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Jim Morrison - Poet des Chaos
Bewertung:
(3.8)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 22.08.2011
Autor:Frédéric Bertocchini (Autor) und Jef (Zeichnungen)
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Comic / Graphic Novel
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-337-9
Inhalt:128 Seiten, sw, Hardcover
Preis:16,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Im März 1971 flieht Jim Morrison vor der amerikanischen Justiz nach Paris, wo er gemeinsam mit seiner Freundin Pamela Courson eine Auszeit nehmen wollte.

Bärtig und mit langen Haaren für niemanden zu erkennen sitzt er in einer Kneipe und hängt zu den Klängen von „Love her madly“ seinen Gedanken nach. So beginnt wie im Zeitraffer eine Reise zurück in die Kindheit von Jim Morrison, die mit einer fast halluzinationsartigen Anfangssequenz beginnt, als Jim als Kind im Auto mit seinen Eltern auf dem Weg in den Urlaub an einem Autounfall vorbei fährt und er angesichts eines toten Indianers fortan das Gefühl hat, dessen Geist sei bei dessen Tod in seinen Körper übergegangen und lebe fortan in ihm weiter.

 

Kindheitserinnerungen an Alamameda in Nordkalifornien folgen, wo er 1957 mit einem Freund in einem Laden eine Flasche Gin klaut, welche beide dann gemeinsam auf einer einsamen Bank im Hafenviertel trinken. Bedingt durch die Arbeit seines Vaters für das Pentagon zieht die Familie nach Virginia, wo er auf die High-School gehen soll. Doch die ständigen Umzüge machen aus dem jugendlichen einen entwurzelten Menschen, der seine Zuflucht in Büchern findet, egal ob es sich um die deutsche Romantik handelt, griechische Philosophie oder die französischen Surrealisten. Trotz seiner guten schulischen Leistungen eckt Jim mit seinem für Außenstehende seltsam anmutenden Verhalten an, egal ob es die eigene Familie, Freunde oder aber die erste Freundin ist.

 

Zwischen diesen Sequenzen begegnen wir einem schweigsamen und nachdenklichen Jim Morrison, der fast schlafwandlerisch durch Paris schlendert, den Reisen mit Pam in den Südwesten Frankreichs, nach Spanien, Marokko und nach Korsika führen und der oftmals dem Alkohol oder Drogen zuspricht. Seine Gedanken kreisen dabei aber immer wieder um die Band „The Doors“, die er verlassen hat und die ihm dennoch nicht aus dem Kopf will.

 

1961 schrieb sich Morrison an der Filmabteilung der Fakultät für Theaterwissenschaften der University of California in Los Angeles ein. Hier lernte er am Venice Beach Gleichgesinnte kennen, doch es dauerte noch bis 1965, bis er von einem ehemaligen Kommilitonen, Ray Manzarek, angesprochen wurde, der ihn fragte, ob er als Gitarrist für eine Band aushelfen wolle. Gemeinsam entdecken sie ihren Spaß an der Musik, insbesondere da Ray fasziniert ist von den Texten, die Jim geschrieben hat. Gemeinsam gründen sie die Rockgruppe namens "The Doors", die innerhalb kürzester Zeit in die Geschichte eingehen soll, auch wenn der Aufstieg zu Beginn längst nicht so kometenhaft aussah und die Mischung aus Alkohol und Drogen rasch eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen sollte. Wie das Ende aussah, dürfte den meisten Lesern bekannt sein, doch möchte ich hier nicht vorgreifen auf weitere Stationen im Leben eines Mannes, der zahlreiche Facetten hatte und zugleich Künstler als auch gequälter Geist war.

 

Schreibstil & Artwork:

Der korsische Journalist, Historiker und Szenarist Frédéric Bertocchini wurde am 02.10.1973 in Ajaccio geboren. Neben einigen Buchveröffentlichungen in Frankreich ist er seit 2004 verstärkt als Szenarist für verschiedene Zeichner aktiv und arbeitete auch als Redakteur beim französischen Magazin „Cargo Zone“ mit.

 

Ganz bewusst konzentriert sich Frédéric Bertocchini in seinem Szenario auf die Figur des Sängers Jim Morrison. Dabei erhebt er jedoch in keiner Weise einen biographisch oder dokumentarisch exakten Anspruch; wie er dies auch in seinem Vorwort schreibt, sondern nimmt sich die Freiheit seinen eigenen Blickwinkel auf den Mythos Jim Morrison zu werfen. Dieser wird von ihm in all seinen Facetten beleuchtet, egal, ob es sich um den exzessiven Rockstar mit Hang zu Sex, Drogen und Provokation handelt oder um den Poeten und Philosophen, der immer wieder seine eigenen Grenzen erfahren muss.

 

Als Historiker orientiert sich Bertocchini zwar an zahlreichen biographischen Fakten und erzählt beispielsweise, wie der junge Filmstudent Morrison mit seinem Freund Ray Manzarek am Strand von Venice die Band gründet, rekonstruiert legendär gewordene Auftritte, den Aufstieg der Band, aber auch die seltsame Liebesgeschichte zwischen Jim und seiner Freundin Pamela Courson, die als verbindendes Glied der einzelnen Sequenzen in Paris spielt, dennoch wird er dabei nie zum Langweiler oder zählt nur hinlänglich bekannte Fakten auf. Durch seinen Stil, der durch die zahlreiche Rückblicke lebt, erfährt man im Zeitraffer prägende und durch ausdrucksstarke Situationen vieles aus dem Leben eines Jungen bzw. Mannes, der sich selbst sucht und dabei letztlich tragisch scheitert.

 

Jef, der mit bürgerlichem Namen Jean-François Martinez heißt, ist als Zeichner gänzlich Autodidakt. Sein Debüt hatte er mit der im Verlag Albin Michel erschienenen Trilogie „L'épée noire du Pentaskel“, die mit den Szenaristen Claude Plumail und Serge Pradier entstand. Weitere Arbeiten für einen Sammelband folgten, als auch Zeichnungen für „Requiem Tenebrae“, für das Nicolas Bournay das Szenario schrieb. Danach stieg er zunächst aus dieser Umfeld von Verlagen und Szenaristen aus und gönnte sich ausgedehnte Reisen und die Musik der Gruppe Ziou Ethnikal Funkdation, mit der er auf Tour ging.

Zurückgekehrt arbeitete er mit dem Szenaristen Emmanuel Proust an „Corbeyran et Une balle dans la tête“ ebenso wie als Kolorist für den Verlag Delcourt.

 

Weniger als Zeichner, denn scheinbar als Maler tobt sich Jef in einem Rausch von schwarzweißen Bildern aus, die er mit zum Teil groben Strich zu Papier bringt. Durch diese Technik und in Verbindung zu den Dialogen erhalten die kurzen Sequenzen aus dem Leben von Jim Morrison eine seltsam traumhafte Leichtigkeit, als auch einen Vorgeschmack auf das nahende Ende des Idols. In seinen Bildern verwischen zum Teil die Konturen der Hintergründe, werden Personen und Gegenstände in den Rückblicken abstrakt aufgeweicht, ohne dabei die klare Linienführung für die Gesichter und Körper seines Protagonisten zu verlieren. Hier bietet sich viel Platz für Interpretationen, ob man den Rückblick eher als Albtraum oder aber als Folgen seines Dauerrausches ansehen kann. Auf jeden Fall eine überaus beeindruckende Leistung eines talentierten Zeichners, die mir überaus positiv aufgefallen ist.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Die Qualität der Produkte des Splitter-Verlages bewegt sich durchgehend auf hohem Niveau und so dürfte es den Käufer nicht wundern, für sein Geld einen solide gebunden Hardcoverband aus der Reihe der kleinen handlichen Splitter Books im Format A 5 in guter Druckqualität zu erhalten. In Sachen Ausstattung ist dieser Band etwas karg, da es außer einem Vorwort lediglich einige Hinweise auf biographisches Material zu Jim Morrison und verwendete Songtexte gibt. Hier hätte es gerne etwas mehr sein können, da sicherlich nicht jeder unbedingt mit dem Lebenslauf von Jim Morrison vertraut ist. Die Übersetzung von Tanja Krämling ist wie immer gut gelungen.

 

Fazit:

Insgesamt dürfte der vorliegende Band nicht nur eine seltsam berauschend-verstörende Graphic-Novel über die Geschichte einer Rockband und ihrem charismatischen Sänger Jim Morrison sein, sondern fängt durch ihre Bilder atmosphärisch den amerikanischen Zeitgeist der ausgehenden 60er Jahre ein. In einer Epoche, deren Jugend geprägt war von der Hippie- und Bürgerrechtsbewegung, bewusstseinserweiternden Drogen und den Bildern eines brutalen Vietnamkrieges, trafen „The Doors“ mit dem exzessivem und unberechenbarem Verhalten ihres Sängers Jim Morrison und seinen düster-poetischen Texten den Nerv der Zeit.

 

Gleichgültig wie viel oder wie wenig die Geschichte mit den realen Fakten zu tun hat und passionierte Doors-Fans vielleicht an einigen Stellen des Bandes ihren Kopf schütteln werden, sollte man seinen Anspruch vielleicht nicht allzu hoch schrauben. Dieser Band ist letztlich ein überaus ästhetischer Genuss, den man am besten mit passender Musik im Hintergrund in einer stillen Stunde genießen sollte.