Links zur Rezension Inhalt:Die letzten Tage des Verbrechens in Amerika scheinen bald gezählt zu sein, hat doch die US-Regierung das perfekte Mittel gefunden, um Verbrechen und Terrorismus in den Griff zu bekommen: Einen Neuro-Inhibitor, der es allen Bewohnern des Landes unmöglich macht gesetzeswidrige Taten zu verüben. Doch nicht nur das, auch will man gleichzeitig das Bargeld abschaffen und ein komplett neues, ausschließlich digitales Zahlungssystem einführen - das ideale Mittel, um Geldströme im Auge zu behalten.
Als viele Amerikaner alles daran setzen, die Flucht aus ihrer Heimat zu ergreifen und schließlich sogar die Grenzen nach Mexiko und Kanada geschlossen werden müssen, kommt der alternde Berufsverbrecher Graham Bricke ins Spiel, der eine jener Maschinen stehlen will, mit denen die neuen Kreditkarten aufgeladen werden. Doch Graham kann diesen Job nicht gänzlich ohne fremde Hilfe durchführen und so muss er notgedrungen mit dem ziemlich undurchsichtigen Duo Shelby Dupree und Kevin Cash zusammenarbeiten. Die Zeit ist allerdings knapp und so bleiben ihnen nur noch zwei Wochen für ihren letzten großen Coup, bevor ihnen das A.P.I.-Signal des Neuro-Inhibitors einen Strich durch die Rechnung macht.
Schreibstil & Artwork:Bevor er ins Autorenfach wechselte, war Rick Remender vor allem als Zeichner tätig. Er arbeitete mit an Animationsfilmen wie „Der Gigant aus dem All“, „Anastasia“ oder „Titan A.E.“ und illustrierte Comics für verschiedene Verlage. Mit der Serie „Fear Agent“, die beim amerikanischen Verlag Dark Horse erschien, machte er sich rasch einen Namen als exzellenter Autor. Seitdem schreibt er vor allem für Marvel, unter anderem an verschiedenen „Punisher“-Reihen. Jenseits der Comic-Branche war Remender auch als Autor für das Video Game „Dead Space“ beschäftigt. Rick Remender lebt in Portland, USA.
Autor Rick Remender ist nicht unbedingt dafür bekannt, mit seinen Erzählungen zaghafte oder schüchterne Charaktere zu beschrieben, die auf einer Frühlingswiese Blümchen pflücken möchten – ganz im Gegenteil. Seinen Ruf verdankt er knallharten Dialogen und düsteren Anti-Helden. So wundert es sicherlich nicht, wenn diese Geschichte seltsamerweise ein wenig an die Comicreihe „Sin City“ von Frank Miller erinnert, als er seinen Protagonisten direkt zu Beginn des Szenarios ins Rennen schickt, um mit einem Verräter auf ziemlich üble Art und Weise abzurechnen. Das alles ist ziemlich derb und brutal angelegt, besticht durch eine überaus pessimistische Weltsicht und eine Fülle von entfremdeten und verbitterten Charaktere.
Die Mischung aus Near-Future und klassischen Elementen des Film-Noir machen dieses Szenario überaus lebendig, selbst wenn Remender sich nicht immer unbedingt eindeutig zu den Hintergründen seiner Welt äußert. Er will mit seinem Entwurf einer möglichen Zukunft scheinbar nicht vordergründig zum nachdenken anregen, sondern den Leser durch seinen geschickt inszenierten Plot einfach nur gut unterhalten.
Greg Tocchini wurde 1979 in Brasilien geboren und arbeitet seit Mitte der 1990er Jahr als Illustrator, wobei er seit 2002 auch für US-Comic-Verlage tätig ist. Für den amerikanischen Verlag Crossgen entstand „Demon Wars“, für Marvel zeichnete er unter anderem die Miniserien „Thor: Son of Asgard“ und „Marvel 1602: A New World“ und für DC eine Strecke der Reihe „Ion“. Tocchini lebt abwechselnd in Sao Paulo und Guararema.
Auch wenn man eigentlich meinen sollte, eine düstere Farbgebung hätte diesem Comic vielleicht besser gestanden, so ist es der ganz bewusste Bruch mit diesem Klischee, wenn Tocchini die Geschichte mit ihren realistisch gezeichneten Protagonisten dynamisch und voller Schwung in ziemlich bunten Farben zu Papier bringt. Dabei haftet seinen Zeichnungen stets etwas unfertiges und fast schon wieder skizzenhaft-dreckiges inne, was den Erzählfluss und der Stimmung von Remender wiederum zugutekommt. So entsteht zwischen dem Müll, den Hinterhöfen und den glitzernden Fassaden des modernen Amerikas, welches sich anschickt Verbrechen mit High-Tech zu bekämpfen, in den von Tocchini angelegten Panels mit einer immer wieder geschickt eingefangenen Perspektive optisch etwas ganz besonderes, was in dieser Form für den Betrachter sicherlich sehr ungewöhnlich ist und erfreulicherweise abseits der gängigen Einheitskost liegt.
Qualität, Ausstattung & Übersetzung:Die Reihe der Splitter Books, die sich lediglich durch ihr kleineres Format von ihren „großen Brüdern“ unterscheideen, lässt in Sachen Qualität keine Wünsche offen: Der kleine Hardcoverband überzeugt durch ein sauberes Druckbild, eine einwandfreie Verarbeitung und durch einen zusätzlichen Schutzumschlag. In Sachen Ausstattung gibt es in diesem All-in-One der ursprünglich auf drei Ausgaben konzipierten Reihe auch einige schöne Extras in der Design Gallery, wo man einen Blick in das Skizzenbuch von Tochini werfen kann als auch zusätzliches Cover-Artwork abgedruckt ist. Die Übersetzung stammt von Bernd Kronsbein und ist sehr gut gelungen, da sie den Ton und die Stimmung der Vorlage wunderbar einfängt.
Fazit:Den futuristischen Krimi, welchen das Duo Remender und Tocchini hier präsentiert, hat es wirklich in sich: Ein stimmiges und flottes Szenario mit überzeugenden Charakteren in einem maroden Amerika, welches vor der grassierenden Gewalt kapituliert und sich nur noch mit Hightech zu helfen weiß. Man mag Remender sicherlich vorwerfen, er habe den Hintergrund seiner Geschichte an einigen Stellen nur unzureichend ausgearbeitet. So ist es beispielsweise für den Leser nicht unbedingt nachvollziehbar, wieso die Regierung letztlich so drastischen Schritte wie den Neuro-Inhibitor einsetzen möchte und wie dieser überhaupt funktioniert. Solche und andere Erklärungen gibt Remender (wenn überhaupt) nur beiläufig und man muss schon aufmerksam den verstreuten Aussagen diesbezüglich folgen, um ein komplettes Bild zu bekommen. Doch das tut der Geschichte insgesamt keinen Abbruch – wer will sich schon in einem rasant angelegten Action-Film Gedanken über Logik machen?
Für mich ist dieser Band auf jeden Fall eine sehr lesens- und empfehlenswerte Entdeckung. Wer Filme in der Optik eines Tarantino oder Rodriguez mag, der dürfte hier sicherlich voll und ganz auf seine Kosten kommen, wobei dieses intelligente Szenario auch durch seine geschickt angebrachten sozialkritischen Untertöne zu überzeugen weiß. Eine gelungene Entdeckung, die sich aber inhaltlich ausschließlich an ein erwachsenes Publikum richtet und auf keinen Fall in Kinderhände gehört!
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