Inhalt(Vorsicht Spoiler!!!)Cooool! Das Cover hat schon mal was von Star Wars – eine Raumschlacht mit Fightern, „Sternenzerstörern“, Lasern und Co. Das macht richtig Spaß! Zum Umschlag kann man sonst sagen, dass es ein klassisches Traveller-Cover ist – keines der ganz klassischen schwarzen, sondern eines der oben und unten schwarzen mit einer breiten Cover-Illu in der Mitte, wodurch man erkennt, dass es sich um Quellenmaterial zum Dritten Imperium handelt. Stichwort Illus: Wie immer bei Traveller gibt es Illustrationen der unterschiedlichsten Künstler und Stile – für mich ist dieser wilde, fast abenteuerliche, Mix mittlerweile fast schon ikonisch für Traveller. Irgendwie weisen die Zeichnungen alle eine fast schon amateurhafte old-schoolige Stimmung auf, die ich ganz gerne mag, wo aber vermutlich 95% der heutigen Rollenspieler beleidigt ausspucken und sich lieber ein paar Pathfinder-Sachen ins Regal stellen.
Ich erwähne es nur pro forma: Es gibt zwei schwarze Lesezeichen.
Zurück zum Reft Sektor: Dieser Abschnitt des Traveller-Universums enthält zwei Sternengruppen, die durch einen breiten Graben geteilt sind. In diesem Graben wiederum gibt es zwei Subsektoren mit vielen Sternen. Gerade die beiden letzten Subsektoren geben dem Setting ihre Würze, da sie vor langer Zeit von der Erde aus besiedelt wurden und danach kaum noch Kontakt mit dem Rest des Universums hatten. Ich stehe ja auf Abschnitte zur Genese bestimmter Rollenspielmaterialien – und so erfährt man zu diesem Band, dass die Insel-Subsektoren erstmals 1981 in einem Traveller-Abenteuer erschienen, das ein fast reines Kriegsspiel-Szenario zwischen den Mächten der Inseln darstellte.
Und so möchte ich auch diese Rezi von hinten aufzäumen, denn im letzten Kapitel „Abenteuer im Reft Sektor“ gibt es auf nur 6 Seiten geballte Hinweise zum Spielen im Reft Sektor. (Herrje! Mein Gehirn will beim Tippen immer unbewusst einen Bindestrich einfügen.) Das Hauptaugenmerk liegt hier auf Militärkampagnen mit den unterschiedlichen Phasen „Kalter Krieg“, „Scharmützel“, Begrenzter Krieg“, „Totaler Krieg“ „Verzweiflung“ und den einzelnen Vorkommnissen, die es während der Phasen besonders häufig geben wird. Beispiel: Im Kalten Krieg kommen besonders oft diese Elemente vor: Sabotage, Spionage, leugbare kleine militärische Operationen und gelegentliche Operationen kleiner Schiffe. Finde ich sehr clever in ein System gepresst, auch wenn man natürlich über Einzelheiten vortrefflich streiten könnte. Im Anschluss werden kurze Tipps zum Spiel unterschiedlicher Schwerpunkte gegeben: Freihändler, Militär/Marine, Diplomatie/Spionage/Verbrechen und Erkundung/Wissenschaft.
Nachdem ihr nun wisst WAS man alles spielen kann schildere ich auch gerne noch WO man nun überhaupt spielt. Die ersten 12 Seiten geben einfach noch mal einen kurzen Überblick über das Traveller-Universum, wohl um das vorliegende Hintergrundmaterial besser in den Kontext setzen zu können; danach folgen 19 Seiten ganz allgemein zum Reft-Sektor und seinen Besonderheiten. Die Grundvoraussetzung muss ich einfach mal zitieren: „Der Reft Sektor ist eine astrographische Kuriosität. Er enthält zweierlei Gruppen von Sternen, die bei annähernd normaler Dichte von einem Graben getrennt werden. Ein Großteil dieses Grabens ist vollkommen leer…, aber tief in seinem Inneren befinden sich zwei relativ dicht besiedelte Subsektoren.“ Wie zuvor geschildert, waren diese beiden Subsektoren lange vom Rest des Universums abgeschnitten und haben sich ganz eigenständig entwickelt, was in meinen Augen den besonderen Reiz des Settings ausmacht. Diese Sektoren wurden direkt von der Erde aus besiedelt und so geben sich englisch-, französisch- und deutsch klingende Namen und Kulturen ein Stelldichein. Wie bei Traveller gewohnt gibt es auch einen präzisen historischen Abriss und eine fast zweiseitige Zeittafel.
Mein besonderes Interesse bei der Lektüre des Bandes galt dem Abschnitt: „Mächte des Reft Sektors“. Hier werden die 10 großen Mächte geschildert – in Bezug auf Hintergrund, Wirtschaft/Industrie, Militär und Sonstiges. Die letzten beiden Punkte sind hier besonders von Interesse, wenn ich tatsächlich eine Militärkampagne planen und durchziehen will. Leider fehlen präzise Angaben zu Truppenstärken und anderen Ressourcen, sonst würde sich hier wirklich ein fast schon „Wargame“-mäßiges Eroberungsszenario mit aller Macht aufdrängen. Neben den dort ansässigen „Nationen“ wird auch der Einfluss des Imperiums geschildert wie auch verschiedene Konzerne, die eine Rolle im Streit der Mächte spielen können.
Die Seiten 60 bis 124 sind dann prall gefüllt mit der Schilderung aller im System existierenden Welten – wie schon beschrieben haben diese meist englische, deutsche oder französische Namen, aber auch die klassischen – scheinbar mit einem Namensgenerator entworfenen – Traveller-Namen finden ihren Platz. Diese Seiten sind brechend voll mit Informationen und der Übersetzer hat mein volles Beileid – sonst hat man bei Traveller ja immer noch Beschreibungen von Schiffen oder Tabellen, um zwischendurch mal Luft holen zu können, aber hier reiht sich Information an Information und Idee an Idee – ich zitiere einfach wahllos einen kleinen Abschnitt zum Vestus-Subsektor: „Es besteht immer die Gefahr, dass ein Aslan-Stamm durch einen Prozess der Eskalation in einen Konflikt mit den Vertretern des Imperiums hinein gezogen werden könnte. Einheimische könnten Aslan-Siedler mit Gewalt vertreiben oder die Imperiale Marine könnte gezwungen sein, auf eines ihrer Schiffe zu schießen. Das würde nicht notwendig zu einem Konflikt führen, doch ein Stamm könnte versuchen, daraus Kapital zu schlagen.“ Weißte Bescheid, Schätzelein! Knallhart rausgeballerte Abenteuerideen auf kleinstem Raum und das über fast 60 Seiten. Wer danach – in Kombination mit den Tipps zu unterschiedlichen Abenteuern – keine Ahnung hat, was er für eine Kampagne leiten will, dem ist nicht zu helfen.
Ihr merkt sicher schon an den zitierten Ausschnitten, es kostet eine enorme Willenskraft, das Buch am Stück zu lesen, aber das wird ja auch von niemandem erwartet. Am besten schnappt man sich ein paar Sektoren, die einem interessant erscheinen und entwirft eine Hand voll Abenteuer und Szenarien, um seine Spieler sandbox-mäßig darauf los zu lassen.
Die große Stärke des Settings liegt darin, dass man eine gewaltige Vielzahl an Kulturen, Techlevels und Mächten hat, was sich in den unterschiedlichsten Abenteuern zeigen kann. Etwas fühle ich mich an die Vergessenen Reiche, Aventurien oder Golarion im All erinnert…
Fazit:Ein Band, der fast nur Fluff enthält – allerdings handelt es sich um Traveller-Fluff, der immer auch etwas Trockenes, Sprödes hat. Die spielrelevanten Werte – beispielsweise zu den Planeten – trifft man ja immer als reines Zahlenkürzel an. Ich werde vermutlich in der nächsten Zeit keine größere Traveller-Kampagne leiten können, aber um mit Traveller oder (wenn es schneller gehen und weniger Tiefe haben soll) SpacePirates ein nettes One Shot-Abenteuer zu spielen, wird mir dieser Band absolut wertvoll sein, denn er enthält wirklich viele – und ich meine VIELE –Details zu dem Sektor und seinen Welten, die man durch einen Materialfleischwolf drehen kann, um schmackhafte Abenteuerfrikadellen braten zu können. Für Traveller-Fans ein Muss, aber auch Leute, die irgendwelche anderen Weltraum-Systeme leiten und sich nicht streng an einen Kanon halten wollen, sind hier bestens bedient – gerade letzteren dürfte das kurze Kapitel über Abenteuer im Reft Sektor ganze Dienste leisten. Traveller-Veteranen werden mir sicher die Marineinfanteristen auf den Hals schicken, aber mir gefällt Reft Sektor einen Tacken besser als die irgendwie „klassischeren“ Spinwärts-Marken.
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