Der äußere Eindruck
Mit insgesamt 152 Seiten präsentiert sich der erste Quellenband für das Rollenspiel „Finsterland“ und erscheint ebenfalls, wie das Grundregelwerk, als solide gebundene Hardcover-Ausgabe, die in Sachen Qualität und Verarbeitung einwandfrei ist. Die Cover-Gestaltung – welche förmlich mit seinem Bild den gesamten Band umschließt - gibt nicht unbedingt Aufschluss über den Inhalt, aber das Magie oder magische Elemente eine zentrale Rolle spielen, dürfte nicht nur einem erfahrenen Rollenspieler auffallen.
Das Layout ist wie im Grundregelwerk durchgehend schwarz-weiß und zweispaltig im Aufbau, wobei man die Gliederung der Kapitel und Abschnitte ähnlich übersichtlich gestaltet hat. Wie bereits beim Grundregelwerk ist die Gestaltung beim Spaltenumbruch etwas gewöhnungsbedürftig, da erneut die Kapitelüberschriften zwar deutlich hervorgehoben sind, das Auge dem Verlauf der Spalten aber nicht so recht folgen mag. Ansonsten bekommt man ein sauberes und klares Druckbild mit einem angenehm zu lesenden Schrifttyp. Hier und da wären sicherlich einige besonders hervorgehobene Textkästen hilfreich gewesen, um grundlegenden Mechanismen oder Regeln dar- und vorzustellen.
Die Illustrationen von Eleonore Eder, Chris Gmeiner, Stefan Fädler, Lukas Hofreiter und Sonja Nowak stimmen passend auf die magische Thematik des Bandes ein und geben ein recht passablen visuellen Eindruck über Personen oder unterstreichen den Text mit passenden Darstellungen. Natürlich handelt es sich hier wiederum um Bilder von Semiprofessionellen Zeichnern, deren Qualität nicht unbedingt an das hohe Niveau manch anderer Produktionen heranreicht, sich aber auch nicht gänzlich zu verstecken braucht. Ein brauchbarer und recht umfassender Index am Ende des Bandes rundet den durchweg guten Gesamteindruck ab.
Der Inhalt
In insgesamt 8 Kapiteln gibt es für den Leser einen groß angelegten Ausflug in die Welt der Magie von „Finsterland“, die zwar im Grundregelwerk erklärt, aber bei weitem mehr zu bieten hat.
Einleitung
Nach einer Kurzgeschichte, deren zentrales Thema natürlich Magie ist, geht es zur Einleitung des Bandes, die kurz den Inhalt umreißt als auch Hinweisen auf passende Literatur dazu einlädt, sich bei recht unterschiedlichen Schriftstellern sich inspirieren zu lassen. Nicht unwichtig ist ein Verzeichnis der spieltechnischen Abkürzungen als auch ein Glossar gängiger Begriffe.
Ein Leben als Magier
Magier werden nicht als solche geboren, sondern müssen mühsam die Herrschaft über die Künste der Magie erlernen. Wohin einen die Ausbildung zum Magier treiben kann, schildert der Abschnitt über die Arten der Magier, die in ihrer Bandbreite vom akademischen Magier, den Hofzauberer über den Militärmagier bis hin zum Konsulenten reicht (ein freischaffender Magier, der Bürgern gegen Honorar zur Verfügung steht). Natürlich gibt es auch Magier ohne eine „klassische Ausbildung“, die man weitläufig unter den Begriffen Druiden, Hexen oder Schamanen im Finsterland findet. Doch auch Geisterbeschwörer dürfen ebenso wenig fehlen, wie Okkultisten mit ihren manchmal exzentrischen An- und Absichten.
Um Magie zu erlernen bedarf es aber nicht nur Talent und Fleiß, sondern es Bedarf auch einer Motivation, die im Abschnitt „Ziele“ eingehend vorgestellt wird und beispielhaft einige Aspekte aufzeigt. Da Magier wegen ihrer außergewöhnlichen Gabe auch über hohe Macht verfügen, gibt es in Finsterland eine ganze Reihe von Rechten und Pflichten für Magier. Eine Zusammenstellung dieser Bestimmungen und Pflichten dürfte nicht nur für den Spieler interessant sein, sondern kann auch einem Spielleiter manch interessante Inspiration geben.
Zum Leben eines Magiers gehört es auch, Meinungsverschiedenheiten unter Umständen mit Gewalt auszutragen. So gehören auch magische Duelle mit anderen Magiern zum normalen Selbstverständnis in der Welt von Finsterland. Den Abschluss des Kapitels bildet ein Abschnitt über das magische Weltbild, welches den Leser mit einem Einblick in die Sphären der Magie versorgt als auch in das Weltbild der Druiden, Schamanen und Hexen einführt. Hier gibt es einiges brauchbares an Hintergrundwissen nebst den philosophischen Aspekten der Magie zu entdecken.
Berühmte Magier
In diesem Kapitel werden exemplarisch einige bedeutende als auch zum Teil wichtige Magier von Finsterland vorgestellt. Neben einem Überblick über deren Leben und Wirken gibt es zu jedem Magier auch zwei passende kurze Aufhänger für eigene Abenteuerideen zum jeweiligen Hintergrund. Die Darstellungen sind kurz und knapp, bieten allerdings genügend Material um sich ein recht gutes Bild der großen Bandbreite von Magiern zu machen.
Magische Universitäten
Diese Einrichtungen sind in Finsterland nichts Ungewöhnliches und gehören gemeinsam mit den eher weltlichen Universitäten zu den allgemeinen Bildungseinrichtungen. Natürlich ist eine magische Universität ein Mikrokosmos mit Rängen, Titeln und einer ganzen Fülle von speziellen Bezeichnungen. Entsprechende Abschnitte geben einen guten Einblick in den universitären Betrieb als auch genügend Ansatzpunkte für eigene Ideen.
In einem weiteren Abschnitt werden wichtige magische Universitäten des Finsterlandes vorgestellt, zu denen beispielsweise der Marseburger Verlag für Magische Literatur und Schriften, Das Hohe Kaiserliche Seminar für Elemantare Magie als auch das Sündheimer Institut für Hydromatik gehört. Hier gibt es Informationen über Studienschwerpunkte, Aufnahmeritus, wichtige Verbindungen als auch jeweils passende Aufhänger für Abenteuer.
Natürlich existiert in Finsterland auch eine ganze Reihe von Geheimorden, die sich der Magie oder deren Wissen verschrieben haben. Wer Interesse an diesen zum Teil recht elitären Gemeinschaften hat oder einfach auf der Suche nach interessanten Hintergrundinformationen ist, der dürfte in diesem Abschnitt auf seine Kosten kommen.
Wer immer noch keine Ahnung hat, was er mit Magie in Finsterland anstellen kann, der sollte sich im Abschnitt „Magische Experimente“ umschauen, da es hier beispielsweise einiges über Alchemie, Homunculi, Menschenopfer, Nekromantie, Merkurische Magie als auch mit Magie als militärischer Waffe zu lesen gibt und eine echte Fundgrube für ziemlich abgedrehte Ideen ist.
Einen Magier spielen
Wer einen Magier spielen möchte, sollte auch dessen Stärken und Schwächen kennen, damit er das volle Potential seines Charakters nicht nur für sich sondern auch in der Gruppe nutzen kann. Im ersten Abschnitt des Kapitels gibt es hierzu einige gute Hinweise als auch über die Besonderheiten, die man als Magier beachten sollte, insbesondere einen prägenden Satz: Magie soll besonders sein! Vollständig ausgearbeitete Beispielcharaktere geben unter Umständen dem unschlüssigen Spieler weiterhin brauchbare Hinweise für die Ausgestaltung eines eignen Charakters.
Kernstück dieses Kapitels sind sicherlich die Magiespezialmanöver, da in diesem Band elf weitere Typen von Zauberei vorgestellt werden, welche die vier bereits aus dem Grundregelwerk bekannten ergänzen. Hierzu gehören: Alchemistenmagie, Betörungsmagie, Beherrschungsmagie, Geistermagie, Heilungsmagie, Illusionsmagie, Naturmagie, Schattenmagie, Telekinese, Tiermagie und Wahnehmungsmagie. Bedingt durch ihren meist akademischen Hintergrund gibt es für Magier noch einige mehr oder weniger hilfreiche Wissensspezialmanöver.
Die Organisationen der „klassischen“ akademischen Magier sind bereits durch das Grundregelwerk abgedeckt, so dass sich in diesem Kapitel Ausführungen zu den Organisationen „Druidenzirkel“, „Magische Inspektion“ und „Okkultistenbünde“ befinden.
Den Abschluss bildet ein kurzer Abschnitt über weitere Möglichkeiten Magie im Spiel einzusetzen, sei es als „Freie Magie“, Nutzzauber, Alchemistische Präparationen oder die bereits erwähnten Magische Duelle.
Spielleiten für magische Gruppen
Wer einen oder vielleicht sogar noch mehr magiebegabte Charaktere in seiner Runde hat, sollte auch darauf achten, diese mit entsprechenden Abenteuern und Kampagnen zu versorgen und so wundert es nicht, das dieser Abschnitt auch mit entsprechenden Ansatzpunkten für solche Kampagnen aufwarten kann. Hier gibt es aber auch für Spieler und Spielleiter eine wahre Fundgrube, die sich mit magischen Strafen, Artefakten, Ritualen, magischen Materialien als auch magischen Orten beschäftigt.
Gegner
Wer sich mit Magie beschäftigt benötigt auch entsprechende Gegner. Das gleichnamige Kapitel bietet dem ambitionierten Spielleiter eine ganze Fülle von Kreaturen, Wesen und Gestalten, die zum Teil ebenfalls mit Magie aufwarten können und auch in nicht-magischen Abenteuern eingesetzt werden können.
Wichtig sind natürlich Dämonen und Dämonenfürsten, als auch Golems, Homunculi, Merkurier (Wesen aus intelligentem Quecksilber), Svartaffen, Elementare als auch eine ganze Reihe von okkulten Experimenten zum Herstellen von lebenden Leichnamen, Sklaven oder einfach nur einer Todesmaschine. Interessant sind allerdings auch Hexenjäger, Folterknechte so wie Kultisten, Hexen und einige andere, eher exotischere Kreaturen.
Beispielabenteuer
Das Beispielabenteuer „Der Herr der Sphären“ bietet ein absolut magie-lastiges Szenario in fünf Teilen, in dem die Charaktere zunächst eine junge Dame vor einigen aufdringlichen Trunkenbolden retten. Natürlich liegt der Schwerpunkt des Abenteuers im Bereich der Magie, von der man dann auch eine ganze Menge geboten bekommt. Durch seine recht geradlinige Konzeption dürfte sich dieses Abenteuer vor allem an Einsteiger richten, die noch ein wenig mit dem Rollenspiel und dessen Raffinessen hadern, für altgediente Veteranen vielleicht eher eine kleine Abwechslung, die einiger Anpassungen durch den Spielleiter bedarf.
Hier gibt es in Sachen Ausstattung und Beschreibung allerdings keine Kritikpunkte, da Zeichnungen der Handlungsorte und der Aufbau des Abenteuers mit seiner kompletten Struktur kaum Fragen offen lässt.
Fazit:
Dieser Band versorgt ambitionierte Magier und Hexer des Finsterlandes mit reichlich Material, um neue Zauber zu erlernen und bestehende Künste zu verfeinern. Wer allerdings meint, er könne jetzt vor lauter Zusatzregeln und Ergänzungen die Ausführungen des Grundregelwerkes vergessen, der täuscht sich gewaltig. Hier werden wirklich notwendige Ergänzungen und Ausführungen gemacht, die sowohl Spielern als auch dem Spielleiter helfen, magischen Charakteren einen wesentlich detaillierteren Hintergrund als auch mehr Wissen über die Magie in Finsterland zu geben.
Auch wenn es sich hier um eine Fan-Produktion einiger österreichischer Enthusiasten handelt, die hier und da auch kleinere Unstimmigkeiten aufweist, so kann ich dieser Produktionen nur in voller Gänze gratulieren, da sie zeigt, dass man nicht unbedingt schwere und gewichtige Bände auf den Markt bringen muss, welche die komplette Welt beschreiben und regeltechnisch alles bis ins kleinste Details geregelt haben, sondern es noch Spieler und Spielleiter gibt, die einen rudimentären Ansatz durchaus zu schätzen wissen, den sie dann mit eigenen Ideen füllen können. Zudem erhält mit diesem Band auch die im Grundregelwerk etwas zu kurz gekommene Magie ihren Platz in der Welt von Finsterland.
Für mich ein stimmige und sinnvolle Ergänzung der neue phantastischen Welt von Finsterland, die sich anschickt mit einer Mischung aus Magie, Steam-Punk und einem Hauch Savage-Worlds die Spieltische für sich einzunehmen.