Links zur Rezension InhaltMan schreibt das Jahr 1020: Eine Siedlung an der Wolga in Russland, die vornehmlich vom Handel lebt, wird vor Einbruch des Winters von der Pest heimgesucht. Niemand in der Siedlung kennt bislang diese mysteriöse Krankheit und es scheint so, als gäbe es keine Hoffnung für die Infizierten.
Hildas Mann, ein angesehenes Mitglied der Händlerklasse der Siedlung, stirbt an der Pest und hinterlässt seine Frau und sein Kind einem ungewissen Schicksal. Hilda und ihre Tochter scheinen immun gegen die Krankheit zu sein, ob dies allerdings ein Segen für die beiden sein soll? Zwar erbt Hilda den Platz ihres Mannes im Rat, als Frau gilt sie dennoch als Mensch zweiter Klasse in der von Männern dominierten Welt, für die ein gnadenloser Kampf ums Überleben beginnt.
Als die Zahl der Kranken immer weiter steigt, beschließt der Rat der Siedlung, die erkrankten Bewohner aus der Siedlung zu vertreiben und das Tor und die Wälle abzuschotten. Der Winter bricht früh heran und fegt mit unbändiger Kälte über die Landschaft. Die Vorräte in der Siedlung sind knapp, da es niemandem erlaubt ist, das Dorf zu verlassen – dasselbe gilt für Feuerholz, welches ebenfalls langsam aber sicher zur Mangelware wird. Verzweiflung, Neid und Missgunst machen sich in der Siedlung breit.
Gunborg, ein einflussreicher und brutaler Krieger, beginnt mit seinen Kameraden die Menschen einzuschüchtern und nutzt dabei seine Position als Ratgeber des Ältesten. Er erniedrigt Hilda bei jeder passenden Gelegenheit und gibt ihr deutlich zu verstehen, was er von ihr hält. Sein Gegenspieler ist Boris, ein christlicher Priester, den es in die kleine Siedlung verschlagen hat und der sich unverhohlen immer wieder Gunborg und seinen Männern in den Weg stellt.
Der Frühling jedoch ist noch fern und der Winter unerwartet lang und hart. So sind es nicht nur Hunger, Frost und wilde Tiere gegen die die Menschen sich helfen müssen, sondern auch Invasoren, deren Schiffe plötzlich auf der Wolga auftauchen, um das Dorf anzugreifen und die Ränkespiele von Gunborg, der insgeheim mit der Siedlung ganz anderes im Sinn hat. Und überall lauert die ständige Bedrohung durch die unsichtbare Krankheit, die es als beständige Gefahr zu überstehen gilt.
Schreibstil & Artwork:Der Autor Brian Wood wurde 1972 in Essex Junction in Vermont (USA) geboren und lebt seit 1991 in New York City, wo er 1997 an der „Parsons School of Design“ seinen Bachelor in Illustrationen machte. Seine Abschlussarbeit, die anti-utopistische SiFi-Miniserie „Channel Zero“, wurde im gleichen Jahr vom Image-Verlag veröffentlicht. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich bis 2003 bei der Spiele-Schmiede „Rockstar Games“, wo er unter anderem an der Entwicklung von Spielen wie „Grand Theft Auto“, „Max Payne“ und „Manhunt“ beteiligt war. Parallel dazu spielte sich seine Karriere als Comic-Autor (und Zeichner) eher im Independent-Bereich ab. So entstanden für „AIT“ und „Oni“ mehrere Mini-Serien, darunter auch die erfolgreiche Reihe „Demo“. Im Jahr 2003 begann seine Zusammenarbeit mit DC/Vertigo, bei denen er sich vornehmlich als Autor betätigte. Nach dem von Mangas inspirierten „Fight for Tomorrow“ folgte 2005 „DMZ“, sein bisher kommerziell größter Erfolg.
Die Vorliebe von Brian Wood für atmosphärisch dichte aber sehr bodenständige Geschichten lässt sich bei „Northlanders“, nicht leugnen, da Themen wie Krieg, Gewalt, Verrat und Ehre gleichsam ein Leitmotiv sind, ohne dabei plakativ zu wirken. Dass es dabei nicht immer Wikinger sein müssen, beweist das Szenario von „Die Pest“. Hier siedelt Wood seine Akteure am Ufer der Wolga an, dem mit 3.530 km längsten und wasserreichsten Europas, an dem seit Urzeiten Menschen siedelten und sich in verschiedenen Epochen wichtige Residenz- und Handelsstädte befanden.
Bereits im dritten Band „Blutiger Schnee“ bewies Wood in der Geschichte „Die Schildjungfern“ sein Interesse an der Rolle der Frau in der damaligen Zeit. In „Die Pest“ nimmt er sich Zeit, Hilda und ihre achtjährige Tochter Karin als authentische und glaubwürdige Charaktere aufzubauen, die er mit ihren existenziellen Nöten eindringlich schildert. Es geht ihm dabei nicht um billige Effekte, wie man sie bei einem solchen Szenario unter Umständen erwarten würde, sondern um eine Frau, die plötzlich auf sich alleine gestellt, in einer von Männern dominierten Welt, ihren Willen zum Überleben finden muss, damit ihre Tochter eine Zukunft hat.
Es gibt aber mit der Figur des machthungrigen Gunborg und dem mysteriösen Priester Boris zwei absolut gelungene und überzeugende Charaktere, die in diesem fast schon als Kammerspiel ausgelegten Comic von ihrem ersten Auftritt an begeistern können. Während der Gunborg mit Intrige und Brutalität insgeheim die Macht im Dorf an sich zu reißen versucht, liegt Boris alles daran, die noch verbliebenen Menschen zu retten – egal ob vor der Pest oder vor seinem Widersacher Gunborg.
Leandro Fernández ist gebürtiger Argentinier und begann seine Karriere als Comic-Künstler bereits mit 15 Jahren, als er Schüler von Hellblazer-Zeichner Marcelo Frusin und später von Eduardo Risso (100 Bullets) wurde. Er studierte Illustration und bekam erste Jobs von einem italienischen Verlag. Zum Durchbruch verhalf ihm 2002 die Story „Operation: Cristal Ball“ für Greg Ruckas „Queen and Coutry“. Es folgten aufsehenerregende Strecken für die Marvel-Serien „Spider-Man: Tangled Web“, „Incredible Hulk“, „Wolverine“ und „Punisher“, bevor er „Stormwatch: PHD“ für DC/Wildstorm anfertigte.
Die Zeichnungen von Fernández folgen der fast schon gewohnten Ausführung der bisherigen Bände und überraschen nicht unbedingt in ihrem Aufbau. Auch wenn Brian Wood es immer wieder schafft, neue Zeichner zu verpflichten, so achtet er scheinbar dennoch immer wieder penibel darauf, dass ein gewissere Grundton vorhanden ist, der sich wie hier letztlich in schematischen und stellenweise fast schon minimalistischen Bildern äußert. Fernández versteht allerdings sein Handwerk sehr gut und so überzeugen seine ausdrucksstarken Zeichnungen in Verbindung mit der schummerigen Kolorierung durch Dave McCaig. Insgesamt die Arbeit eines vielversprechenden Zeichners, der eine würdige Ergänzung in der Reihe von Künstlern darstellt, die bislang an dieser Reihe mitgewirkt haben.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungIn Sachen Qualität gibt es bei dem vierten Sammelband von „Northlanders“ nichts zu bemängeln: Der Softcoverband ist solide verarbeitet und macht einen haltbaren Eindruck, wie man ihn auch von anderen Veröffentlichungen von Panini gewohnt ist. Außer den gesammelten acht Heften (Northlanders #21 – #28) der abgeschlossenen Geschichte um Hilda und ihre Tochter, gibt es in Sachen Ausstattung noch die zum Teil grimmigen, aber atmosphärisch passenden Originalcover der Einzelausgaben von Massimo Carnevale zu entdecken. Die Übersetzung erfolgte durch Bernd Kronsbein und wie bei den anderen Bänden gibt es im Faltcover einen knappen Text mit einigen Informationen zu Autor und Zeichner.
FazitNach dem eher etwas schwächeren dritten Band der Reihe, schafft es Brian Wood nun doch wieder den Leser mit einer neuen und gänzlich anderen Art von Szenario zu überraschen, wie ich es in dieser Reihe eigentlich nicht für möglich gehalten hätte. Der Handlungsort ist ungewohnt, da man an der Wolga nicht unbedingt Wikinger erwartet, aber scheinbar ist der Begriff „Northlanders“ hierbei recht weit zu fassen und basiert durchaus auf einigen historisch belegten Fakten.
Die kleine Handelssiedlung an der Wolga ist hermetisch abgeriegelt und die großen Akteure in dem beklemmenden Schauspiel von Intrige, Verrat aber auch Achtung vor den Mitmenschen sind mit Gunborg und Boris rasch vorgestellt. Vor dieser Szenerie wirkt Hilda mit ihrer Tochter überaus authentisch in ihrem Bemühen ihrer beider Überleben zu sichern. Dabei wird auch in diesem Band eine raue und brutale Welt geschildert, die durch ihre „modernen“ Dialoge bei weitem antiquiert wirkt.
Und so präsentiert Brian Wood diesmal keine überzeichneten Charaktere in einem finsteren und dunklen Szenario, sondern behält einen ziemlich intimen Blick auf Hilda und ihre Tochter in dieser tragisch-brutalen Geschichte. Für mich auf jeden Fall bislang einer der besten Bände dieser Reihe, der mit seiner dichten Atmosphäre und seinen Charakteren absolut überzeugt. Die Zeichnungen sind dabei sicherlich keine Höchstleistung, können aber dennoch in ihrer Ausführung befriedigen.
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