Sklavenschiffes bringt Bourgeon durch die wunderbar gelungene Inszenierung der zahlreichen Charaktere nicht nur den historisch interessierten Leser ins Staunen. Wie bereits in den vorhergehenden Rezensionen der Bände dieser Reihe angemerkt, sind es weniger die spektakulären Momente, als vielmehr eine ruhig erzählte Geschichte, die sich ausreichend Zeit nimmt, ihren Charakteren die nötige Tiefe vor dem historischen Hintergrund am Vorabend der französischen Revolution zu verleihen, ohne dabei pathetisch oder gar langweilig zu wirken. Hinzu kommen gelungene Dialoge, welche die Wirkung der hervorragenden Bilder noch unterstreichen.
Auch wenn dieser „Klassiker“ mittlerweile schon einige Jahrzehnte alt ist, so hat er – wie bereits gesagt – visuell doch nichts von seinem Reiz verloren. Der für damalige Verhältnisse neuartige Umgang im Aufbau der Panels besitzt weiterhin großen Charme, auch wenn manche der Figuren in ihrer Darstellung vielleicht etwas hölzern wirken. Es sind keine waghalsigen Experimente auf die sich Bourgeon einlässt, aber dennoch gehörte er mit zu den wenigen, auch kommerziell erfolgreichen Künstlern, welche diese neue Form der Darstellung von Geschichte im Comic den Weg bereiteten.
So kann ich dem Leser auch den fünften Band dieser Reihe absolut empfehlen, da man sich diesen wegweisenden „Historien-Comic“ in dieser absolut gelungenen Neuaufmachung nicht entgehen lassen sollte.
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