„Maschinengeist“ ist ein bei Feder & Schwert in der Reihe Steampunk erschienener Krimi im Steampunk-Ambiente aus der Feder von Autorin Chris Schlicht mit 431 Seiten Umfang zum Preis von 13,99 Euro.
Schauplatz ist der verschmolzene Komplex der Städte Frankenfurt und Wiesbaden im Jahr 1899, in dem der Privatermittler und ehemalige Polizist Peter Langendorfer es gleich mit drei Fällen zu tun bekommt. Sein Ruf zeichnet sich dadurch aus, dass er auch an Orte gehen kann, wo sich Polizei und andere Detektive, wie die Pinkertons, nicht hin trauen. Ihm zur Seite steht sein Bruder Paul, der Architekt ist – oder besser war. Eines seiner Wohnhäuser ist eingestürzt und er wurde zum Sündenbock gemacht. Gleich der erste Fall für das Brüderpaar. Der eigentlichen Fall kommt vom Großindustriellen Baron von Wallenfels, welcher ein neuartiges Luftschiff baut, welches durch ständige Sabotageakte gefährdet ist. Die Pinkertons haben dahinter eine Sekte ausgemacht, deren Mitglieder oft aus „gewissen Vierteln“ kommen – und da sich Langendorf gut auskennt … Der dritte Fall betrifft die Halbschwester des französischen Künstlers de Cassard. Diese soll ebenfalls in Kreise abgerutscht sein, die in gewissen Vierteln verkehren.
Chris Schlicht zeichnet ein anderes Bild als typische Steampunk-Werke. Wo normalerweise ein positives Technikbild gezeichnet wird, zeigt Schlicht die negativen Seiten auf. Schlicht übernimmt, teils überzeichnet das Bild der historischen Industrialisierung und zeigt auf, dass Menschen von der Großindustrie nur als Humankapital gesehen werden.Dazu kommen geringe Löhne und prekäre Wohn- und Lebensverhältnisse. Gespart wird an Bausubstanz, wo immer es möglich ist, Fabriken entsorgen ihre Gifte direkt im Fluss und das Entstehen von mutierten, infizierten Riesenratten stört auch nur, wenn diese in reichere Viertel vordringen. Statt „viktorianisch“ geht es „wilhelminisch“ zu, das deutsche Beamtentum findet sich im Buch an mehr als einer Stelle wieder und auch der Besuch des Kaisers ist angekündigt.
Der Paragraph 175 ist noch gültig und wird aktiv verfolgt. Auch Schlicht thematisiert dies, denn Paul ist homosexuell, konnte dem aber bisher nur für sich selbst nachgehen. Im Verlaufe des Romans findet er eine Liebschaft und das – zugegeben kleine – Umfeld reagiert unglaublich tolerant. Schade eigentlich, hier hätte sich ein weiterer interessanter Strang ergeben können und das im Buch oft angedeutete (durch Gedankengänge von Peter) stärker herausarbeiten lassen. Stattdessen dachte ich manchmal „typischer Frauenroman“ und war hinterher selbst etwas verdutzt, dass hinter dem Vornamen „Chris“ ein weiblicher Autor steckt.
Technik dient Schlicht eigentlich nur als MacGuffin. Na klar geht es um die Zerstörung eines Luftschiffs bzw. die Verhinderung dessen, aber ein Flugzeug, Boot oder der neueste I-Pod hätten es wohl auch getan. Äther löst gerade Dampfkraft ab, aber auch hier erfährt man nur, dass alles kleiner wird: Äther als Äquivalent zur Mikroelektronik, sozusagen Mikrodampftechnik.
Insgesamt entspannt Chris Schlicht einen spannenden Kriminalroman mit geschickt ineinander verwobenen Fällen in einer – auch für Steampunker - ungewöhnlichen Welt. Wer gerne Krimis in ungewöhnlichen Settings liest (das gilt für mich) oder sich für eine eher pessimistische Steampunktwelt interessiert, bekommt hier gute Kost.
Wertung 3,6.
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