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Bunker 1 - Verbotene Grenzen
Bewertung:
(3.7)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 28.06.2011
Autor:Christophe Bec (Autor und Zeichner), Stéphane Betbeder (Autor)
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Science-Fiction
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-222-8
Inhalt:56 Seiten, Hardcover
Preis:13,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

In einer alternativen Welt ist in mehr als 7.000 Metern Höhe die Demarkacia, der letzte Schutzwall zwischen dem Volk der Velikiisstok und dem Gebiet der feindlich gesinnten Jeretiks. Hier, auf dem Berg Ulu-Teliak, liegt auch der Bunker 37, von dem aus die Armee der Velikiisstok den Feind beobachtet.

 

Das Gebiet in 7.000 Meter Höhe ist unwirtlich und es scheint, als sei weniger eine mögliche Offensive der Jeretiks der Feind, als vielmehr die Soldaten unter sich, die hier in dem entlegenen Winkel der Welt ihrem Dienst nachgehen. Regelmäßig werden die Truppen des Bunker 37 ausgetauscht und zu den Neulingen, die auf dem Berg eintreffen, gehört auch der junge Rekrut Aleksi Stassik. Er hat sich bei der Armee verpflichtet, um eine Welt zu verlassen, in der seine Zukunft bereits vorgezeichnet zu sein scheint. Überzeugt davon, dass er nur ein ganzer Mann werden kann, wenn er für sein Vaterland kämpft, hat er sich als Freiwilliger für den Dienst an der Demarkacia gemeldet.

 

Neben den anderen neuen Soldaten ist auch Delegat Anika Borodin im Bunker 37 eingetroffen, die Nichte des Imperators, die ihre verwandtschaftlichen Verbindungen zu nutzten versucht, um sich unter dem Delegat-Oficir Zoltan Velikic, der Nummer Zwei des Machtapparates von Velikiisstok, zu behaupten. Diese hohe Persönlichkeit ist ebenfalls im Bunker 37 eingetroffen und es scheint, als habe es mit seiner Anwesenheit in dieser Einöde eine ganz besondere Bewandtnis auf sich.

 

Doch es sind nicht nur Soldaten auf dem Gipfel, es gibt auch eine Gruppe von Eingeborenen, die hier wie Menschen der Steinzeit leben und ihren heidnischen Göttern bis in die Gegenwart treu geblieben sind. Und scheinbar handelt es sich bei diesen Gottheiten nicht um bloße Einbildung, sondern um real existierende „Wesen“, denen die Anwesenheit der Soldaten in ihrem Gebiet nicht Recht ist – so wird man nicht umsonst auf den ersten Seiten des Comics Zeuge, wie eine Patrouille von einem unbekannten Wesen nach und nach getötet wird – ohne dass man dieses Wesen sehen kann!

 

Es ist eine ganze Fülle von Akteuren, die hier im ersten Band präsentiert wird und einen ersten Überblick wahrscheinlich sprengen würde, zumal deren Beweggründe im einzelnen nicht unbedingt deutlich zu Tage treten. Es bleibt allerdings auf jeden Fall spannend, da trotz seines eigenwilligen Erzählstils das Duo Bec und Betbeder es versteht, den Leser für die Geschichte einzunehmen – insbesondere, wenn man es mit einem „Feind“ der ganz besonderen Art zu tun hat und es mit dem weiteren Schicksal von Aleksi Stassik eine ganz besondere Bewandtnis zu haben scheint.

 

Schreibstil & Artwork:

Der französische Zeichner und Szenarist Christophe Bec wurde am 24.04.1969 in der südfranzösischen Stadt Rodez geboren. Wegen der beruflichen Tätigkeit seiner Eltern verbrachte er die ersten Monate seines Lebens in Marokko, später dann im Kanton La Salvetat Peyralès im Département Aveyron.

 

Seit frühester Kindheit war Christophe Bec von Comics begeistert und so wundert es nicht, dass er bereits mit elf Jahren ein eigenes 46-seitiges Album mit dem Titel “ L'Enigme Bright“ gezeichnet hat. Held in diesem ersten Comic von Bec war ein Reporter namens Guy Rébut, der allerlei Abenteuer erlebte. Gemeinsam mit seinem Bruder Guilhem erschuf er einige Jahre später das Fanzine „Esquiss“ mit einer bescheidenen Auflage von 50 Exemplaren, welches die beiden in ihrer Heimatstadt an den Mann zu bringen versuchten. Der Erfolg dieses kleinen Fanzine sollte sich allerdings erst 1990 einstellen, als es für den „Alp´art“ in der Kategorie „Bestes Fanzine“ auf dem Comic-Festival in Angoulême nominiert wurde. Noch im gleichen Jahr bestand er die Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule in Angoulême und traf dort einige andere talentierte, junge Künstler, so zum Beispiel Eric Hübsch, Servain, David Prudhomme und Aristophane, die zum Teil entscheidenden Einfluss auf seinen eigenen Stil hatten.

 

Bec erhielt 1991 die Anfrage des Fremdenverkehrsamtes von Marvejols einen historischen Comic zu zeichnen und so entstand innerhalb von nur vier Monaten „La Bête du Gévaudan“, von dem über 3.000 Exemplare verkauft wurden. Als erfolgversprechender Nachwuchskünstler unterzeichnete er 1992 nach seinem Studium einen Vertrag für den Verlag „Soleil“. Sein erstes Album für „Soleil“ erschien 1993 unter dem Titel „Dragan - Les Geôles D'Avade“ und basierte auf dem Szenario des überaus produktiven Autoren Eric Corbeyran. 1997 erschien in Zusammenarbeit mit Richard Marazano der erste Band von „Zéro Absolu“ und mit dem Szenaristen Xavier Dorison entstand 2001 der erste Band der Reihe „Santuaire“ („Heiligtum“) für den Verlag „Humanoïdes Associés“, der sich zu einem Bestseller entwickeln sollte und bislang auf über 150.000 verkaufte Alben zurückschauen kann.

 

Im Jahr 2004 entstand der One-Shot „Anna“ nach einem Szenario von Stéphane Betbeder, den Christophe Bec bei dem kleinen Verleger „La Boîte à Bulles“ veröffentlichte. 2006 folgte die apokalyptische Western-Reihe „Le Temps des Loups“ und in erneuter Zusammenarbeit mit Stéphane Betbeder der Militärthriller „Bunker“ für „Humanoïdes Associés“, dem 2007 die Reihe „Carthago“ und 2008 die Reihe „Prometheus“ folgte.

 

Christophe Bec und Stéphane Betbeder präsentieren ein Szenario, bei dem man zunächst annimmt, als würde dies Szenarien wie „Carthago“ oder „Prometheus“ vorweg nehmen. Doch das täuscht – lediglich der szenische Aufbau der Geschichte, der in seiner Konzeption dem Format moderner amerikanischer Serien ähnelt, die mit zahlreichen verschiedenen Handlungsfäden einzelner Personen und dem Wechsel der jeweiligen Erzählperspektive für Spannung sorgen, mag hier gleich sein. Ansonsten ist hier ein überaus vielversprechender und dynamischer Einstieg in ein Szenario gelungen, welches bereits auf dem Titelblatt der Innenseite ein Zitat von H.P. Lovecraft präsentiert, dem später auch Szenen folgen, die mich entfernt an die lovecraftschen „Traumlande“ erinnern. Nach eigener Aussage haben Bec und Betbeder bereits vor einigen Jahren an dem Szenario von „Bunker“ begonnen und sich mit ihren Einfällen und Ideen gegenseitig immer wieder ergänzt. Diese Ausgereiftheit des Szenarios merkt man ohne weiteres seiner Inszenierung an.

 

Unterstützt wird Christophe Bec in diesem Szenario durch den Autor Stephane Betbeder, der 1971 in Pau in der Region Aquitanien geboren wurde und seine Leidenschaft für Comics bereits in frühen Jahren entdeckte. Er schaffte es 1989 an der renommierten Kunsthochschule in Angoulême zu studieren, wo er seinen Freund Christophe Bec kennen lernte. Sehr schnell entdeckte er bei seinem Studium allerdings auch das Medium der Video- und Fotoinstallationen für sich und machte 1994 seinen Abschluss. Es sollte einige Jahre dauern, bis er schließlich mit seinem Studienfreund Bec zusammenarbeiten sollte. Doch auch in der Zwischenzeit zeigt sich Stéphane Betbeder mit anderen Zeichnern recht erfolgreich, wie die 2004 gemeinsame begonnene Arbeit mit Eric Henninot an der Reihe „Alister Kayne – Chasseur de Fantôme“ für den Verlag Albin Miche zeigt, die bedauerlicherweise noch nicht auf Deutsch vorliegt.

 

Zeichnerisch bleibt Christophe Bec seinem fotorealistischen Stil verhaftet, wobei es auch diesmal wieder eine ganze Fülle von Charaktere gibt, bei denen Gesichter namhafter Schauspieler als Modell Pate gestanden haben, unter ihnen beispielsweise Jürgen Prochnow. Ansonsten tobt Bec sich vornehmlich bei technischen Details wie Helikoptern, Waffen oder Panzerfahrzeugen aus und zeigt sich als Minimalist bei der Zeichnung aufwendiger Hintergrundbilder (wobei es allerdings einige sehr gut gelungene Panels mit Zeichnungen der Berghöhe gibt, auf der Bunker 37 steht). Insgesamt wird man die Zeichnungen als atmosphärisch und gelungen bezeichnen dürfen, obwohl Bec einen Stil besitzt, der nicht unbedingt jedem gefallen wird, scheinen seine Darstellungen doch manchmal ein wenig statisch und emotionslos. Die hervorragende und stimmige Kolorierung des Bandes stammt von Marie-Paule Alluard.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

In Sachen Qualität liefert der Splitter Verlag wieder einmal eine tadellose Verarbeitung: Ein solider Hardcoverband mit einwandfreier Bindung und klarem Druckbild. Von daher gibt es an dieser Stelle – wie so oft – von meiner Seite nichts zu kritisieren. In Sachen Ausstattung gibt es für den Leser auf der Innenseite des Umschlags eine Übersicht über die wichtigsten Akteure von „Bunker“, die mit einem kurzen Text vorgestellt werden als auch im kurzen Anhang einige weitere sehenswerte Skizzen und Entwürfe sowie eine knappe Erläuterung von Bec zur Zusammenarbeit mit Betbeder. Die Übertragung aus dem französischen von Tanja Krämling liest sich gut und flüssig.

 

Fazit:

Christophe Bec und Stephane Betbeder haben in diesem dunklen Science-Fiction-Szenario in einer alternativen Welt zwei überaus interessante Genres miteinander vereinigt, die auf den ersten Blick nicht so richtig zueinander passen wollen: Auf der einen Seite den Blick auf das modern ausgestattete Militär eines nationalistischen Staates, an dessen Spitze ein Imperator steht und der insgesamt totalitäre Züge aufweist - auf der anderen Seite die mysteriösen Abgründe, die sich tief im Berg verborgen halten und ihrer Erforschung harren.

 

Wie das ganze nun im Comic funktioniert? Schwer zu sagen, da in diesem Band die Akteure zunächst einmal vorgestellt werden und es durch die häufigen Wechsel der Erzählperspektiven schwierig ist der Geschichte als auch den Absichten der einzelnen Charaktere zu folgen. Dennoch besitzt dieses Szenario gerade durch diese Wechsel und die Andeutung einiger Geheimnisse (oder vielleicht sogar einer Verschwörung) einen überaus großen Reiz, der absolut neugierig auf die Fortsetzung macht.

 

Ich möchte nichts über den Schluss des ersten Bandes verraten, aber gerade im letzten Drittel des Bandes bieten Bec und Betbeder einen Cliffhanger, der unheimlich gut in Szene gesetzt ist und dem Leser einiges über die Geheimnisse des Berges deutlich vor Augen führen. Und es sind bei weitem nicht nur die Truppen der Jeretiks, die eine Gefahr darstellen.

 

Man sollte schon ein Faible für Serien amerikanischer Machart mitbringen, um diesem Comic genießen zu können. Ebenso wie bei einer Serie werden die Akteure vorgestellt, in Positionen gebracht und dann beginnt der Wettlauf um einen grandiosen Showdown. Wie dieser bei der Reihe „Bunker“ aussehen soll kann man jetzt noch nicht sagen – ich bin auf jeden Fall sehr gespannt!