Links zur Rezension Inhalt:Am 1. August 1918 trifft Simon Combaud aus Paris auf Papeete, der Hauptstadt von Tahiti, ein. Zwar wird hier und da von einem drohenden Krieg in Europa gesprochen, doch diese Welt scheint weit entfernt von dem tropischen Paradies, in dem sich die französischen Kolonialherren fern der Heimat mit den Frauen der Eingeborenen vergnügen, mit manch dunklen Geschäften ihr Geld verdienen und einen gemächlichen Alltag pflegen.
Kurz nach seiner Ankunft lernt Combaud den örtlichen Pfarrer kennen und mietet sich in einem kleinen Hotel ein. Ebenso lernt er den Künstler Momo kennen, als auch die Gerüchte, die sich um ihn ranken und erfährt vom Wirt seiner Pension einiges über das vermeintlich ruhige und gelassene Leben, welches einige Franzosen in den letzten Jahren nach Tahiti gebracht hat, die auf der Suche nach einem schöneren Leben sind.
Doch gibt es immer wieder Einschübe von den zahlreichen anderen Akteuren, die sich am Vorabend des Krieges auf das Unausweisliche vorbereiten – egal ob es die Militärs an Bord des französischen Kriegsschiffes „Montcalm“ sind oder der Offizier Fawtier, der die Verteidigung von Tahitit organisieren soll. Vor diesem Hintergrund wundert man sich ein wenig über den Lebenswandel des undurchsichtigen Simon Combaud, der die Vorzüge der tahitianischen Frauen als auch die Langsamkeit der Dinge auf der Insel für sich entdeckt. Eigentlich ist er auf der Suche nach einem bestimmten Mann, um ein vor fünfzehn Jahren in Paris begangenes Verbrechen aufzuklären, doch bringen der Ausbruch des Großen Krieges und der Tod von zwei einheimischen Frauen seine Nachforschungen ziemlich durcheinander.
Schreibstil & Artwork:Der Autor Didier Quella-Guyot wurde am 07.07.1955 in Rochefort-sur-Mer geboren und lebt heute in Saint-Julien Ars. Quella-Guyot ist nicht nur Autor, sondern arbeitet als Französischlehrer an einer Berufschule, ist Literaturkritiker mit Schwerpunkten in den Bereichen Comics und Jugendliteratur, Herausgeber der Sammlung „La BD de case en Classe“ (eine Sammlung von Lehrmaterial im Bereich Comics für Schulen) und leitet zudem seit 1990 zahlreiche Workshops für andere Lehrer im Bereich Comics. Er kümmert sich zudem um verschiedene Ausstellungen für Comics und hat bereits einige Romane und biographische Artikel verfasst.
Die ganze Welt in Trümmern, die Menschen zerbrochen, zerstört, versehrt oder tot. So lässt sich aus heutiger Sicht der Erste Weltkrieg bilanzieren. Auch fast 100 Jahre nach dem Beginn der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" ist das Interesse an diesem zerstörerischen Ereignis ungebrochen. Das es allerdings abseits der großen europäischen Schlachtfelder auch zu verheerenden Katastrophen kam, beweist Quella-Guyot mit einer Randnotiz, als kurz nach Ausbruch des Krieges die deutschen Panzerkreuzer SMS Scharnhorst und SMS Gneisenau vor Papeete ankerten, um Kohle aufzunehmen. Als ihnen dies verweigert wurde und der französische Kommandant mit einer Küstenbatterie das Feuer eröffnen ließ, beschoss die deutsche Schiffsartillerie Papeete und zerstörte dabei weite Teile der Stadt. Doch geht es Quella-Guyot nicht nur um die Darstellung des Krieges vor einer exotischen Kulisse, vielmehr versteht er es geschickt diesen Hintergrund für sein eigentliches Szenario zu nutzen, in dem sein geheimnisvoller Protagonist Simon Combaud aus Paris auf der Insel eintrifft, um Nachforschungen anzustellen und langsam aber stetig dem Charme und der Lebensart der Insel zu verfallen scheint.
Sébastien Morice wurde 1974 in Vannes geboren. Talentierte Fälscher der „Rubriques-à-brac“ von Gotlib, deren Blütezeit bereits Ende der 60er Jahre war, entschied er sich, dem Beispiel des Zeichners Marcel Gotlib zu folgen. Mit seinem Abschluss in der Tasche folgte ein recht enttäuschendes Jahr an der Hochschule für bildende Künste in Lorient, so das er sein Glück an der Schule für Architektur in der Bretagne versuchte, um zumindest seine Familie zu beruhigen. Unwilliger, aber fleißiger Student, erhielt er seinen Abschluss in Architektur im Jahr 2001 und spezialisierte sich auf den Bereich Architekturvisualisierung.
Nach einer Elternzeit Ende 2008 entschied er sich, seine Arbeitskraft voll und ganz in dem Bereich Comics und Illustration zu investieren. Kontakte eröffneten ihm bei dem Verlag Petit-à-petit die Chance, zwei Bände mit Kurzgeschichten bzw. Gedichten zu illustrieren („Contes et légendes du moyen-âge“ und „Poèmes érotiques de la littérature“). Im Jahr 2009 produzierte er für den Verlag Norman sein erstes Album „Le café des colonies", die Comic-Adaption einer Kurzgeschichte von Maupassant mit Didier Quella-Guyot als Szenarist. Eine überaus erfolgreiche Zusammenarbeit, wie der vorliegende Band unschwer beweist.
Die Arbeit von Sebastien Morice gestaltet sich optisch als überaus erfrischend und anspruchsvoll, gestaltet er das vermeintliche Paradies von Tahiti mit wenigen, dafür aber ausdrucksstarken Strichen, die er dann in kräftige und warme Farben taucht. Die Darstellung seiner Figuren ist fast schon als realistisch zu bezeichnen und wirkt auf mich wie eine schön aufpolierte Zeichnungen der Gattung „Ligne Claire“, die auf unnötige Schattierungen, Schraffuren oder Raster verzichtet. Dabei merkt den Panels von Morice nicht an, das er seine Figuren und Landschaften direkt am Rechner erschafft. Wo hier bei manchem Zeichner die Lebendigkeit verloren geht, scheint Morice durch seine Bildkompositionen und seine Farbwahl das genaue Gegenteil zu gelingen – eine leichte Unterkühltheit und Distanz, die sowohl den Charakteren gut steht, als auch durch die wunderschöne und unberührte Landschaft von Tahiti führt.
Qualität, Ausstattung & Übersetzung:In Sachen Qualität liefert der Splitter Verlag seinem Leser nicht nur einen solide verarbeiteten Hardcoverband, der durch seine gute Druck- und Papierqualität überzeugt, sondern auch durch seine Ausstattung. Auf insgesamt 8 Seiten gibt es einige Hintergrundinformationen über den „Krieg unter Kokospalmen“, der sowohl Anmerkungen des Autors als auch historische Quellen beinhaltet. Weiterhin gibt es ein 12-seitiges Skizzenbuch nebst Erläuterungen, in dem man sich einen Eindruck über die Gestaltung der einzelnen Charaktere, als auch die Konzeption des Covers machen kann. Die gelungene Übersetzung aus dem französischen stammt von Tanja Krämling und lässt sich angenehm lesen, das Lettering Sven Jachmann und die Covergestaltung oblag Dirk Schulz.
Fazit:Weit abseits der Orte, an denen man üblicherweise Szenarios ansiedelt, hat es Didier Quella-Guyot geschafft, einen gänzlichen unverbrauchten Schauplatz zu finden, der zudem durch seine historischen Rahmenbedingungen besticht. Die Mischung aus kriminalistischer Ermittlung, der Darstellung der höchst unterschiedlichen Inselbewohner (zu denen auch einige Deutsche gehören) und das drastische Einbrechen des ersten Weltkrieges im Paradies verleihen diesem Band einen unwiderstehlichen Charme. Mit der Figur des Simon Combaud ist ihm ein überzeugender Protagonist gelungen, der sich langsam aber stetig mit den Gepflogenheiten der Insel anfreundet, ohne dabei seine eigenen Wertvorstellungen gänzlich zu verwerfen, geschweige denn seinen Auftrag zu vergessen.
Man darf auf jeden Fall gespannt sein, welche Richtung der zweite und abschließende Band dieser kleinen Reihe einschlägt, der dann hoffentlich erklärt, was es mit den Morden auf sich hat, die im Schatten der Nacht begangen worden sind, welche Geheimnisse sich hinter manch biederer Fassade verbirgt und welcher Auftrag Combaud eigentlich nach Tahiti führt.
Für Freunde des Krimigenres mit Sicherheit eine angenehme Abwechslung, aber auch ansonsten durchweg eine Leseempfehlung.
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