Links zur Rezension Inhalt:Eigentlich sollte es für eine neunköpfige Marineeinheit ein Routineunternehmen werden, eine Forschungsstation auf dem Planeten Siberia zu kontrollieren. Doch der vermeintlich leichte Einsatz stellt sich als „Code-Red“-Mission heraus, bei der die Marines innerhalb von 24 Stunden zu einem Ergebnis kommen müssen. Die Forschungsstation inmitten der scheinbar ewigen Eiswüste ist allerdings verlassen und es dauert nicht lange, bis es zu seltsamen Todesfällen kommt.
Die Anspannung in der Mannschaft wächst wegen der mysteriösen Vorkommnisse und so steigert sich schleichend das Aggressionspotential, da niemand eine Ahnung zu haben scheint, was der eigentliche Grund ihrer Mission sein könnte. In einer Mischung aus typisch militärisch angehauchtem Macho-Gehabe, ausgetauschten Erinnerungen und aktuellen Konflikten zwischen den Akteuren, widmen sich die Dialoge eigentlich nur den Problemen auf der Forschungsstation. Doch nach weiteren tödlichen Zwischenfällen zeichnet sich ein Eklat ab, der unter Umständen in einer offenen Meuterei enden könnte, insbesondere da das Bodenkommando den Tod eines ihrer Kameraden bislang vertuschen konnte.
Und was hat es mit dem mysteriösen Unbekannten auf sich, der sich scheinbar ohne Schutzkleidung bei tödlichen Minustemperaturen im Freien bewegen kann? So steigert sich das Szenario, welches immer wieder von Traumbildern, Szenen aus „Der Meister und Magarita“, Fotos, Erinnerungsfetzen und anderen Versatzstücken unterbrochen wird einem vorläufigen Finale entgegen.
Schreibstil & Artwork:Der 1971 in Fontenay-aux-roses geborene Zeichner und Szenarist Richard Marazano widmete sich zunächst einem naturwissenschaftlich geprägten Studium mit den Schwerpunkten in Astrophysik und Wissenschaftsgeschichte, bevor er nach einigem Zögern seine eigentliche Karriere begann. Er arbeitete geraume Zeit im Atelier Sanzot, bevor er seinen großen Durchbruch 2004 hatte, als er mit dem Band “Cuervos“ in Angoulème für einen Preis nominiert wurde. Bekanntheit in Deutschland erlangte er insbesondere als Zeichner der erfolgreichen Reihe „Der Schimpansen-Komplex“, aber auch mit der Reihe „Eco Warriors“.
Eigentlich hat Marazano im ersten Band alles richtig gemacht und seine Gruppe von Marines in Szene gesetzt, die zunächst mit den üblichen Sprüchen und Macho-Gehabe brillierte, um dann langsam in einen recht intensiv und subtil aufgebauten Psychothriller hinein zu geraten. Hier knüpft Marazano im zweiten Band an, doch anstatt seine Akteure unter Druck zu setzen (schließlich bleibt ihnen nicht viel Zeit) lässt er sie endlos über den das weitere Vorgehen und ungeklärte Fragen diskutieren. Da muss ich mich ja doch ein wenig über die „Militärs“ wundern – Diskussionen bei einem Einsatz? Hier entgleitet dem Szenario die Spannung und bleibt weit hinter seinen aufgebauten Möglichkeiten zurück, auch wenn es hier und da einigen „Ärger“ gibt, der sich wohl oder übel nur mit Waffengewalt lösen lässt.
Von seiner Interpretation her für mich nach wie vor ungeklärt ist in diesem Zusammenhang der Roman „Der Meister und Magarita“ des russischen Autors Bulgakow, den Marazano in sein Szenario einbindet. Eines der großen Themen dieses Romans ist die Auseinandersetzung mit den menschlichen Werten wie Gut und Böse, Gott und Teufel, Leben und Tod. Dabei steht die Erlösung aller Beteiligten, deren freiwilliges Werkzeug auch der Teufel ist, im Mittelpunkt. Was Marazano aus diesem Ansatz für sein Szenario macht oder vielleicht noch machen möchte – ich kann es leider nicht erklären, auch wenn es ist eine überaus charmante Idee ist.
Der französische Zeichner und Szenarist Christophe Bec wurde am 24.04.1969 in der südfranzösischen Stadt Rodez geboren. Seit frühester Kindheit war Christophe Bec von Comics begeistert und so entstand in seiner Jugend das Fanzine „Esquiss“ mit einer bescheidenen Auflage, welches er in seiner Heimatstadt an den Mann zu bringen versuchte. Der Erfolg dieses kleinen Fanzine sollte sich allerdings erst 1990 einstellen, als es für den „Alp´art“ in der Kategorie „Bestes Fanzine“ auf dem Comic-Festival in Angoulême nominiert wurde. Noch im gleichen Jahr bestand er die Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule in Angoulême und traf dort einige andere talentierte junge Künstler, so zum Beispiel Eric Hübsch, Servain, David Prudhomme und Aristophane, die zum Teil entscheidenden Einfluss auf seinen eigenen Stil hatten.
Als erfolgversprechender Nachwuchskünstler unterzeichnete er 1992 nach seinem Studium einen Vertrag für den Verlag „Soleil“, bei dem auch 1993 der Band “Dragan - Les Geôles D'Avade“ erschien, der auf einem Szenario des überaus produktiven Autors Eric Corbeyran basierte. 1997 erschien in Zusammenarbeit mit Richard Marazano der erste Band von „Zéro Absolu“ und mit dem Szenaristen Xavier Dorison entstand 2001 der erste Band der Reihe „Santuaire“ („Heiligtum“), der sich zu einem Bestseller entwickelte. Im Jahr 2004 entstand der One-Shot „Anna“, nach einem Szenario von Stéphane Betbeder, den Christophe Bec bei dem kleinen Verleger „La Boîte à Bulles“ veröffentlichte. In 2006 folgte der apokalyptische Western-Reihe „Le Temps des Loups“ und in erneuter Zusammenarbeit mit Stéphane Betbeder der Militärthriller „Bunker“, dem 2007 die Reihe „Carthago“ und 2008 die Reihe „Prometheus“ folgte.
Im ersten Band habe ich Bec noch gelobt, mit seinen unterschiedlichen Perspektiven und Einstellungen und der Konzeption seiner Panels einen gewissen Spannungsbogen aufzubauen. Doch im zweiten Band ist von diesem grundlegend positiven Entwurf nicht mehr viel übrig geblieben. Von einem SF-Szenario mutiert dieser Band auf einmal zu einem seltsamen Kammerspiel, in dem sich die Akteure in einem Raum versammeln und endlos darüber diskutieren, wie es nun weitergehen soll. Bec präsentiert nunmehr seine nicht immer sehr galant in Szene gesetzten Porträts der Marines, die seltsam hölzern wirken und nur wenig Ausdruck besitzen. Die Farbgebung, das Spiel mit Licht und Schatten – hier schießt er endgültig über das Ziel hinaus, wenn er große Teile der Panels so dunkel gestaltet, das man als Leser Probleme hat die einzelnen Akteure zu erkennen oder sich zu orientieren.
Einige Lichtblicke gibt es aber in gewohnter Manier bei der Darstellung von technischen Einrichtungen, Ausrüstung und einigen größeren Panels, bei denen der Leser die Ausmaße der Station zu sehen bekommt. Wenn auch weiterhin inhaltlich etwas unverständlich, so sind für mich die zeichnerischen Einschübe mit Texten aus dem Roman von Bulgakow absolut gelungen, da sie durch ihre filigrane Eleganz bestechen und durch ihre monotonen Farben in ihren Bann ziehen.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungDie Qualität des Splitter Verlages gibt wieder einmal keinen Grund zur Klage: Für sein Geld bekommt man einen tadellos verarbeiteten und stabilen Hardcoverband, der mit seinem klaren Druckbild und der Beschaffenheit seines Papiers restlos überzeugt. In Sachen Ausstattung gibt es in diesem Band leider keine Extras, obwohl ich mir die Akteure der Einheit, so wie sie im ersten Band der Reihe als eine Art „Ausdruck“ aus den jeweiligen Personalakten nachempfunden war, auch in diesem Band gewünscht hätte, damit man sich als Leser bei den handelnden Personen besser zurecht findet. Die angenehm zu lesende Übersetzung stammt in diesem Band von Waldemar Kesel, der scheinbar Resel Rebiersch ersetzt hat, die für den ersten Band verantwortlich war.
Fazit:Die im ersten Band aufgebaute Spannung wird von Richard Marazano in zum Teil langatmigen und wenig aussagekräftigen Dialogen seiner Akteure zum Teil zunichte gemacht, bei denen auch die Bilder von Bec nicht mehr sonderlich helfen. Was sich in einer Art „Kammerspiel“ fortsetzen und entwickeln sollte, verstört den Leser durch endlose Wiederholungen, Belanglosigkeiten und den krampfhaften Versuch dem sozialen Gefüge innerhalb der Gruppe von Marines ein wenig mehr Tiefgang zu geben. Die noch im ersten Teil von mir durchaus gelobte bedrohliche Atmosphäre mit einer düsteren und beklemmenden Grundstimmung mag sich nicht mehr so ganz einstellen und so können auch einige unerwartete Geschehnisse und Wendungen nicht so ganz Schwung in das Szenario bringen. Da ist es zumindest tröstlich am Rande etwas mehr über die Hintergründe dieser Mission zu erfahren, auch wenn deren Geheimnis nach wie vor nicht vollends gelüftet wird.
Bec tobt sich als Zeichner weiterhin in den beeindruckenden Kulissen seiner Forschungsstation aus und gibt eine Fülle von Charakterstudien seiner Protagonisten. Allerdings hätte man den Panels einfach mehr Leben einhauchen können – noch einmal die Mischung aus dem ersten Band, wo Fotos, Bilder und sonstige Relikte des 20. Jahrhunderts wie selbstverständlich als „Verschönerung“ des Interieurs dienten, ist auf Dauer doch etwas anstrengend und bedauerlicherweise auch langweilig.
Leider bin ich in diesem zweiten Band immer noch auf der Suche, welche Bedeutung der Roman „Der Meister und Magritta“ des russischen Schriftstellers Michail Bulgakow in diesem Szenario spielt, gibt es doch auch weiterhin einige eindrucksvoll in Szene gesetzte Passagen aus diesem Roman zu erleben, die durchaus für schwächere Passagen des Szenarios entschädigen.
Bei diesem leider enttäuschenden zweiten Bandes bin ich fast schon nicht mehr auf die Fortsetzung gespannt. Insgesamt dürfte diese Reihe wahrscheinlich nur eine Kaufempfehlung für hartgesottene Fans von Bec sein, der als Zeichner ein nur schwer zu durchschauendes Szenario in recht passable Bilder umsetzt.
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