Links zur Rezension Der dritte Band der Gesamtausgabe enthält die Geschichten „Der Schatz der Weisen", „Der Zauber der Wüste" und „Der Hüne von Worms".
Inhalt:„Der Schatz der Weisen"Mönche vom Orden der Benediktiner ziehen mit einer seltsamen Fracht durch das Lehen von Waldeck und haben noch einen weiten und gefahrvollen Weg vor sich. Roland schließt Bekanntschaft mit diesen Pilgern, die auf dem Weg ins Heilige Land sind und sein Ehrgeiz ist gepackt, als er erfahren muss, das sie einen Schatz von enormen Wert mit sich führen, den sie nach Konstantinopel zum Weisen Ephoros bringen wollen. Dieser will mit dem Schatz christliche Geiseln freikaufen, die sich in der Hand des fatamidischen Herrschers befinden, aber scheinbar sind ihnen schon die Häscher des Schwarzen Prinzen auf der Spur, der von ihrer wertvollen Fracht erfahren hat.
Kurzerhand schließt sich Roland den Mönchen an und begleitet sie auf ihrem langen, mühsamen und gefährlichen Weg. Und es soll auch nicht lange dauern, bis die ersten Räuber sich ihnen entgegenstellen. Mit deren Anführer, Girre Langnase, schließt Roland nach einer ersten Auseinandersetzung Freundschaft, die sich aber erst noch bewähren muss. Bis nach Konstantinopel ist es noch weit und der Schwarze Prinz hat mit seinen Intrigen neue Verbündete für sich gewinnen können.
„Der Zauber der Wüste"Angekommen in Konstantinopel scheinen sich die Geschehnisse für Roland und seine Begleiter zu überschlagen und so bleibt ihnen nur eine rasche Flucht aus der Stadt übrig, um ihren Häschern zu entkommen. Gemeinsam mit seinen Gefährten und dem Weisen Ephoros geht es zunächst mit dem Schiff und dann später auf dem Land weiter auf die Reise in Richtung Jerusalem, damit die wertvolle Fracht endlich ihre Bestimmung findet. Die Reise auf Kamelen in Begleitung einer Karawane ist eine neue Erfahrung und führt die Männer durch die karge und öde Landschaft Vorderasiens, wo sie nicht nur bereits die Räuberbande des gefürchteten Nasr-el-Djinn erwartet, den der Schwarze Prinz auf seine Seite gezogen hat, um seine Pläne durchzusetzen, sondern auch ein gewaltiger Sandsturm. Doch der Zauber der Wüste hat auch seine Schönheiten, wie Roland feststellen muss, als er dem Mädchen Aisha begegnet.
„Der Hüne von Worms"Roland kehrt nach seinen Abenteuern im Heiligen Land auf seine Ländereien nach Waldeck zurück, doch erwartet ihn hier eine ziemlich böse Überraschung. Sein direkter Nachbar, der Herr von Haideck, Dietrich der Buckelige, ist verstorben, ohne einen Erben zu hinterlassen und so hat König Artus kurzerhand das Land an Siegbert von Worms verkauft, den alle wegen seinem Körperbau nur den „Hünen von Worms“ nennen. Doch der will sich nicht friedlich als neuer Nachbar von Roland zeigen, sondern setzt mit brutaler Macht alles daran sich in den Ardennen weiter auszubreiten. Es dauert nicht lange und der ungestüme Roland gerät mit dem „Hünen von Worms“ aneinander. Doch zum Glück gibt es die Hinweise auf einen legitimen Erben von Dietrich dem Buckligen, der durch seine Ansprüche den Hünen vertreiben könnte. Allerdings ist dieser Erbe ein kleiner Junge, der nach seiner Geburt in der Wildnis aufgewachsen ist und keine Ahnung von seiner Herkunft hat. Roland nimmt sich des Jungen an, um dessen Rechte durchzusetzen und es kommt zu einem erbitterten Kampf zwischen Roland und Siegbert, in dessen Verlauf sich auch König Artus einschaltet.
Schreibstil & Artwork:Der belgische Comiczeichner François Craenhals wurde am 15.11.1926 in Ixelles, einem kleinen Vorort südlich von Brüssel, geboren. Der leidenschaftliche Zeichner gab nach dem Besuch verschiedener Kurse an der Akademie der schönen Künste (L'Académie des Beaux-arts) in Brüssel seinen Beruf als technischer Zeichner auf und konnte schon recht bald einige Karikaturen an das Magazin „Vrai“ und eine Agentur verkaufen. Sein erster Comic erschien 1948 im Wochenmagazin „Le Soir Illustré“. Wenig später lernte er Fernand Cheneval kennen, der als Herausgeber für das belgische Comic-Magazin „Héroïc-Albums“ verantwortlich war, welches recht erfolgreich zwischen 1945 bis 1956 erschien. Cheneval war es, der Craenhals, der ein großer Fan der amerikanischen Comics von Alex Raymond und Hal Foster war, ermunterte seinen ersten größeren Comic „Karan“ im Stile von Tarzan zu entwickeln. Bis in die frühen 50er Jahre sollten insgesamt neun Geschichten dieser Serie erscheinen.
Bereits zu dieser Zeit schuf er für die „Le Soir Illustré“ einen Comic mit einem Ritter als Protagonisten, den er allerdings dem Magazin „Tintin“ vorstellte, worauf man ihn umgehend einstellte. Nach einigen kurzen Comics für das Magazin folgte in 1953 die Reihe „Pom et Teddy“, eine Serie über einen Jungen, ein Mädchen und ihren Esel, deren erste Geschichten sich um einen Zirkus drehte und die es auf insgesamt 11 Bände brachte. 1955 schuf er den Beginn einer weiteren eigenen Reihe, den Comic „Rémy et Ghislaine“, der allerdings nicht so viel Erfolg beschieden war.
Craenhals entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem der wichtigsten Produzenten von Comics für Magazine und Zeitungen und eröffnete ein eigenes Studio, dem sich mehrere Mitarbeiter anschlossen. Für die Tageszeitung „La Libre Belgique“ entstand unter anderem die Serie „Primus et Musette“, die über viele Jahre hinweg Erfolg haben sollte.
Craenhals war einer der ersten Comiczeichner, die sich Hergé später beim Verlag Casterman angeschlossen hat, wo auch seine beiden wichtigsten Serien veröffentlicht werden sollten: Ab 1964 die Kinderserie „Les 4 As ...“ (auf deutsch als „Die Vier und ...“) die auf den Kinderbüchern von Georges Chaulet über vier Jugendliche und deren Hund basiert und in deren Abenteuergeschichten Spione, Sekten, Seeungeheuer und Gespenster ihr Unwesen treiben, Schätze geborgen, unbekannte Tierarten entdeckt und neue bahnbrechende Technologien vor Missbrauch geschützt werden. In der deutschen Übersetzung heißen die Protagonisten: Valentin, Inge, Erwin und Rolf und ergeben somit als Akronym das Wort „Vier“. Insgesamt sind 43 Bände dieser Serie erschienen, von denen es in Deutschland aber bislang nur 14 Bände in den Handel schafften.
Inspiriert von der Figur des „Prince Valiant“ („Prinz Eisenherz“) aus der Feder des Amerikaners Hal Forster schuf Craenhals 1966 seinen „Chevalier Ardent“ der später in Deutschland unter dem Namen „Roland - Ritter Ungestüm“ bekannt werden sollte und die Abenteuer des zu Beginn der Serie noch jungen und ungestümen Knappen Roland zur Zeit von König Artus schildert. Die erste Geschichte um den ungestümen Ritter Roland erschien im Jahre 1966 im franco-belgischen Comic-Magazins „Tintin“ und es dauerte noch einige Jahre, bis die deutsche Erstveröffentlichung 1975 im Carlsen Verlag unter dem Titel „Roland, Ritter Ungestüm“ folgte.
Beide Serien verkauften sich gut, wobei insbesondere „Chevalier Ardent“ immer wieder auf ein positives Echo in den Kritiken stieß. Neben einigen anderen Serien adaptierte Craenhals 1982 auch die Abenteuer der maskierten „Fantômette“ des Autors Georges Chaulet. Nach den ersten drei Bänden dieser Reihe wurde er dann von Zeichner Endry abgelöst. In den 1990er Jahren zog es Craenhals nach Rivières-de-Theyrargues in Südfrankreich, wo er bis zu seinem Tod am 02.08.2004 in Montpellier arbeitete, es allerdings bedauerlicherweise nicht mehr schaffte seine Saga um Roland zu einem Ende zu bringen.
Die Figur des Ritter Roland passte hervorragend in das damalige Verlagskonzept von „Tintin“, da ein zentrales Thema des Comics sich um die Entwicklung der „Ritterlichkeit“ von Roland dreht, der sich als immerwährender Heißsporn, das für einen Ritter geziemende Verhalten zum Teil mühsam aneignen muss. Dabei agiert er allerdings nicht als langweiliger Charakter, der mit tugendhaftem Verhalten und einem Übermaß an Ethos den jugendlichen Leser abschreckt, sondern als junger Mann, der sich seiner Fehler durchaus bewusst ist, aber dennoch bereit ist an sich zu arbeiten und mit seinem ausgeprägten Sinn für „Gerechtigkeit“ durch seine Welt zieht. Inhaltlich zeigt sich François Craenhals in den vorliegenden drei Geschichten wiederum als hervorragender Erzähler, der es versteht spannende Szenarios zu entwickeln und mit immer neuen Wendungen und Geschehnissen den Spannungsbogen von der ersten bis zur letzten Seite hoch zu halten. Dabei schließt er zwischenmenschliche Geschehnisse nicht aus, die teilweise einen recht interessanten Einblick in die Empfindungen der Charaktere geben und auch den zwischenzeitlich etwas älter gewordenen Ritter Roland neue Facetten verleihen. Natürlich dürften im Vergleich zu den heutigen modernen „Graphic Novels“ die Geschichten von Craenhals manchmal ein wenig angestaubt und etwas zu dialoglastig erscheinen, aber er nimmt sich als Autor Zeit nicht nur die Bilder sprechen zu lassen, sondern auch den Charakteren durch die direkte Rede und Gegenrede Tiefgang zu verleihen. Besonders deutlich dürfte dies im vorliegenden Band in den Dialogen werden, in denen Roland auf seiner Reise ins Heilige Land einiges über die Herkunft und die Rolle des Islam erfährt, die mit ihrer behutsamen und sehr sachlichen Art und Weise den heutigen Leser sicherlich noch in Erstaunen versetzt.
Konnte man bislang unter Bezug auf die Person von König Artus bei Craenhals nur mutmaßen, in welcher Epoche er seine Geschichten angesiedelt hat, so gibt es nunmehr durch den Bezug auf Konstantinopel einen konkreten Hinweis, das die Szenarien sich in der Mitte des 11. Jahrhunderts bewegen. Die bisherige Irrfahrt durch die zeitliche Ausgestaltung des Handlungsrahmen ist aber nicht sonderlich schlimm, da Craenhals ohnehin eine zum Teil fiktive Welt aufbaut, die er allerdings für die damaligen Verhältnisse überaus realistisch in ihrer Darstellung hält.
Der Bildaufbau ist noch dem „Normaufbau“ verhaftet und so findet man fast nur Bilderzeilen, die aus mehreren gleichen, höchstens unterschiedlich breiten Panels bestehen und selten durch andere Formate aufgelockert werden. Dennoch wirkt dieser Aufbau bei Craenhals nie steif, da er gekonnt immer wieder diesen Aufbau durchbricht, wo es aus erzählerischer Sicht Sinn macht und so den Leser auch zu unterhalten weiß. Dabei bevorzugt Craenhals eher den Wechsel der Einstellung, als den der Perspektive, wobei man ihm allerdings auch die Lesegewohnheiten seines Publikums zugute halten muss, die noch weit entfernt von dem heutigen experimentierfreudigen Seiten- und Panelaufbau waren.
Die außerordentlich klare Linienführung bei seinen Figuren und Landschaften dürfte wahrscheinlich der Ausbildung von François Craenhals als technischer Zeichner zuzurechnen sein. Durch die Ausarbeitung der Vorzeichnungen mit dem Pinsel und den geschickten Einsatz von Schatten weicht Craenhals seine Illustrationen ein Stück weit auf und erreicht damit ein realistische und zugleich dynamische Darstellung seiner Akteure, die auch heute noch beeindruckend ist. War Craenhals bislang mit seinen Bildern eher dem europäischen Raum verpflichtet, so zeigt er sich ohne Probleme dazu in der Lage eindrucksvolle Bilder von eher exotischen Orten wie Konstantinopel und dem Heiligen Land zu liefern, wobei die Zeichnungen im Zusammenhang mit dem Sandsturm am imposantesten sein dürften.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungAuch der dritte Band der Gesamtausgabe besticht als solide Hardcoverausgabe, deren Titel das überarbeitete Cover von „Der Schatz des Weisen“ ziert, wie man es auch von der Carlsen Ausgabe von 1979 kennt. Bemerkenswert ist auch die gediegene Papierqualität, die vom Gefühl her an die Comics der 60er Jahre erinnert und die sehr gute Druckqualität. Komplett neu sind sowohl die Übersetzung durch Kai Wilksen und Uli Pröfrock, als auch das gelungene Lettering von Rowan Wüster. In Sachen Ausstattung gibt es einen sehr guten, wenn auch meines Erachtens zu kurzen redaktionellen Teil, der von Volker Hamann stammt und sich unter anderem dem zweiten Teil der lesenswerten Biographie von François Craenhals widmet, die mit einigen Illustrationen und Fotos aufgelockert ist.
Wer wie der CrossCult-Verlag den Anspruch hat, das gesamte Schaffen eines Autors innerhalb einer Publikationsreihe zu versammeln, muss sich an seinen Taten messen lassen. Was der Verlag bislang hierzu vorgelegt hat, ist auf jeden Fall sein Geld wert, da nicht nur alle einzelnen Geschichten um Roland in einer behutsam restaurierten Form und ihrer korrekten chronologischen Erscheinung präsentiert werden, sondern die Reihe auch mit sehr lesenswertem zusätzlichen Material im redaktionellen Teil aufwarten kann.
Fazit:Die Geschichten um den ungestümen und scheinbar ewig jugendlichen Ritter Roland von Wallburg erinnern mit ihren Szenarios immer wieder an etwas angestaubte „klassische“ Abenteuerromane oder -filme, die nicht unbedingt mit einer intellektuell anspruchsvollen Handlung aufwarten können, wie man sie vielleicht heute im Zeitalter der „Graphic Novel“ zwangsläufig erwartet, die dennoch in ihrer Konzeption spannend aufgebaut und unterhaltsam in Szene gesetzt sind, insbesondere wenn Craenhals, wie im vorliegenden Band, seinen Protagonisten ins Heilige Land reisen lässt.
Nach vielen Jahren, in denen man unter Umständen vergeblich antiquarisch nach den nunmehr vorliegenden Ausgaben gesucht hat, vermittelt dieser etwas beleibte Schmöker irgendwie ein heimeliges Gefühl beim Lesen und es macht eine ganze Menge Spaß, Roland bei seinen Abenteuern zu begleiten oder sie einfach nur neu zu entdecken. Aber auch ein neues und eventuell jüngeres Publikum, welches bislang vielleicht noch keine Berührungspunkte mit diesem Klassiker hatte, dürfte mit dieser Gesamtausgabe auf seine Kosten kommen, handelt es sich doch um zeitlose Rittergeschichten, die mit gängigen Klischees und überzeugenden Charakteren für angenehme Unterhaltung sorgen.
Mit dem dritten Band von „Roland, Ritter Ungestüm“ setzt der Cross Cult Verlag seine auf insgesamt (mindestens) 7 Bände angelegte Reihe der hervorragend aufgemachten und ausgestatteten Büchern fort, an deren Ende die erstmals wirklich vollständige deutsche Gesamtausgabe des Klassikers „Roland – Ritter Ungestüm“ von François Craenhals stehen soll. Dabei dürfte die Reihe die Erwartungen von Fans, Sammlern und neugierigen Lesern vollends erfüllen, da sowohl die Ausstattung als auch der Preis absolut in Ordnung sind. Für mich persönlich eine absolute Empfehlung für Freunde klassischer Ritter- und Abenteuergeschichten, die selbst bei einigen Schwächen in den Erzählungen in keinem gut sortierten Comicregal fehlen darf.
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