Links zur Rezension Abenteuer: Diebe in Leet
Inhalt:Box mit: Einem Spielerheft: 52 Seiten, Softcover Einem Spielleiterheft: 48 Seiten, Softcover 2 große, faltbare, laminierte Farbkarten 2W10
AufmachungDer erste Blick fällt absolut positiv aus! Man hält eine schicke und absolut stabile Box in Händen, die ein wirklich interessantes Cover mit vielen Abenteueraufhängern und Details hat und die nur luftige 19,95 Euro kostet. Wer nicht jetzt schon zuschlägt gehört geschlagen. Öffnet man die Box so sieht man zuerst 2W10 – gut, man kann also direkt losspielen und es scheint keine komplizierten Würfelmechanismen zu geben. Zwei kleine Heftchen erinnern von Umfang und Aufmachung her direkt an die D&D-Einsteigerbox des Jahres 1983 und lassen einen wohlig schaudern. (Bei diesen beiden Heften soll dann auch direkt mein einziger kleiner Kritikpunkt an der Produktionsqualität erwähnt sein: Das Papier des Umschlags ist mit dem Papier im Inneren identisch, besteht also nicht aus dickerer Pappe oder wenigstens etwas dickerem Papier – aber irgendwo muss man ja einsparen, wenn man eine solche Box zu diesem Kampfpreis raushaut.) Das Stichwort „Produktionsqualität“ greift dann auch bei den nächsten beiden Komponenten der Box. Wir haben es nämlich mit zwei tollen Farbkarten zu tun. Beide sind laminiert und können beschrieben und wieder gereinigt werden. Eine davon ist so unfassbar groß, dass unser XL-Wohnzimmertisch gerade so ausreicht, um sie nicht an den Seiten herunterhängen zu lassen. Toll! Die sehe ich schon irgendwo an der Wand mit strategischen Markierungen, die den Frontverlauf eines weltumspannenden Krieges anzeigen, oder Orte, an denen die Gruppe schon gefährliche Abenteuer erlebt hat. Gut, dass ich als Lehrer schon die Sammelpackung wasserlöslicher Folienstifte in der Tasche habe. Sehen wir uns doch die Karten mal genauer an: Die kleinere der beiden ist eine Karte des Dörfchens Leet, das man schon aus einigen Rolemaster-Abenteuern kennt und auf den ca. 41x59 cm ist doch so einiges zu erkennen, wo ich als Spielleiter direkt mal Ideen habe, welche Abenteuer ich dort platzieren könnte. Gleiches gilt natürlich für die Spieler, die sich fragen mögen, was das wohl für ein großes Anwesen im Nordwesten sein mag, was ihre Charaktere wohl direkt dorthin treiben wird. Warum es keinen Maßstab gibt und wo die Angabe der Himmelsrichtungen ist, wird man mir zwar wahrscheinlich nicht erklären können, aber man hat ja genügend Größenvergleiche, um sich ein ungefähres Bild machen zu können. Punkte, die direkt ins Auge springen sind: Anwesen im Nordwesten, merkwürdiger Stein auf dem Marktplatz, Anwesen im Südosten, zerfallener Turm im Osten, kleines Gehölz auf einer Insel, Brücke, zwei Stadttore, Gebirge im Osten, Mineneingang im Südwesten direkt außerhalb des Palisadenwalls, aber es führt kein Weg dorthin – schon lange aufgegeben? Nur mal so auf den ersten Blick…
Kommen wir zur größeren Weltkarte: Die Größe liegt bei ca. 84 x119 cm und stellt den Kontinent Palea dar. Gut, es ist also nicht die ganze Welt – man lässt sich die Option für Nachbarkontinente – sprich: Folgebände oder Boxen offen – sowie Raum für Spielleiter, die selber kreativ werden wollen. Diese Nachbarkontinente findet man auch unten rechts in einer eingeklinkten Mini-Karte – es gibt noch Larion, Tulia, Bendara, Emethron und Ardos. Bei einem Maßstab von 1:7.500.000 misst der Kontinent an den jeweils längsten Stellen grob überschlagen 8.300 km West-Ost und 7.500 km Nord-Süd. Recht amtlich – da bekommt man Aventurien schon einige Male reingepackt. Auch hier gibt es wieder etliche Details und je genauer man hinsieht, umso mehr interessante Orte entdeckt man. Da ist wohl das nächste große Lob für die beiden Karten fällig.
Das SpielDer erste Schreck: Das Regelwerk siezt mich – merkwürdig, versetze ich mich doch gerade in den kleinen Bub, der die mysteriöse Box geschenkt bekommen hat und sich mit klammen Fingern daran macht, das Abenteuer seines Lebens zu erleben und schiebe den alten Sack beiseite, der schon dreistellige Zahlen unterschiedlicher Regelwerke in den Händen und im Schrank sehen hatte. Scheint aber laut Angaben der Macher im Tanelorn eine bewusste Design-Entscheidung zu sein, also gut. Die Illustrationen gefallen mir kleinem Jungen sehr gut und enthalten genügend Abenteuerliches, das irgendwie völlig anders aussieht, als World of Warcraft, das ich mal mit meinem Papa am Computer spielen durfte, aber irgendwie viel mehr dazu einlädt, sich mit dieser Welt zu beschäftigen. Auf nur drei Seiten erklärt man mir, was es mit diesem Spiel auf sich hat, wie man kämpft, zaubert und seinen Charakter erstellt. Der Text hangelt sich immer an einer Geschichte entlang, in der ich mit Lena, Ulf und Simar ein paar Trolle verprügeln kann. [Anmerkung des alten Mannes: Einfacher Mechanismus: W10+Attributsmodifikator muss RK des Gegners übertreffen, der Schaden ist der „Überschuss“ meines Wurfes – ähnlich wie bei Dungeonslayers sind also Trefferwurf und Schadenswurf in einem Wurf enthalten.] Super, das ist einfach. Ebenso wie das Wirken von Magie mit „Zauberpunkten“, einer Art inneres Reservoir an Magie – ist es aufgebraucht, kann ich erstmal nicht mehr zaubern. Mein Charakter wird bestimmt durch seine Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution, Intelligenz und Charisma. Okay. Nun folgt ein kleines Solo-Abenteuer. Jawoll! Mit den Trollen sind mein Vater und ich gerade so fertig geworden und ich habe sogar 7 Goldfalken und 23 Trionthaler gefunden, ein mehr als üppiges Taschengeld. Klasse! Ich wollte eigentlich gar keinen Zauberer spielen und auf den nächsten Seiten „Das Spiel“ steht, dass ich das auch nicht muss. Ich kann ein Mensch, Elf, Zwerg, Halbling oder Gnom sein und von Beruf Zauberer, Dieb, Priester, Waldläufer oder Krieger. Alle haben ihre Vor- und Nachteile – die werde ich im Laufe der Zeit alle mal ausprobieren. Mal sehen, was am meisten Spaß macht. Die nächsten Abschnitte heißen „Fertigkeiten“, „Kampf“, „Magie“, „Göttliches“, „Ausrüstung“, „Abschluss“ und „Glossar“, die lese ich nachher, will ja auch mal in das zweite Heft rein lesen. [Anmerkung des alten Mannes: Auch das Fertigkeitensystem ist simpel und läuft analog zum Kampf: W10+Fertigkeitswert+irgendwas muss über einen vorher festgelegten Schwierigkeitswert würfeln. Zwischen Athletik und Wissen gibt es 13 Fertigkeiten, die kurz erklärt und regeltechnisch festgeklopft werden. Beim Kampf ergibt sich die Initiative aus dem Geschicklichkeits-Modifikator, dann bestimmt jeder seinen „Kampfbonus“ aus Attributsbonus und der Waffenfertigkeit und schon kann das wilde Schlachten losgehen. Hierzu gibt es für unseren Nachwuchsburschen extra eine kleine Checkliste, die er abarbeiten kann und ein Kampfbeispiel. Und, Jungs (und Mädels) – wollt ihr meine ehrliche Meinung zum Magie-Kapitel hören? Viiiiiiiiel zu kompliziert für junge Spieler. Denen sagt man: „Hier. Die Sprüche kann dein Charakter und das machen sie, such dir welche aus – fertig! Die wollen nix von weißer Magie, schwarzer Magie und Göttlicher Leitmagie lesen. Immerhin kommen dann später kurz und knapp eine ganze Reihe von Sprüchen, unter denen man sich wirklich handfest etwas vorstellen kann. Auch die Götter sind für den Neuling nicht wahnsinnig spannend, aber ich sehe ein, dass sie einiges an Fleisch für längerfristige Kampagnen bieten. Die Ausrüstung ist auf zwei Seiten beschränkt und bietet so „ikonische“ Dinge, dass man sich unter ihnen etwas vorstellen kann und kein langes Geschwalle benötigt. Das Kapitel „Abschluss“ ist dann fast schon ein Ausblick auf das Spielleiterbuch und informiert knapp über EP und Stufen, Spielerwissen und Co… Das Glossar ist dann der nächste Anker für unseren Jungspund und erklärt noch einmal kurz die gängigsten Termini.]
Für das Spielleiterheft spare ich mir die Perspektive des kleinen Jungen – ich will ja schließlich nicht alles doppelt schreiben. Das Cover ist klasse – eine Schlachtenszene in bester HdR-Manier, die uns praktisch auf dem Drachen des Angreifers mit reiten lässt. Insgesamt gibt es folgende Kapitel: Spielleitung Ein erstes Abenteuer Mehr Regeln Besonderes Die Welt Ideen Monster Schätze.
Gerade das Kapitel „Spielleitung“ ist natürlich eklatant wichtig, zeigt es mir doch, in welche Richtung der Neuling indoktriniert werden wird. Ganz grob fassen die 13Männer auf 3 Seiten zusammen, wie in Aborea die Rolle des Spielleiters gesehen wird und vielem muss ich heftig nickend zustimmen – „Ohne Niederlagen keine Erfolge“, „Spieler müssen die Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen“, „Die Fantasiewelt muss lebendig und glaubwürdig sein“, sind alles Dinge, die bei einem Setting dieser Art zwingend notwendig sind. Mich persönlich stört zwar, dass auch hier wieder von Spannungsbögen erzählt wird, aber wenn sich das auf Dinge, wie das Erreichen von Meilensteinen, reduziert, dann will ich auch hier nicht viel meckern. Großes Lob verdient sich in diesem Spielleiterabschnitt das kleine Unterkapitel „Reaktionen“ – das hier Geschriebene sollte sich jeder Spielleiter auf die Fahnen schreiben. Versetzt man sich in die Monster oder NSC hinein, so sollte nicht mehr jeder Ork bis zum Tode kämpfen und jeder einzelne Troll ganze Kohorten an Abenteurern blindlings angreifen… Auf 10 Seiten werden sowohl der Nachwuchsspielleiter, als auch seine unerfahrenen Spieler an der Hand genommen und durch „das erste Abenteuer“ geführt – komisch, es hat gar keinen richtigen (schmissigen) Namen. Zur Qualität des Abenteuers kann und will ich hier nichts sagen, dafür kann ich zu wenig abschätzen wie herausfordernd es ist. Nun gibt es optionale Regeln zu den Völkern (Ja, man vermeidet elegant „Rassen“ zu sagen.), Kampfmanöver, Heil- und Giftregeln, noch mehr Infos zu Magie und magischen Gegenständen und Tierfreunden. (Ihr erinnert euch, das Magazin aus der Grundschule, das man bestellen konnte, wenn man zu „erwachsen“ für „Bimbo“ war…) Gut ist, dass alles hier als ausdrücklich „optional“ bezeichnet wird – ebenso wie die Informationen im folgenden Kapitel „Besonderes“, die für „erfahrenere Gruppen“ gedacht sind. Zwei hier vorgestellten Elemente gefallen mir auf den ersten Blick sehr gut – einmal ein kleines System, um den Ruf eines Charakters abzubilden und zum anderen so genannte Talentbäume, die den Berufen mehr Profil geben sollen. Im Kapitel „Die Welt“ wird kurz ein Blick durch das Mikroskop geworfen. Wenige Zeilen gibt es zur Welt Aborea, dann springen wir auf den Kontinent Palea, das Großkönigreich Trion und dort an bestimmte Orte: Angor, Coimbra, Casnewydd, Leet, Digione, Tolone, Loviano und Ghalgrat. Kurz wird auf Dinge wie Klima, Wirtschaft, Geschichte, Mächte und Gruppierungen oder die Nachbarn eingegangen. Die Informationen sind jeweils so kurz, dass ich fast befürchte, dass sie dem Rollenspielneuling an dieser Stelle kaum etwas nützen werden, aber dieser wird ja in Zukunft durch neue Abenteuer immer weiter in die Welt eingeführt werden – vielleicht reichen ihm die gegebenen Informationen ja dazu, eigene Abenteuer zu entwerfen, oder bestimmte Regionen selber auszubauen. Es wäre zu hoffen und es werden auch viele Aufhänger gegeben, ob diese aber einem Neuling ausreichen bezweifle ich an dieser Stelle. (Lasse mich aber zu gerne eines Besseren belehren.) In dieser Hinsicht bieten die 3 Seiten mit „Ideen“ schon einiges mehr: Mit „Der alte Tempel“ und „Fünf Freunde“ werden zwei Abenteuer-Örtlichkeiten mit Karte vorgestellt und es folgt ein einseitiger Abenteuer-Generator. Ich checke ihn mal schnell: Abenteuertyp: Schatz Schatz: Eine „wertvolle“ Person Besonderheit: Auftraggeber ist in Wirklichkeit der Widersacher Auftraggeber/Widersacher: Tempel Rolle: Artefakt Ort: Ebene Tja – ob unser kleines Kerlchen mit den Informationen ein Abenteuer bauen kann? Auch dieses Werkzeug ist sehr nützlich, dürfte aber eher für erfahrene Spielleiter etwas sein.
Die Monster werden kurz (teils mit Illu) vorgestellt und sind in ihrer Schlichtheit (Werte: TP, Ini, Angriffe, Schaden, KB, Rüstung + Beschreibung) präzise dargestellt dadurch für den Spielleiter von ihrer Macht her gut einzuschätzen und im Abenteuer einzusetzen. Das Kapitel „Schätze“ hat dann die klassischen Zufallstabellen, eine erweiterte Ausrüstungstabelle und stellt sogar noch einige Artefakte (sogar mit Illustration) vor. Kurz, knackig, klassisch. ’Nuff said.
FazitABOREA taugt mit seinem Tutorialcharakter und den einfachen Mechanismen definitiv als Einsteigersystem und macht für mich persönlich viel mehr richtig, als es bei der D&D4-Starterbox der Fall war. Mit diesem Stil, dieser Aufmachung und diesem Support kann man Kinder und Jugendliche eher für das Hobby begeistern, als mit einer Einsteigerbox, die zu 90% Wert auf sauberes Layout, geordnete Mechanismen und Übersichtlichkeit legt. Die Mechanismen und Zufallstabellen erfinden das Rad nicht neu, aber sie werden funktionieren und sind schnell verinnerlicht. Ich tippe mal Aborea kann man nach der dritten Spielrunde leiten, ohne ein einziges Mal in den Regeln nachschlagen zu müssen. Mein einziges Problem ist das Siezen des Lesers, das ich gerade bei der Intention nicht angemessen finde - aber wer bin ich, dass ich mit dieser Kleinigkeit einem Verlag an den Karren fahren will, der sich um den Rollenspiel-Nachwuchs in Deutschland bemüht. Auf der RPC erschienen ja gleich drei Systeme, die sich an jüngere Spieler richten und sich bemühen, neue Spieler an das Rollenspiel heranführen und obwohl ich ja – wie vielleicht dem einen oder anderen bekannt – mit Uhrwerk (Dungeonslayers Box) und dem Mantikore-Verlag (Einsamer Wolf Mehrspielerbuch) „verbandelt“ bin, muss ich ganz ehrlich sagen, dass ich Aborea die meisten Chancen einräume, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen. (Selbst wenn es die Verkaufszahlen der beiden anderen Systeme nicht erreichen mag, werden die doch schon durch aktive Szenen (DS) und Joe Dever-EW-Fans (EW Mehrspieler) unterstützt. So explizit wie Aborea bietet keines der anderen Systeme Hilfen zum Einstieg. Hallo, Ulisses! Aufwachen!
Die ersten drei Downloads gibt es auch schon und weitere Gratis-PDF-Abenteuer sind laut Verlag schon in der Pipeline:
Vielleicht sollte ich auch die im News-Eintrag gestellte Hauptfrage beantworten: Das D&D4-Starterset wird (unabhängig der Vorliebe für ein System) locker in den Schatten gestellt und gerade das Spielerbuch könnte ältere Kinder und jüngere Jugendliche neugierig machen und sie so weit motivieren, dass sie sich eigenständig mit diesem Spiel auseinander setzen. Die Aborea-Box rangiert für mich zwar noch ein ordentliches Stück hinter der roten D&D Box aus dem Jahr 1983, was ihre Einsteigerfreundlichkeit und ihre „Magie“, ihre „Abenteuerlust“ angeht, befindet sich aber Längen vor der roten D&D-Box des Jahres 2010 und hat im Jahr 2011 in der Nische Einsteigerrollenspiel kaum Konkurrenz.
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