Links zur Rezension Inhalt:Eine Biographie als Comic dürfte nichts ungewöhnliches mehr sein – ungewöhnlich dürfte aber sicherlich die Protagonistin dieses Comics sein, deren außerordentliches Leben erstmals in dieser Form erzählt wird:
Olympe de Gouges wurde 1748 geboren und wuchs in Montauban in Südfrankreich auf, einer einstigen Hochburg der Hugenotten, das zu dieser Zeit von einem konservativen Geist beherrscht war und nicht unbedingt vom Gedankengut der Aufklärung. Wahrscheinlich war Olympe de Gouges die nichteheliche Tochter des adeligen Literaten Jean-Jacques LeFranc, der später als Marquis de Pompignan bekannt wurde, sich aber zeitlebens nicht offiziell zu ihr bekannte.
Mit 17 Jahren heiratete sie Louis-Yves Aubry, einen Verwalter und brachte ein Jahr später einen Sohn zur Welt. Ihr Ehemann verstirbt kurz Zeit nach der Geburt des Sohnes Pierre und dies dürfte eine Erlösung für Olympe gewesen sein, da sie schwer unter ihrer unglücklichen Ehe litt.
Sie lernte den Transportunternehmer Jacques Biétrix de Rozières kennen und zog mit ihm nach Paris. Sie weigerte sich, eine zweite Ehe einzugehen und war über viele Jahre hinweg die Lebensgefährtin von Jacques Biétrix de Rozières, der für ihren Lebensunterhalt sorgte und ihr den Status einer gutsituierten Bürgerin ermöglichte. In Paris begeisterte sie sich rasch für die Ideen der Aufklärung und begann an ihrer intellektuellen Entwicklung zu arbeiten, da sie kaum lesen und schreiben konnte, um wenige Zeit später bereits Theaterstücke Wandzeitungen, Pamphlete und offene Briefe, in denen sie ihre politische Meinung kundtat, zu verfassen.
Mit dem Ausbruch der Revolution 1789 engagierte sie sich in den entstehenden Frauenclubs und besuchte häufig die Sitzungen der Jakobiner. Sie wagte es sich öffentlich zu äußern, insbesondere als es um die Rechte der Frauen, die Verteidigung der Republik und die ungerechtfertigten Hinrichtungen geht. Ein Höhepunkt ihres Schaffens dürfte zweifelsohne die von ihr 1791 vorgelegte „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“, die sie der „Erklärung der Menschen und Bürgerrechte von 1789" entgegenhielt und mit dem sie den für vermeintlich natürlich angesehenen Ausschluss der Frauen aus dem politischen Leben anprangerte.
Am 30.10.1793 wurden in Frankreich alle „Clubs und Vereine von Frauen“ verboten. Zu diesem Zeitpunkt wurde de Gouges bereits einige Monate gefangen gehalten, nachdem sie zuvor kritische Schmähschriften gegen Robespierre und Marat veröffentlicht hatte. Sie wurde wegen ihrer kritischen Schriften und ihrer politischen Meinung letztlich zum Tod auf dem Schafott verurteilt und am Nachmittag des 03.11.1793 hingerichtet.
Schreibstil & Artwork:Der Schriftsteller, Journalist und Szenarist José-Louis Bocquet wurde am 28.08.1962 in Neuilly-sur-Seine geboren und war eigentlich schon immer ein erklärter Comic-Fan. Mit 13 Jahren soll er sein erstes Fanzine herausgebracht haben. Danach hat er im Bereich Comics fast alles gemacht: er war Händler, Lektor, Kritiker und Autor. Als Szenarist hat er bei Verlagen wie Dupuis, Albin Michel, Glenat, Casterman und anderen veröffentlicht. Für „Kiki de Montparnasse ", welches das Leben der französischen Sängerin, Schauspielerin, Modell und Malerin Alice Ernestine Prin porträtiert, erhielt er 2007 den „Grand Prix RTL de la bande dessinée“ und auf dem Internationalen Comicfestival von Angoulême im Jahr 2008 den „Prix Essentiel Fnac/SNCF“.
Catel Muller wurde in Straßburg geboren, wo sie später auch Kunst studierte. Seit 1990 arbeitet sie als Illustratorin für Romane und Kinderbücher, wobei sie mittlerweile auch verschiedene Comicstoffe für Erwachsene gezeichnet hat, zum Beispiel „Le Sang des Valentines" über den ersten Weltkrieg. Gemeinsam mit José-Louis Bocquet veröffentlichte sie die Graphic Novel „Kiki de Montparnasse", die bislang ihr größter Erfolg war.
Wie bereits bei „Kiki de Montparnasse“ sind auch die Zeichnungen in diesem Band durchweg mit einem sehr weichen Strich gezeichnet und bestechen durch ihren angenehmen Schwarz-Weiß-Kontrast. Muller verzichtet gänzlich auf jeglichem Modernismus im Aufbau der Panels und bleibt in einem geradezu klassischen Aufbau behaftet, der allerdings den Lesefluss nachhaltig unterstützt und die zum Teil immer wieder pointenreichen und aussagekräftigen Texte Bocquets zur Geltung bringt.
Qualität, Ausstattung & Übersetzung:In Sachen Qualität braucht (und kann) sich dieser schwergewichtige Band, der es immerhin auf 464 Seiten bringt, aus der Reihe der Splitter Books nicht zu verstecken: Eine solide gebundene Hardcoverausgabe mit Schutzumschlag im gewohnt handlichen Format, die sowohl durch die Verarbeitung als auch durch das verwendete Material einen überaus positiven Eindruck hinterlässt. In Sachen Ausstattung gibt es auf 50 Seiten die Biografien der Haupt- und Nebenfiguren bei Olympes Revolution nebst ihren Porträts in der Reihenfolge ihres Auftritts. Wer also Lust bekommt, mehr über die einzelnen Akteure zu erfahren, dem sei dieser Streifzug durch die französische Geschichte auf jeden Fall empfohlen. Aber auch dem nicht so profunden Kenner dürfte dieser Anhang mit Sicherheit bei dem einen oder anderen Prominenten weiterhelfen. Die gelungene Übersetzung stammt von Resel Rebiersch und das Lettering besorgte Sven Jachmann. Insgesamt also eine handwerklich vorbildliche Ausgabe, die ihren Preis auf jeden Fall wert ist.
Fazit:Bei einem solch umfangreichen Band mit rund 464 Seiten ein Fazit zu ziehen ist kein leichtes Unterfangen. Der Leser bekommt auf jeden Fall nicht nur eine überaus kurzweilige Biographie, sondern auch ein recht intimes Sittengemälde der damaligen Zeit geliefert, so dass man sich selbst als Mann verwundert die Augen reiben muss, wenn man die Rolle der Frau Ende des 18. Jahrhunderts betrachtet.
Natürlich füllt José-Louis Bocquet einige Lücken im Lebenslauf von Olympe de Gouges mit seiner eigenen Fantasie und seinen eigenen subjektiven Eindrücken, doch muss man ihm zugute halten, immer wieder sehr dicht an der historisch verbürgten Persönlichkeit von de Gouges zu bleiben und so ein insgesamt überaus authentisches Bild einer außergewöhnlichen Frau zu bieten. Unterstützt wird diese bravourös erzählte Geschichtsstunde mit den einfachen aber ausdrucksstarken Bildern von Catel Muller, die den Leser mühelos durch die Jahre eines unsteten Lebens mitnimmt und mit gelungenen Perspektiven und Einstellungen in ihren Panels überzeugt.
Weniger ein Lehrstück über die Geschichte der Emanzipation als vielmehr das Bild einer Frau, die für ihre Ideale und Anschauungen eingestanden ist, selbst auf die Gefahr, für diese Einstellung mit ihrem Leben zahlen zu müssen. Für mich ein weiterer absolut gelungener Ausflug in die feminine französische Geschichte, die bereits mit „Kiki de Montparnasse“ einen wundervollen Einstieg machte und eine absolute Empfehlung.
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