Links zur Rezension InhaltWien – Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Donaumonarchie erholt sich von den Ereignissen der Märzrevolution und ist peinlichst darauf bedacht, das Reich von Anarchisten freizuhalten. Es ist die Zeit des sogenannten „rothosigen Leutnants“, Franz-Joseph I., Soldat, Kaiser und … Vampir.
Es ist das Jahr 1853, eine unruhige, krisenanfällige, nervöse Zeit. Die alte Ordnung bröckelt, die auf dem Wiener Kongress noch einmal restauriert wurde, es gibt verstärkt antiautoritäres Denken, auch einige Revolutionsversuche in ganz Europa. Nervös ist die Stimmung, beinahe hektisch. Nur wenige Eingeweihte wissen allerdings, dass große Teile des Hochadels von Europa von uralten Vampirclans durchsetzt sind, die unerkannt von ihren Untertanen die Geschicke ihrer Staaten lenken. Toleriert und unterstützt von menschlichen Handlangern, achten sie auf die Einhaltung jahrhundertealter Machtgefüge. Doch es gibt eine kleine Gruppe von Menschen, die sich zum Ziel gesetzt haben, dem Treiben der Blutsauger ein Ende zu bereiten – die Kinder Echnatons, auch die „Pfähler“ genannt.
Zu ihnen gehört auch Herzog Max Joseph von Bayern, der seine beiden Töchter Helene und Elisabeth, Sissi genannt, insgeheim zu tödlichen und gnadenlosen Kämpferinnen gegen die Untoten ausbildet. Sie sollen direkt in das Herz der Vampir-Monarchie vorstoßen und sie vernichten. Da passt die geplante Hochzeit von Helene und Kaiser Franz Joseph von Österreich, um vielleicht ans Ziel zu kommen, aber der junge Kaiser (der es als Vampir auf ein wesentlich höheres Alter bringt) gerät durch eine Verkettung von glücklichen Umständen letztlich an Sissi, die unversehens sein Herz gewinnt. Aber die Glücksgleichung scheint nicht aufzugehen, da die zunächst unscheinbare Romanze der jungen Sissi das Potenzial hat, die Fundamente der Vampirgesellschaft in der Wiener Hofburg bis in ihre Grundfesten zu erschüttern.
Und dann gibt es da noch einen Wissenschaftler, der von einem uralten Vampir mit mysteriösen geheimen Forschungen betraut wurde und natürlich auch eine ganze Reihe von Vampiren in Wien, denen das seltsame Treiben ihres Kaisers mehr als bedenklich erscheint, unter ihnen insbesondere Erzherzogin Sophie, die den ursprünglichen Heiratsdeal mit Helene einfädelte und nicht sonderlich erfreut über die Entwicklung durch diese ungewöhnliche Liaison an Hofe ist. Ob diese überaus ungleiche Liebe unter solchen Vorzeichen eine Chance hat, mag der Leser selbst herausfinden, wobei allerdings mit groteskem Humor und allerlei gepfählten Vampiren zu rechnen ist.
Über die Autorin:Die 1967 in Gummersbach geborene Autorin Claudia Kern dürfte einigen Lesern sicherlich nicht unbekannt sein, da sie seit mehr als einem Jahrzehnt als Autorin und Übersetzerin im Science-Fiction-, Horror- und Fantasy-Bereich tätig ist. Nach ihrem Einstieg als Co-Autorin im Bastei-Verlag für die Heftserie „Professor Zamorra“ schrieb sie unter anderem auch Romane für „Maddrax“, eines Piloten der US-Airforce namens Matthew Drax, der um 500 Jahre in die Zukunft geschleudert wird. Rasch sollten aber auch Veröffentlichungen für die wahrscheinlich größte und langlebigste Science Fiction-Serie der Welt folgen: „Perry Rhodan“ und der seit 1969 erscheinenden Reihe „Atlan“, die sich mit einem Protagonisten aus der Reihe von „Perry Rhodan“ beschäftigt.
Da sie als Übersetzerin überwiegend für den Panini-Verlag arbeitet, dürfte es nicht verwundern, dass dieser ihren ersten Roman zu dem erfolgreichen Strategiespiel „Anno 1701“ des amerikanischen Softwareherstellers „Sunflowers“, mit dem Titel „Kampf um Roderrenge“ veröffentlichte und der sich des Settings des Spiels bedient. Erzählt wird ein Seefahrer-Abenteuer aus den Entdeckertagen des 16. und 17. Jahrhunderts, in welchem die bekannten Elemente des Spiels zu einem faszinierenden Handlungsstrang verbunden werden und der sich wie ein fiktiver historischer Roman lesen lässt.
Diesem Ausflug folgte im Jahr 2008 der erste Band einer farbenprächtigen Fantasy-Trilogie voller Abenteuer, Intrigen und geheimnisvoller Geschöpfe bei Blanvalet: „Der verwaiste Thron – Sturm“, von dem 2009 die Bände „Der verwaiste Thron – Verrat“ und „Der verwaiste Thron – Rache“ erschienen.
FazitEin Jahrhundert schon ruht sie in der Wiener Kapuzinergruft, verstorben am 10. September 1898, hingemeuchelt von einem italienischen Anarchisten, ausgerechnet in der Schweiz. Doch der Seele von Kaiserin Elisabeth von Österreich, privatim "Sissi" genannt, scheint keine Ruhe gegönnt zu sein.
Als Erster hatte der Wiener Regisseur Ernst Marischka in den fünfziger Jahren mit seinen „Sissi“-Filmen (und der unvergesslichen Romy Schneider) der Kaiserin ein monumentales Werk gewidmet, welches in seiner Konzeption noch heute ebenbürtiges sucht und an der sämtliche Versuche einer Neuverfilmung kläglich scheiterten. Da man in unseren harten und modernen Zeiten gerne lachen und sich amüsieren möchte, stieß der unter der Regie von Michael Herbig entstandene deutsche 3D-Animationsfilm „Lissi und der wilde Kaiser“, der 2007 entstand, die Kaiserin zum ersten Mal mit voller Wucht von ihrem kitschig-altbackenen Thron, den Ernst Marischka ihr erbaut hatte. Nach einem solchen Startschuss sollte es dann auch nicht lange dauern, bis nicht nur das Medium Film das Potential dieser tragischen Figur für sich entdeckt.
Nach dem großen Erfolg des Mash-up von „Stolz und Vorurteil und Zombies“ des amerikanischen Schriftstellers Seth Grahame-Smith (und dessen gelungener Comic-Adaption) schickt sich der Panini-Verlag mit der Autorin Claudia Kern an, die österreichische Ikone und Teile der als kitschig verschrieenen „Sissi“-Filme mit Vampiren zu bestücken, aus Sissi eine überaus beherzte junge Dame zu machen, die nicht davor zurückschreckt ein Katana (ein japanisches Langschwert) oder einen Holzpflock einzusetzen, um sich ihrer Haut zu wehren und die Liebesgeschichte von Sissi und ihres Vampirs Franz auf eine neue Probe zu stellen.
Wer die alten Filme kennt, der dürfte bei diesem Roman in Sachen Unterhaltung sicherlich auf seine Kosten kommen, gibt es doch einige Szenen, die in einen neuen Kontext gestellt werden und ein unerwartetes Licht auf das Bild der k.u.k.-Monarchie werfen. Aber selbst wenn man die Film-Trilogie nicht kennt, so darf man sich auf einen recht geschickt inszenierten Roman freuen, der mit fast allem aufwarten kann, was man von einem abgedrehten Mash-up erwartet. Hier wird der antiquierte und stellenweise zuckersüße Handlungsrahmen der „Sissi“-Filme genommen und mit einigen düsteren Horror-Elementen und einer gehörigen Portion Action versehen, wie man sie der Protagonisten nicht ohne weiteres zugemutet hätte.
Das ist insgesamt zwar alles recht unterhaltsam und die kurzweilig geschriebene Geschichte weiß zu unterhalten, dennoch fehlt irgendwie aber der rechte Funke, der mir bei der Protagonistin nicht recht zu zünden vermag. Vielleicht liegt es an der zum Teil in Vergessenheit geratenen Trilogie, bei der man heutzutage im TV lieber umschaltet und man so den Eindruck bekommt, man würde nur einen ziemlich abgefahrenen Vampir-Roman vor historischer Kulisse lesen. Es könnte aber auch der Wunsch gewesen sein, zu viel zu wollen und diesen Roman zu überfrachten und das somit die Charaktere insgesamt etwas zu kurz gekommen sind.
Für mich ist dieser Roman – trotz aller Kritik und einigen Schwächen – eine durchaus solide Leseempfehlung mit Schmunzelcharakter, da Claudia Kern ihr Handwerk versteht.
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