Links zur Rezension InhaltIn "Die Leichen des jungen Werther" geht es um den jungen Jura-Studenten Werther, der sich in Weimar in die liebreizende und entzückende Tochter des Kammerrates der Herzogin Theresie von Wetterfeld verliebt, und dann von seinem Onkel, der Werthers ausschweifendes und teilweise auch äusserst plastisch vorgetragenes Leben nicht weiter finanzieren möchte, und ihn daher in das Städtchen Wahlheim schickt, wo er als Gerichtsassessor das "wahre Leben"(TM) kennenlernen soll. Die anfänglich von Werther so angeschmachtete Tochter des Kammerrates, Theresie, wird durch die Abberufung nach Wahlheim für ihn in weite Ferne gerückt, zumal sie bereits mit jemand anderem verlobt ist, was den armen armen armen Werther dazu veranlasst, sich bei seinem Freund Wilhelm natürlich ausgiebigst darob auszuheulen. Die als äußerst hager, wortkarg und "von vornehmer Blässe" beschriebene Theresie scheint Werthers Einschätzung nach nicht nur sehr wohlerzogen zu sein, nein, sie weißt zudem noch einen sehr... "gesunden" Hunger nach rohem Fleisch, Innereien und Hirn auf, an dem Werther nichts Seltsames finden kann, als er dieses seinem Freund beschreibt. Die Tage und Wochen vergehen, während Werther in seinen Briefen an seinen Freund den Alltag und das subjektiv empfundene Elend in Wahlheim beschreibt, wobei er mehr als ausreichend Worte findet, um seine gar jämmerliche Situation und seine Seelenpein zu beschreiben, die er in dem kleinen Städtchen erdulden muss, da er dort anscheinend nicht einmal annähernd den Stimulus findet, von dem er der felsenfesten Meinung ist, dass er ihm zuzustehen hat. Werther selbst wird durchgehend als weinerlich, extrem egozentriert, chauvinistisch, sexistisch, elitär und passiv-aggressiv dargestellt, was es mir leider recht schwer gemacht hat, Sympathie zum Protagonisten des Buches aufzubauen, und in das größere Bild des Zombieromans einzufügen. Es fällt mir schwer, einen "Helden" zu mögen, der einerseits von "reiner Liebe"(sic!) zur neu kennengelernten Tochter des ortsansässigen Gerichtsrates, Lotte, schwadroniert, aber dann andererseits zum Triebabbau eine Wahlheimer Kriegswitwe bespringt, die für ihn kostenfreies Mittel zum Zweck ist. Die Hinweise auf Zombies (welche ihre Intelligenz zu gewissem Maße zu behalten scheinen) und eine Zombieplage selbst werden nach und nach in die Handlung eingestreut, wobei der Protagonist selbst jedoch weiterhin felsenfest die Rolle des "ungläubigen Thomas" spielt, selbst nachdem er bereits eigenhändig einen einarmigen(!), einbeinigen(!), schwer verkrüppelten Zombie mit einer Axt erschlägt, den er für einen unglücklichen versehrten Landstreicher oder gar einen Vaganten hält, der von wilden Tieren verstümmelt wurde, und dass wilde Tiere oder Banditen für die seltsam verstümmelten Leichen und Tierkadaver verantwortlich sind. Die Hinweise verdichten sich immer mehr, und eines Tages passiert es, dass die von Werther angebetete Lotte, diesem bei einem Besuch seinerseits kräftig in den Handrücken beisst, was dieser als leidenschaftliche Vorstufe zärtlichen Liebesspiels versteht und nicht als Versuch der Nahrungsaufnahme eines Zombies, zu dem sie leider immer mehr wird. Als dann auch noch Albert Kestner, ein Verwandter des Gerichtsassessors, unter dessen Fuchtel der junge Werther steht, auftaucht, häufen sich die Vorkommnisse um die Zombies, und Werther erkennt langsam, dass es tatsächlich Zombies gibt, und fängt an, sowohl selbst zu recherchieren als auch Wilhelm zu bitten, für ihn Recherche zu betreiben. So kommt Werther dem Geheimnis der Zombies und der von ihnen verbreiteten, übernatürlichen Krankheit langsam auf die Schliche, wird von Kestner im Kampf gegen die Untoten geschult (und muss zusehen, wie der Zombiejäger beim Gerichtsrat um die Hand Lottes anhält und sich mit dieser verlobt), und selbst die Experimente des Barons von Frankenstein werden in die Handlung miteinbezogen, und kurz vor Ende reist der junge Werther zur Burg des Barons, und kurz danach reißt der Briefkontakt zu Wilhelm ab, woraufhin ein Perspektivenwechsel vollzogen wird, und die Geschichte dann letztlich in einer sehr surrealen Szene am Ausgangspunkt Wahlheim gipfelt, deren Ausgang ich hier nicht spoilern möchte.
Fazit:"Die Leichen des jungen Werther" ist als Mash-Up-Roman der Versuch, einen deutschen Klassiker in einen Zombieroman umzuwandeln, was ich einerseits problematisch, aber andererseits auch interessant finde, gäbe es da nicht andererseits mehrere von mir als recht massiv empfundene Probleme zu bemängeln, die den an sich potenziell gut geschriebenen Roman belasten: 1.) Die Form: Der Roman ist als Briefroman geschrieben, was es meines Erachten schwierig bis unmöglich macht, eine spannungsgeladene Handlung adäquat zu vermitteln, da es immer nur eine Nacherzählung bleibt, und Emotionen und Innenansichten meiner Meinung nach kaum zu vermitteln sind. 2.) Der "Held": Der weinerliche und äußerst unsympathische Werther taugt meiner Ansicht nach weder zum Helden noch zum Antihelden. Ich wünschte mir nach circa 20 Seiten Lektüre, dass ihn auf der folgenden Seite ein Zombie anfallen und brutal und möglichst plastisch zerfleischen würde. So hoffte ich später, nach Auftauchen Albert Kestners, dieser seinen Zustand frühzeitig erkennen und ihn entsprechend von seiner Krankheit "kurieren" würde, was leider nicht geschah. 3.) Der Abschluss: Das Ende bleibt offen. Ich hasse offene Enden, und möchte daher als Kunde lieber ein Buch erwerben, das eine abgeschlossene Handlung besitzt, auch wenn mir der Abschluss der Handlung nicht gefallen sollte. 4.) Der halbe Spagat: Dieser Roman versucht einerseits, in die Fußstapfen von "Stolz und Vorurteil und Zombies" (ein Mash-Up-Zombieroman von Jane Austens "Stolz und Vorurteil") zu treten, und andererseits das Gefühl des Originalromans beizubehalten, indem man gewisse Elemente krampfhaft beibehält (Charakterisierung und Handeln Werthers, die Briefromanform), auch wenn sie dem Gesamtziel definitiv abträglich sind, zumal subjektiv betrachtet der Anteil an Action und Spannung bei gefühlten 5-10% des Textes liegt. Stellenweise verwandelt sich die angedeutete Satire in bloßen Slapstick-Humor (Die Tötung des Landstreicherzombies) oder stumpfe Übertreibung (Wesen Werthers), das Problem hierbei ist, dass es so aussieht als ob es unabsichtlich geschieht.
Mein Kurz-Fazit: Es wäre schön gewesen, wenn man sich mehr getraut hätte, sowohl was die Actionlastigkeit als auch den Phantastikfaktor angeht. Etwas weniger Treue zum Original (Durch einen am Ende des Romans sympathischen, mutigen, offenen und kämpfenden Protagonisten!) etwas mehr Mut zur Andersartigkeit, als auch eine andere Form, und "Die Leichen des jungen Werther" hätte mich überzeugen können. So bleibt nur der fade Geschmack eines recht lahmenden Zombie-Mashup-Romans, der weit hinter meinen Erwartungen zurückbleibt und dazu noch ein offenes Ende hat, und der dazu noch nicht gerade günstig ist, wenn man ihn annähernd mit dem Preis der Originalvorlage vergleicht. Ich hatte beim Lesen subjektiv das Gefühl, dass sie weiß, was sie tut, aber wohl nicht unbedingt so schreibt, wie sie wohl könnte, also recherchierte ich etwas im Netz, und fand heraus, dass Frau Picard bereits sowohl für Maddrax, Sternenfaust, als auch andere Bastei-Reihen geschrieben hat, was man dem Buch trotz der oben erwähnten Mängel positiv anmerkt. Zur Produktion: Der Inhalt des Romans selbst beträgt weniger als 288 Seiten, da sich mehrere Leerseiten als auch ein paar Werbeanzeigen im Buch befinden. Die Länge der Lektüre war gefühlt etwas "kurz"; ich hatte bei der physischen Dicke des Buches mit einer längeren Lesedauer gerechnet, was aber natürlich sowohl dem Format, als auch dem Normseiten-Layout geschuldet sein kann.
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