Links zur Rezension InhaltNachdem die drei ungleichen Gefährten den Angriffen mordgieriger Bauern und blutrünstiger Söldner widerstanden haben, findet ihre mystische Suche nach der Schwarzen Kraft fast wie durch Zufall ein neues Ziel: Die Stadt Montroy. Da sich die ersten kalten Vorboten des Winters abzeichnen, scheint es, als habe man in der Stadt eine Zuflucht für die Wintermonate gefunden. Doch Montroy scheint auf unheiligem Grund gebaut und die Abtei hoch über der Stadt beherbergt uralte Geheimnisse von drei mysteriösen Frauen und heidnischen Riten. Und so nimmt Bourgeon den Leser mit auf eine überaus komplexe Geschichte, die zahllose Handlungsfäden miteinander verknüpft und in beeindruckende Bilder taucht:
Bereits als Mariotte vor den Toren der Stadt (wo sie nur mit knapper Not einer Vergewaltigung entgeht) in einer kleinen Kapelle Bekanntschaft mit Aymon, einem jungen Mönch, macht, erzählt dieser ihr einige seltsame Dinge über einige Begebenheiten und wichtige Persönlichkeiten. Und auch Anaïs, eine hübsche, junge Frau, die mit reisenden Komödianten nach Montroy reist, weiß einiges von den geheimnisvollen drei Sirenen-Schwestern zu berichten. Zu guter Letzt haben die Gefährten auf ihrer Reise auch noch die Bekanntschaft mit Jacot gemacht, einem Pilger, der unterwegs ist um Buße zu leisten und sich kurzerhand im gleichen Wirtshaus wie die Gefährten einmietet.
Da trifft es sich, dass die spätere Erzählung von Jacot über den Tod seiner Schwester durch einen Wolf zu dem Werwolf zu passen scheint, der in den Gassen von Montroy sein Unwesen zu treiben scheint. Aber es ist nicht nur die Jagd auf einen Werwolf, sondern auch den Ritter ohne Gesicht scheint ein dunkles Geheimnis mit diesem Montroy zu verbinden.
Und so kommt es denn zum dem „Fest der Narren“, in dessen Vorfeld bereits eine Intrige gesponnen wurde, welche den Ritter ohne Gesicht in die Arme von Neyrelle, der Herrscherin des Schlosses, treiben soll. Gemeinsam mit ihren zwei Schwestern sind diese drei Frauen die letzten Erbinnen der Sirenen von Malaterre. Ohne es zu ahnen, wird sich das Schicksal der drei Gefährten hinter den dunklen Mauern von Montroy auf blutige und grausame Weise erfüllen…
Facettenreiche Akteure, Protagonisten und etliche Nebendarsteller versammelt Bourgeon auf seiner mittelalterlichen Bühne, die allesamt den Weg des ungleichen Trios kreuzen. Doch damit ist noch lange nicht Schluss, gibt es doch auch einige Persönlichkeiten, welche im Laufe der Geschichte eine nicht unwesentliche Rolle spielen sollen. Und so bietet Bourgeon dem Leser ein prächtiges und vielschichtiges Werk, welches man mit wenigen Worten nur grob umreißen sollte, damit das Vergnügen an diesem Szenarios nicht vorweggenommen wird.
Schreibstil & Artwork:Der französische Comiczeichner François Bourgeon wurde am 05.07.1945 in Paris geboren und durchlief eine Ausbildung zum Glasmaler an der Pariser „Ecole des Métiers d'Art“. Bereits 1971 musste er allerdings seinen Beruf aufgeben, da die allgemein schlechte Auftragslage in seinem Metier nicht für seinen Lebensunterhalt reichte. Anfang der 70er Jahre gelangte er, eher zufällig, in Kontakt mit der Jugendzeitschrift „Lisette“, für die er 1972 die Serie „L´Ennemie vient de la mer“ erschuf, die mit ihren stark schematisierten Zeichenformen noch deutlich Bourgeons Prägung durch die Glasmalerei erkennen lässt. Nach dem Konkurs von „Lisette“ folgten weitere kleinere Arbeiten für Magazine wie „Fripunet“, „J2“ und „Pif Gadget“.
Einen ersten, wenngleich auch kurzen, Ausflug ins Mittelalter unternimmt Bourgeon bereits 1973 mit dem Comic „Brunelle et Colin“ (dt. „Britta und Colin“, Carlsen). Die von Robert Génin für das Comicmagazin „Djinn“ geschriebene Serie um eine tollkühne Prinzessin und ihren Pagen gibt er allerdings bereits nach zwei Bänden wieder auf. Génin setzt sie schließlich ab 1982 mit dem Zeichner Didier Convard fort.
Im Jahr 1979 gelingt Bourgeon mit dem historischen Zyklus „Reisende im Wind“ der Durchbruch in der frankobelgischen Comicszene. Dies allerdings nicht unbedingt durch seinen Zeichenstil, sondern vielmehr durch seine Neuerungen auf dem Gebiet der Bilddramaturgie des Comics: Noch vor dem Abschluss seiner Erfolgsserie „Reisende im Wind“ begann er sein nächstes Großprojekt und so entstand zwischen 1983 bis 1989 die drei Bände umfassende Reihe „Les compagnons du crépuscule“ (Die Gefährten der Dämmerung), die zunächst bei Carlsen in der „Edition Comic Art“ auf Deutsch veröffentlicht wurde. Bourgeon pflegt, in dieser Reihe einen insgesamt sehr realistischen und detaillierten Zeichenstil, wobei er oft auf der Grundlage von historischen Studien in seiner Darstellung von Landschaft, Technik und Bauwerken arbeitet. Seine nie geschönten oder idealisierten Figuren basieren auf anatomisch genauen Vorgaben, ohne dabei allerdings ins Photorealistische überzugehen. Die Zeichnungen von Bourgeon sind mehr als nur Bilder, die eine Erzählung transportieren, sondern bestechen sowohl durch ihre klare und deutliche Linienführung als auch durch die hervorragende Kolorierung. Hier merkt man Bourgeon die Erfahrung an, die er bei den ersten Bänden von „Reisende im Wind“ für sich gewinnen konnte.
Francois Bourgeon nimmt den Leser in der Reihe „Die Gefährten der Dämmerung“ mit auf eine abenteuerliche Reise in ein dunkles und zugleich authentisch dargestelltes Mittelalter in Frankreich zur Zeit des Hundertjährige Krieges, die er mit allerlei phantastischen Versatzstücken und Mysterien würzt. Allerdings interessiert sich Bourgeon nicht so sehr für den Krieg und seine politischen Geschehnisse, sondern nimmt diesen als Hintergrund für die Darstellung seiner drei überaus ungleichen Gefährten, die ein seltsames Schicksal zusammen geführt hat: Einen geheimnisvollen Ritter ohne Gesicht, das rothaarige Mädchen Mariotte und den vom Galgen geretteten Anicet.
Sind die ersten beiden Bände der Reihe weitestgehend im Bereich der „Fantasy“ angesiedelt, so zeigt der dritte Band, der mit insgesamt stolzen 144 Seiten zugleich auch der umfangreichste der Reihe ist, ein für damalige Verhältnisse im Bereich von Comics selten gesehenes, einzigartiges Panorama des französischen Mittelalters. Wer ein rasches und fulminantes Ende der Geschichte erwartet, muss allerdings ein wenig Geduld aufbringen und sich mit den Gefährten zunächst auf eine faszinierende und zugleich auch mystische Reise durch Montroy mit seinen Bewohnern und ein nahegelegenes Kloster begeben, bevor es in das Schloss geht, wo es zu schicksalhaften Begegnungen kommt und die Geschichte ein mehr als dramatisches Ende nimmt.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungAuch dieser Band der Reihe überzeugt durch seine qualitativ hochwertige Verarbeitung als Hardcover als auch dank der Aufbereitung der Vorlagen und moderner Drucktechnik mit einem überaus angenehmen Kontrast seiner Bilder in dieser Neuauflage. In Sachen Ausstattung gibt es auch in diesem Band als Beigabe eine herausnehmbare Graphik, die dieses mal eine höchst erotische Mariotte ziert. Ansonsten zeigt sich dieser Band recht sparsam und so muss der Leser auf zusätzliche Skizzen oder Texte leider gänzlich verzichten. Die gelungene Übersetzung von Delia Wüllner ist – wie so oft – angenehm zu lesen.
FazitDieser Band hebt sich nicht nur wegen seines Umfangs von 144 Seiten, sondern auch inhaltlich von den beiden anderen Bänden der Reihe ab. Standen bei „Im Zauber des Nebelwaldes“ und „Die drei Augen der blaugrünen Stadt“ zweifelsohne phantastische Elemente im Vordergrund, die zum Teil der französischen Mythologie geschuldet waren, so wendet sich Bourgeon in diesem Band einem bildgewaltigen und detailreich geschilderten Mittelalter zu, wie man es in dieser Pracht und Fülle nur selten zu sehen bekommt. Dabei ist er fern von jeder verklärten Mittelalterromantik und schildert das nicht einfache tägliche Dasein recht schonungslos. Wie bereits in den anderen Bänden scheut sich Bourgeon auch hier nicht davor Brutalität und Sexualität in anschaulichen Bildern und Wortwahl darzustellen.
Insgesamt besticht Bourgeon in diesem Band durch seinen ohnehin gewohnt realistischen Zeichenstil und eine atmosphärisch dicht erzählte Geschichte, die zwar auch wieder durch ihre Dialoge beeindruckt, in ihrem Aufbau allerdings wesentlich komplexer als die beiden anderen Bände der Reihe ist. So erfährt der Leser zwar am Ende Lösung einiger Rätsel, doch Bourgeon präsentiert nicht die ganze Lösung und bleibt dabei recht vage. Dieser Band dürfte mit seiner manchmal kryptischen Geschichte und seinem stellenweise recht mystischen Charakter nichts für eilige Leser sein, aber dennoch eine absolute Empfehlung für Freunde von historischen Comics, bei denen auch die Phantastik eine nicht unwesentliche Rolle spielen darf.
Die drei Bände der Reihe „Die Gefährten der Dämmerung" präsentieren insgesamt eine sehr intensive Erzählung, die stellenweise fast schon literarische Züge annimmt und die sicherlich zu den bemerkenswertesten Erscheinungen des Genres in den der 80er Jahren gehören dürfte, wobei sich insbesondere der letzte Band der Reihe, „Fest der Narren“, deutlich hervorhebt. Für mich eine uneingeschränkte Leseempfehlung eines absolut zeitlosen Klassikers, der in keinem gut sortierten Comic-Regal fehlen darf und hierfür auch eine herausragende Bewertung von mir erhält.
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