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Marzi 1 - 1984-1987
Bewertung:
(4.5)
Von: Gordon Gurray
Alias: Talamar
Am: 17.09.2012
Autor:Sylvain Savoia, Marzena Sowa
Übersetzer:Michael Leimer
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Polen in den 80er Jahren
VerlagPanini Comics
ISBN/ASIN:978-3-86201-401-9
Inhalt:224 Seiten, Softcover, US-Format, US-Originale: Marzi - L'Intégrale 1 - La Pologne vue par les yeux dune enfant
Preis:24,95 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

"Ich bin Marzi, Jahrgang 1979, zehn Jahre vor dem Ende des Kommunismus in Polen zur Welt gekommen. Mein Vater arbeitet in der Fabrik, meine Mutter in einem Milchladen. Die sozialen Spannungen werden immer schlimmer. Leere Regale sind unser täglich Brot. Ich habe wahnsinnige Angst vor Spinnen und die Welt der Erwachsenen scheint auch kein Zuckerschlecken zu sein"

 

20 Jahre nach dem Fall der Mauer erzählt Marzena Sowa von ihrem Leben in Polen zu Zeiten des Kommunismus. In Zusammenarbeit mit ihrem Lebenspartner, dem französischen Comic-Zeichner Sylvain Savoia, entstand die Graphic Novel MARZI. Sie schildert die Ereignisse jener Jahre aus dem unschuldigen Blickwinkel eines Kindes. Ganz egal, wie der wirtschaftliche, politische oder soziale Hintergrund gewesen sein mag, schreibt Sylvain Savoia, es gibt immer etwas Charakteristisches in jenem Abschnitt unseres Lebens, das wir ganz schrecklich vermissen, wenn wir erst einmal groß sind.

 

Schreibstil & Artwork:

Marzi ist eines jener Graphic Novels das ich zunächst gar nicht lesen wollte, weil mir der Zeichenstil auf den ersten Blick überhaupt nicht gefiel. Letztendlich habe ich das Buch dennoch bekommen und gelesen und bin heute froh darüber, denn Marzi entpuppte sich für mich als eine versteckte Perle, ein kleines Juwel aus dem reiche der Graphic Novels.

Die Inhaltsangabe oben habe ich bewusst global gehalten, denn den Inhalt von Marzi wiederzugeben ist schwer, da es sich um einzelne kurze Episoden, oft nicht mehr als ein oder zweiseitige Clips handelt, die aus dem alltäglichen Leben von Marzi und ihrer Familie im kommunistischen Polen der 80er Jahre berichten. Das alles immer aus der Sicht der kleinen Marzi, die alles mit großen kullernden Kinderaugen sieht und viele "Erwachsenen-Dinge" gar nicht verstehen kann. Dabei gelingt es den beiden Autoren - Sylvain Savoia und Marzena Sowa (Letztere keine geringere als die Erwachsene Marzi selbst und Ersterer ihr Lebensgefährte und Comiczeichner von Beruf) - den kindlichen Blick der kleinen Marzi auf die Erwachsenenwelt perfekt einzufangen. Gut, das ist auch kein Wunder, denn schließlich hat Marzena Sowa das alles auch tatsächlich erlebt, aber sich allein schon an so viele Dinge aus der Kindheit zu erinnern, hat es schon in sich. Auf der anderen Seite hat Sylvain Savoia seiner Lebensgefährtin sehr gut zu gehört und schafft es diese oft bedrückenden Kindheitserinnerungen in einer sehr humorvollen Art und Weise niederzuschreiben und dem Leser zu präsentieren. Ja genau, humorvoll... denn Marzi ist mehr als witzig und das obwohl die Thematik oft wirklich beklemmend und gruselig ist. Überhaupt wird die Situation der normalen polnischen Arbeiterschicht in dieser Zeit sehr greifbar und glaubwürdig erzählt. Menschen die eiskalte Nächte durch in Schlangen anstehen um einen Sack Kartoffeln, ein paar Orangen, ein Stück Fleisch oder ein paar Liter Benzin zu ergattern. "Fröhliche" Volksfeste an denen Teilnahme die Menschen gezwungen werden, radioaktive Bedrohung durch Tschernobyl. Alles Themen, die hier ernsthaft behandelt werden, allerdings eben immer aus der Sicht des Kindes.

Das Alles funktioniert hervorragend. Marzi macht von der ersten Seite unglaublich viel Spaß, schon allein weil man die Kleine sofort ins Herz schließt. Die Geschichten sind wie gesagt recht kurz, nur die wenigsten habe mehr als ein paar Seiten, aber dennoch sind die Stories unglaublich vielschichtig und komplex.

 

Optisch ist Marzi so eine Sache. Wie ich Eingangs sagte, gefielen mir die Artworks auf den ersten Blick überhaupt nicht, was wohl daran liegt, das sie sehr einfach und cartoonhaft gehalten sind. Doch dieser erste Schein trügt tatsächlich, denn die Illustrationen von Marzi passen einfach perfekt zu den Erzählungen und der Sichtweise aus der diese Geschichten erzählt werden. Wenn man diese beiden Elemente zusammen betrachtet, dann entfaltet Marzi auch hinsichtlich der optischen Präsentation sehr viel Charme, auch wenn der Cartoon-Charakter nie von der Hand zu weisen ist. Das zeigen auch die Panels, die sehr ordentlich und stets quadratisch gesetzt sind.

 

Darüber hinaus ist "Marzi 1" ein echter Wälzer von starken 224 Seiten in einem solide gebundenen Hardcover-Buch, das durchweg hoch professionell produziert wirkt. Das verwendete Papier ist zwar nicht Hochglanz (was auch nicht nötig wäre), dafür aber schön dick.

 

Fazit:

"Marzi" ist einer jener Überraschungs-Hits für mich, denn eigentlich fand ich dieses letztendlich faszinierende Graphic Novel zunächst vollkommen uninteressant. Glücklicherweise habe ich das Buch dann aber doch in die Finger bekommen und kam aus dem Lachen und Schmunzeln nicht mehr heraus. Marzi ist traurig, bedrückend, beängstigend, aber auch unglaublich witzig und humoristisch. Darüber hinaus gibt dieses Graphic Novel einen tiefen und vielschichtigen Einblick in die karge fast hoffnungslose Lebensweise der polnischen Bevölkerung unter dem Kommunismus in den 80er Jahren. Das Ganze perfekt aus der Sicht eines kleinen Mädchens mit großen Kulleraugen erzählt. "Marzi" gehört definitiv in jedes Buchregal, vor allem dann wenn man anspruchsvolle Graphic Novels mag! Geheimtipp!