Links zur Rezension EinleitungIm Sommer 2011 ist mit „A Dance with Dragons“ der fünfte Band der Romanreihe „A Song of Ice and Fire“ von G.R.R. Martin erschienen. Gleichzeitig wird ab Frühjahr 2012 die zweite Staffel von HBO’s „A Game of Thrones“ in den USA über die Bildschirme laufen. Schon 2009 veröffentlichte Green Ronin dazu ein Pen & Paper Regelwerk und 2010 folgte mit dem „Campaign Guide“ die Beschreibung der Welt Westeros. Im Folgenden soll es darum gehen, wie gut oder schlecht dieses Buch die Welt von Westeros beschreibt. Grundsätzlich ist dabei anzumerken, dass für die Weltbeschreibung der Zeitpunkt unmittelbar vor Einsetzen der Romanhandlung gewählt wurde. Das bedeutet, dass man sich keine Sorgen um Spoiler machen muss, wenn man das Regelwerk liest, aber natürlich auch keine Informationen über spezielle Ereignisse in den Romanen vorhanden sind. Diesem Thema werde ich später einen eigenen Abschnitt widmen. Ich werde in der Rezension die englischen Begriffe für Orte, Personen und Organisationen benutzen, da erstens das Buch ebenfalls in englischer Sprache ist und ich zweitens auch gar keinen Zugang zu der deutschen Übersetzung habe.
Für Neulinge in WesterosDiesen Abschnitt können all jene, die sich in der Welt von G.R.R. Martin schon auskennen, getrost überspringen. Ich möchte für diejenigen, bei denen das nicht der Fall ist, versuchen, kurz darzustellen, wie diese Welt nun aussieht, damit zumindest eine grobe Vorstellung vorhanden ist. Westeros ist prinzipiell eine Welt, die an das Europa des 14. oder 15. Jahrhunderts erinnert, allerdings ohne die Verbreitung von Schießpulver. Es handelt sich um einen großen Kontinent, der sich in sieben verschiedene Domänen aufteilt, die alle von einem großen Adelshaus beherrscht werden, das aber wiederum dem König, der das gesamte Land beherrscht, die Treue geschworen hat. Das Königreich ist aber keineswegs stabil, sondern der König Robert Baratheon hat den Thron erst vor einem guten Jahrzehnt durch Rebellion erobert. Das politische Klima zeichnet sich durch Intrigen und Ränkespiele aus, in denen die großen und auch die kleineren Adelshäuser versuchen, Rang und Einfluss zu verbessern. Magie spielt nur eine untergeordnete Rolle, auch wenn sie subtil immer existent ist. Vor etwa hundert Jahren wurde der letzte Drache von Westeros getötet und die Others, gegen die im Norden von Westeros eine gewaltige Mauer aus Eis errichtet wurde, sind ebenfalls nur noch Legenden.
Design & LayoutSchon der Einband des Buches zeigt eine bekannte Szene, nämlich Jamie Lannister, der mit blutverschmiertem Schwert über der Leiche von Aerys II. steht, den er am Fuß des Eisernen Throns erschlagen hat. Schon dieses Bild macht viel Lust auf den folgenden Inhalt. Die Seiten im Inneren sind immer klar gegliedert und durch zahlreiche Zwischenüberschriften fällt es in den einzelnen Kapiteln leicht sich zurechtzufinden. Die Schrift ist zwar nicht allzu groß aber dennoch durchweg gut lesbar. Auf einer einzigen Seite meiner Ausgabe sind einige Überschriften ein wenig verwischt aber dennoch lesbar, was das ansonsten sehr gute Gesamtbild minimal zu trüben vermag. Der Text wird immer wieder durch Bilder aufgelockert und die einzelnen Kapitel werden jeweils durch eine halbseitige Abbildung eingeleitet. Die Qualität der Abbildungen ist dabei durchweg gut und sie passen auch vom Stil her zueinander. Hier gibt es wieder eine einzige Ausnahme, die meiner Meinung nach nicht so recht ins Gesamtbild passt, nämlich eine Abbildung von einigen Goldcloaks, die nach meinem Empfinden nicht wirklich mit den übrigen Abbildungen harmoniert. Aber den Gesamteindruck kann das genauso wenig ernsthaft schmälern, wie die eine Seite mit verwaschenen Überschriften.
InhaltsübersichtInsgesamt ist das Buch in 14 Kapitel unterteilt, von denen sich ein Großteil den einzelnen Regionen von Westeros widmet. Kapitel 1 gibt einen kurzen Überblick über die Geschichte von Westeros, Kapitel 2 widmet sich der Kultur und Kapitel 3-12 enthalten Beschreibungen der einzelnen Regionen der Seven Kingdoms. Kapitel 13 beleuchtet schließlich in einem kurzen Überblick die Länder außerhalb von Westeros und Kapitel 14 bildet mit einer Reihe von Hinweisen, wie sich Westeros am ehesten im Spiel zum Leben erwecken lässt den Abschluss. Schließlich gibt es noch einen siebenseitigen Index mit dessen Hilfe man sich einfacher im Buch zurechtfinden kann. Die einzigen Regelinformationen im Campaign Guide sind die Spielwerte von wichtigen NSC (66 an der Zahl, die sich aber alle schon bequem über das Inhaltsverzeichnis finden lassen). Die meisten NSC-Beschreibungen werden wie auch die einzelnen Kapitel durch ein passendes Zitat aus den Romanen eingeleitet. Bevor wir zu den einzelnen Kapiteln kommen, sei darauf hingewiesen, dass das Buch so verfasst ist, dass keine Kenntnisse der Romane von Nöten sind. Dennoch sind die meisten Informationen in irgendeiner Form aus den Romanen entnommen, sodass Kenner der Romane vieles finden werden, was ihnen schon bekannt ist. Kommen wir nun also zu den einzelnen Kapiteln:
Kapitel 1: A History of Westeros Auf acht Seiten wird hier versucht, die Geschichte von Westeros darzustellen, was sehr gut gelingt. Die Darstellung beginnt dabei in der Urzeit, in der die First Men und die Children of the Forest noch auf Westeros lebten und arbeitet sich dann über die verschiedenen Invasionen und Auseinandersetzungen bis in die Zeit der Romane vor. Allein diese Beschreibung ist schon beinahe einen Kauf wert, da die Geschichte von Westeros und die Zusammenhänge der einzelnen Ereignisse sehr gut klar werden.
Kapitel 2: Westeros Culture In Kapitel 2 findet sich ganz ähnlich wie in Kapitel 1 eine Zusammenschau der wichtigsten Elemente der Kultur von Westeros: Gesetzen, Sitten, Sozialen Rängen, Handel und Wirtschaft, Legenden, und Religion ist jeweils ca. eine Seite gewidmet, in denen die Eigenarten von Westeros beschreiben werden. Etwas mehr Platz wird den Rittern und den Maestern eingeräumt. Das Kapitel wird durch die bereits aus dem Grundregelwerk bekannt zweiseitige Karte von Westeros abgerundet, die den gesamten Kontinent mit den wichtigsten Städten zeigt.
Kapitel 3-12: Die Regionsbeschreibungen Die Regionsbeschreibungen ähneln sich allesamt in ihrer Struktur, weshalb ich nur auf Besonderheiten eingehen werde. In jeder Beschreibung findet sich ein Ausschnitt aus der großen Westeroskarte, der die jeweilige Region zeigt. Die Regionsbeschreibungen selbst gliedern sich in einen kurzen Geschichtsüberblick, geographische Merkmale, eine Beschreibung des herrschenden Hauses und seiner Mitglieder und schließlich einem Überblick über die übrigen Adelshäuser der Region und ihre Mitglieder. Außerdem werden jeweils wichtige Themen für die einzelnen Regionen gesondert angesprochen. So enthält das fünfte Kapitel, das den Norden beschreibt, einen eigenen Abschnitt von 14 Seiten in dem die Night’s Watch, die Länder jenseits der Wall und die Wildlings beschreiben werden und das zehnte Kapiteln, in dem sich die Beschreibung des Reach findet, beinhaltet eine kurze Behandlung der Maester, die in Oldtown ausgebildet werden. Durch diese Beschreibungen fällt es leicht die Besonderheiten der einzelnen Regionen zu identifizieren. Die den Abschluss bildenden Beschreibungen der Häuser der Regionen unterscheiden sich je nach Haus sehr stark. Während einige Häuser mit nicht viel mehr als dem Namen und dem Rang beschreiben werden, wird anderen sehr viel mehr Platz eingeräumt. So wird z.B. für Haus Conklyn lediglich der Rang genannt und ein einzelner beschreibender Satz, während Haus Hightower mehr als eine halbe Seite erhält, inklusive Wappen, Ländereien, Sitz und Motto. Wenn es sich anbietet, werden teilweise auch NSC-Beschreibungen in die Hausbeschreibungen angefügt, so findet sich z.B. der Eintrag zu Brienne of Tarth direkt nach der Beschreibung von Haus Tarth. Betrachtet man das Platzverhältnis, so lässt sich grundsätzlich sagen, dass für die führenden Häusern der jeweiligen Regionen eine ausführliche Beschreibung vorliegt, die Beschreibung der übrigen Häuser aber nur selten über das bloße Nennen von Namen hinausgeht.
Kapitel 13: Beyond Westeros Das dreizehnte Kapitel nennt auf acht Seiten die wichtigsten Orte außerhalb von Westeros, wobei die Free Cities und die Dothraki Sea beinahe den gesamten Platz einnehmen. Die hier zu findenden Informationen reichen aber kaum aus um ein Abenteuer oder ähnliches in diesen Regionen anlegen zu können, aber es ist genug, um Charaktere aus diesen Regionen in Westeros auftreten zu lassen.
Kapitel 14: Exploring Westeros Wie schon das erste Kapitel ist auch das vierzehnte von besonderer Qualität. Hier finden sich die Informationen, die nötig sind, um dafür zu sorgen, dass sich Westeros wie das Westeros anfühlt, das G.R.R. Martin in seinen Romanen beschreibt und nicht wie irgendeine beliebige andere Mittelalterliche Welt. Dabei werden Hinweise gegeben, wie sich Orte oder Personen, die aus den Romanen bekannt sind, gut in die Handlung einflechten lassen, ohne dass dadurch den Spielercharakteren der Rang abgelaufen wird. Die Informationen wird ein erfahrener SL kaum benötigen, aber dennoch sind sie hier sicherlich nicht fehl am Platz. Besonders gut gelungen sind dagegen die sechs Seiten, die Anleitung geben, wie man die Stimmung von Westeros am besten einfangen kann. Dabei werden einzelnen Aspekten, wie z.B. Gewalt, Verschwörungen und Grausamkeit jeweils kurze Abschnitte eingeräumt, in denen beschreiben wird, wie diese Dinge sich in Westeros finden sollten. Den Abschluss bilden schließlich vier Seiten, in denen einerseits das Problem der Kontinuität zu den Romanen angesprochen wird und Vorschläge gegeben werden, wie mit der vorliegenden Handlung umgegangen werden. Schließlich werden noch einige Westeros-typischen Plothooks vorgeschlagen.
Roman und RollenspielDas Verhältnis zwischen dem Kampagnenband und den Romanen ist problematisch. Es fällt sehr deutlich auf, dass hier hauptsächlich Informationen aus den Büchern gesammelt und zusammengestellt wurden, damit Spieler und Spielleiter diese auf einen Blick haben. Eigene Inhalte, die nicht den Romanen entstammen sucht man im Großen und Ganzen vergebens. Bei diesem Vorgehen handelt es sich merklich um ein zweischneidiges Schwert. Einerseits braucht man sich keine großen Sorgen zu machen, dass irgendwelche Inhalte des Buches später durch die Romane widerlegt werden oder in irgendeiner anderen Form veralten. Andererseits fühlt man sich an einigen Stellen völlig allein gelassen und zwar so sehr, dass es schon frustrierend ist. Ein gutes Beispiel dafür ist die Beschreibung der Archmaester in Kapitel 10. Hier werden zwar acht Namen aufgelistet, aber die einzelnen Beschreibungen sind teils völlig unbefriedigend. Bei Archmaester Marwyn wird in der kurzen Beschreibung zumindest klar, dass er für die Kenntnisse der Magie zuständig ist, weshalb er auch eine Maske aus valyrian steel trägt und den Beinamen „Marwyn the Mage“ erhalten hat. Bei Archmaester Norren findet sich dagegen nur der Satz Norren sits beneath the electrum mask. Weder erfährt man, wofür diese Maske steht, noch irgendwelche näheren Informationen zu dieser Person. Ähnlich problematisch ist es bei vielen der kleineren Häuser, die eben auch nur einfache Namen sind und eigentlich auch unerwähnt bleiben könnten, da man mit diesen Informationen kaum etwas anfangen kann. Der Grund dafür ist gerade, dass in den Romanen irgendwo dieses Haus erwähnt wird, allerdings ohne auch nur eine geringfügige Rolle zu spielen. In einem Roman ist so etwas auch ohne Schwierigkeiten möglich aber für einen Kampagnenband ist es entweder überflüssig oder unzureichend.
FazitIch bin ,was die Beurteilung dieses Buches angeht, ein wenig gespalten. Einerseits sind die Informationen, die es enthält, alle von hoher Qualität und können beinahe umgehend verwendet werden. Schon beim Lesen juckt es in den Fingern, Loras Tyrell in einem Turnier gegen die Charaktere antreten zu lassen oder sich selbst an einer Intrige im Game of Thrones zu beteiligen. Andererseits ärgert man sich des Öfteren über die Informationen, die eben nicht enthalten sind. Leider wird durch das Vorgehen, wie am Maesterbeispiel gezeigt, teilweise eine Erwartungshaltung aufgebaut, die dann enttäuscht wird. Gleichzeitig bleiben dadurch Leerstellen, die man mit eigenen Ideen füllen kann ohne sich gänzlich von der Vorlage entfernen zu müssen. Für jemanden, der so oder so sein eigenes Westeros erschaffen will, sind diese Mängel vielleicht gar nicht so sehr als Mängel sondern eher als Möglichkeiten zu sehen. Die exzellenten Kapitel zu Beginn und Ende des Buches wiegen dieses Problem in meinen Augen aber mehr als auf, weshalb ich das Buch auch trotzdem mit 3,8 bewerte. Denn ohne Zweifel handelt es sich bei dem Campaign Guide um ein gutes Buch, das viele nützliche Informationen enthält und gut in die Welt von Westeros einführt.
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