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Wanted 1 - Die Brüder Bull
Bewertung:
(3.5)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 08.04.2011
Autor:Simon Rocca (Autor) und Thierry Girod (Zeichner)
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Western
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-242-6
Inhalt:48 Seiten, Hardcover
Preis:13,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Irgendwo in New Mexico im Jahre 1862: Der Kopfgeldjäger Wanted ist auf der Spur von Dandy Silbus, der sich in der Einöde seit über einem halben Jahr als Trapper durchschlägt. Es gelingt Wanted, Silbus zu stellen, doch dummerweise kommt es zu einem Schusswechsel, bei dem Silbus stirbt. Es wäre für Wanted einfacher gewesen, ihn lebend in die nächste Stadt zu bringen – doch ein Kopfgeld gibt es auch für einen Toten.

 

Auf seinem Weg zurück in die Stadt folgt er aus Neugierde einigen Bussarden und Geiern und stößt auf eine Farm, die scheinbar von Skalpjägern der schlimmsten Sorte überfallen worden ist, die selbst vor Kindern keinen Halt gemacht haben. Während er noch überlegt, ob er die Toten beerdigen soll, wird er auf einen schwerverletzten Überlebenden aufmerksam. Wanted nimmt sich nach anfänglichem Zögern des Verletzten an und kümmert sich um dessen Wunden. So wie er den toten Silbus auf dem einen Pferd liegen hat, nimmt er den Verletzten auf sein Pferd und gemeinsam geht es weiter nach Santa Fé.

 

Auf dem Weg nach Santa Fé stellt sich der verletzte Mann als das Halbblut Yaqui Jed heraus, der mit seiner Frau und seinen Kindern eine kleine Bronco-Zucht besaß. Er setzt alles daran, die Kerle zu ermorden, die seine Familie umgebracht haben. Von Wanted erfährt er von Kit Carson, der in Taos sein Quartier hat und wohin die Skalpjäger sicherlich unterwegs sein dürften. Hier zahlt er 50 Dollar für einen Navajo-Skalp, beziehungsweise 30 und 20 für den von Frauen und Kindern. Die Skalpjäger, welche die Familie überfallen haben, scheinen allerdings nicht gegen Navajo-Krieger zu kämpfen, sondern töten friedliche Hopi oder Pueblos und geben deren Kopfhaut als die der Feinde aus. Jegliche Versuche von Jed Wanted für seinen Rachefeldzug gegen die Skalpjäger zu gewinnen scheitern und dieser ist froh, als sie auf Hopi-Krieger stoßen, die sich des Verletzten annehmen.

 

Angekommen in Santa Fé gibt Wanted den Leichnam von Silbus beim örtlichen Sheriff ab, um sich mit der Prämie von 500 Dollar in die abendlichen Vergnügungen der Stadt zu stürzen. Bei einem Pokerspiel trifft er auf einen der Mörder der Familie des Halbblut, der, als ihm das Bargeld ausgeht, als Einsatz einen Navajo-Skalp setzt. Eigentlich sollte es nicht das Problem von Wanted sein, sich um die widerlichen Skalpjäger zu kümmern, doch seine Neugierde lässt ihm keine Ruhe und so kommt er am nächsten Tag ins Gespräch mit diesem seltsamen Brillenträger, der mit seinen Brüdern im Gebiet von Taos auf der Jagd nach Skalps ist.

 

Schreibstil & Artwork:

Georges Ramaïoli, der später auch unter dem seinem Pseudonym „Simon Rocca“ Bekanntheit erlangt hat, wurde am 26.06.1945 in Frankreich geboren. Seine Leidenschaft für Comics begann er aber erst spät richtig auszuleben und so arbeitete er ab 1974 für verschiedene Magazine und zeichnete eine Kurzgeschichte für Jean Giraud. Ein Jahr später begann er mit dem Szenaristen René Durand mit dem ersten Band der Serie „La Terre de la Bombe“, die bis 1977 veröffentlicht wurde. Noch im gleichen Jahr erschien die zweite erfolgreiche Reihe der beiden: „L'Indien Français“, die in Deutschland unter dem Titel „Der weiße Indianer“ veröffentlicht wurde.

1980 entstand die SF-Reihe „Mado et Maildur“, mehrere Kurzgeschichten folgten und 1987 begann er mit René Durand die Reihe „Zoulouland“, deren erster Band in Deutschland unter dem Titel „Zululand – Volk des Himmels“ erschien. 1989 arbeitete er als Zeichner zusammen mit dem überaus umtriebigen Szenaristen François Corteggiani und illustrierte dessen historische Saga „L'Horus de Néken“.

Unter seinem Pseudonym Simon Rocca arbeitete Georges Ramaïoli sowohl als Zeichner wie auch als Szenarist. So entstanden unter anderem mit Jean-Yves Mitton die Reihe „Vae Victis“ oder aber auch mit Christophe Bec „Princesse Rouge“. Gemeinsam mit Thierry Girod entstand ab 1995 die Reihe „Wanted“.

 

Rocca präsentiert dem Leser mit der Figur des „Wanted“ einen Einzelgänger, wie man ihn aus dem klassischen Italo-Western kennt: Wortkarg, scheinbar ein Herz aus Stein und absolut egoistisch. Seinen Namen verdankt dieser Charakter einer W-förmigen Narbe, die quer über sein Gesicht verläuft. Sicherlich kein sonderlich neuer Einfall, kennen wir dies doch schon von Jonah Hex, dem verbitterten Westernhelden von John Albano und Tony Dezuñiga, dessen rechte Gesichtshälfte von abstoßenden Narben zerfurcht ist. Doch das soll dieser Figur nicht zum Nachteil gereichen, da diese eine ganze Menge Potential besitzt, um vom vermeintlichen „Fiesling“ zum Sympathieträger zu werden.

 

Mit der Geschichte um die Skalpjäger nimmt Rocca sich eines ziemlich in Vergessenheit geratenen Themas an: Skalpprämien im Kampf gegen verschiedene kriegerische und ihre Siedlungen plündernde Stämme einzusetzen, war ein durchaus gängiges Mittel und so waren zahlreiche Skalpjäger unterwegs, die allerdings auch oft genug friedliebende Stämme überfielen, um an die Prämien zu kommen, da dies mit einem viel geringeren Risiko verbunden war. Und weil es für diejenigen, welche die Prämie auszahlten unmöglich war, das Geschlecht oder auch das Alter zu bestimmen, wurde das Töten von friedlichen Indianern, einschließlich Frauen und Kindern eine überaus einträgliche Möglichkeit viel Geld zu verdienen.

 

Thierry Girod wurde 1961 in Haute-Savoie in Frankreich geboren. Nach seinem Kunststudium in Lyon und Annecy arbeitete er als Illustrator und Werbezeichner, bevor er seine Karriere im Comicbereich begann. Gemeinsam mit Laurent Tamanini entstand die Reihe „Franck Blakmail“, die für den Verlag Agorma entstand. Mitte der Neunziger Jahre begann Girod die Reihe „Wanted“ für Soleil zu zeichnen, die nach den Szenarios von Simon Rocca entstand. Im Jahr 2006 übernahm er dann bei Soleil die Arbeit als Zeichner für die Western-Reihe „Durango“, während sich Yves Swolfs als Zeichner zurückzog und sich nur noch für die Szenarien verantwortlich zeigte.

 

Girod überzeugt bei „Wanted“ durch seine überaus realistisch gehaltenen Zeichnungen, die mit einem gelungenen Detailreichtum aufwarten können und mit ihrem Stil den Leser unwillkürlich an Reihen wie „Comanche“ oder „Blueberry“ erinnern. Manche der Hintergründe sehen zum Teil recht glatt aus und besitzen keinerlei Darstellung – das ist bedauerlich, da Girod es eigentlich besser kann. Eine besondere Stärke von Girod liegt allerdings in der Darstellung der Charaktere. Hier stimmen (mit einigen kleinen Ausnahmen) Gesichtsausdruck und Schattierungen, was den Akteuren eine angenehme Lebendigkeit verleihen. Die Aufteilung der Seiten und der Panels selbst ist klassisch und kommt gänzlich ohne extravagante Anordnungen aus. So sind es lediglich die unterschiedlichen Perspektiven und Einstellungen mit denen er geschickt zu spielen weiß.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

In Sachen Qualität liefert der Splitter Verlag wieder einmal eine tadellose Verarbeitung: Ein solider Hardcoverband mit sauberem und klarem Druckbild und einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Hier gibt es keinerlei Kritik. Als kleines Extra für den Leser gibt es bei der Ausstattung in diesem Band das Titelbild der Integral-Ausgabe des Soleil-Verlages von 1999. Die Übertragung aus dem französischen besorgte Tanja Krämling und lässt sich gut lesen.

 

Fazit:

Was das Duo Simon Rocca und Thierry Girod präsentieren, ist ein Western, der die Motive Rache, Vergeltung, Recht und Gerechtigkeit, Leben und Tod aufnimmt und durchaus ansprechend und kurzweilig damit jongliert. Insgesamt sicherlich kein epochales Werk des Genres, aber es besticht durch seine gut erzählte Geschichte und die gelungenen Zeichnungen. Das Gewalt als Mittel immer wieder im Vordergrund steht, dürfte sicherlich nicht jedermanns Geschmack sein, doch ist Girod als Zeichner noch weit davon entfernt, Exzessen zu frönen, wie man sie aus der Reihe „Bouncer“ von Autor Alexandro Jodorowsky und Zeichner François Boucq kennt.

Wer das Klischee des harten, gerechten aber auch einsamen Western-Helden mag, dürfte bei diesem Band sicherlich voll auf seine Kosten kommen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Figur des „Wanted“ in den nächsten Bänden der Reihe noch etwas mehr Charakter erhält, um den Leser bei der Stange zu halten – nur Klischee wäre auf Dauer etwas zu wenig. Insgesamt aber mit Sicherheit ein gelungener Auftakt der Reihe, die auf ihre weitere Entwicklung gespannt macht.