Inhalt(Vorsicht Spoiler!!!)Da dies die erste Besprechung eines deutschen Hellfrost-Buches ist, möchte ich noch kurz auf die „Odyssee“ der deutschen Fassung des Eis-und-Schnee-Settings eingehen. Das Spielerhandbuch erschien ursprünglich kurz vor der SPIEL 2011 und kam in der deutschen Savage Worlds-Szene nicht sonderlich gut an. Zu sehr haderte man mit der Übersetzung, der man sehr stark anmerkte, dass sie aus mehreren Händen kam und zu wenig wollte man sich an das A4-Format gewöhnen, was im Regal nicht sonderlich gut zu den übrigen Savage Worlds-Artikeln passen wollte, die allesamt dieses „etwas größer als A5“-Format hatten. Anscheinend verkaufte es sich so „übersichtlich“, dass Prometheus die eigentlich sehr populäre Serie für tot erklärte, beziehungsweise ihm langsam auf dem Gnadenhof ein ruhiges Lebensende verschaffen wollte. Irgendwie kam man aber nicht voneinander los und so erschienen bisher immerhin drei der vier Abenteuer, die es im Englischen als Sammelband gibt, als einzelne gedruckte Fassungen. Ende letzten Jahres kam aber wieder Bewegung in die Sache und der Verlag startete eine Art „Privatkickstarter“. Dort sollte Geld gesammelt werden, um die Reihe wieder neu zu beleben und zumindest erstmal die drei Hardcover-Regelbände wieder in neuer (im Falle des Spielerbuches überarbeiteter) Form und vor allem in der gewohnten Größe zu veröffentlichen. Wenn ich mich recht entsinne kamen immerhin um die 13000 Euro zusammen, wodurch das Ziel zwar nicht erreicht wurde, was Prometheus aber immerhin so sehr darin bestärkte, die Reihe fortzusetzen, dass zwar nicht wie angedacht alle drei Bücher zeitgleich produziert werden konnten, aber immerhin werden sie nun überhaupt produziert. Erschienen sind sie nun auf der RPC (Spielerhandbuch), FeenCon (Rassilon-Weltenband) und geplant ist ein Erscheinen des Monsterbandes zur SPIEL in Essen, wodurch alle drei Grundregelwerke dann doch innerhalb eines halben Jahres das Licht der Welt erblickt hätten. Ein strammer Veröffentlichungsplan.
Schon ein Blick auf das Cover zeigt einem womit man es zu tun hat: eine Illustration mit Festungen, Schnee, Bogenschützen und Drachen und einen irgendwie nordisch erscheinenden Schriftzug, der auch farblich den Gegensatz „Hellfrost“ andeutet, ist doch „Hell“ rot eingefärbt und „Frost“ blau. Geschickt, geschickt.
Jüngst habe ich mich mit jemandem unterhalten, der von Hellfrost nicht überzeugt war, da es „nicht gut aussehen würde“. Das kann ich mal so gar nicht nachvollziehen. Schon das Cover zeigt, dass die ganze Chose sehr „aufgeräumt“ und klar strukturiert ist. Auch im Inneren ist alles sehr übersichtlich gestaltet. Okay – mit der Bildgewalt von Pathfinder oder den neuren Fassungen von Dungeons & Dragons kann Hellfrost nicht mithalten, aber das Buch ist wirklich hochwertig vollfarbig produziert und – ja – es gibt ein Lesebändchen. Dieses ist zwar blau und nicht grün, wie man es beim Umschlag erwarten sollte, aber was soll’s. Was tatsächlich auffällt, ist, wie wenige Illustrationen ihren Weg ins fertige Werk gefunden haben, aber da kann Prometheus nichts für, dafür sind Wiggy und Meine Daumen recken sich für das Aussehen (und das mittlerweile kleinere Format) auf jeden Fall in die Höhe. Auch nach oben gehen sie für die Übersetzung ins Deutsche. Die Namen der Übersetzer sagen mir mit einer Ausnahme zwar nicht viel, aber sie haben ihre Sache mehr als ordentlich gemacht. Die häufigste Fehlerquelle, die mir untergekommen ist, ist, dass Leerzeichen zwischen Wörtern fehlen und das ist ja nun wirklich kein Beinbruch. Auch sprachlich kann man mit dem Produkt gut leben – man muss ja vermutlich auf das schon angelegte Glossar aus dem Spielerhandbuch zurückgreifen und da ist dann vermutlich wenig Spielraum für Änderungen, aber ich habe jetzt wenig gefunden, was dafür gesorgt hat, dass ich mir das Gehirn mit Kernseife auswaschen muss. Okay, warum man „Plot Point Campaign“, ein gerade im Bereich Savage Worlds fest etablierter Begriff, mit „Handlungspunkt-Kampagne“ übersetzt hat, wird mir auf immer ein Rätsel bleiben, aber singen wir den Schwamm-drüber-Blues. Absolut positiv sind auch sowohl das sehr übersichtliche Inhaltsverzeichnis zu Beginn als auch das satt fünfseitige Glossar, das das schnelle Suchen bestimmter Informationen erfolgreich unterstützt. Die Karte von Rassilon, die auf der letzten Seite abgedruckt ist, zeigt auf eindrucksvolle Weise, warum Prometheus sich beim ersten Anlauf dazu entschlossen hatte, die Reihe in A4 zu veröffentlichen. Die ist nämlich einfach zu klein, um ihre Schönheit wirklich entfalten zu können, oder auch um nur annähernd nützlich zu sein. Zudem ist sie in Englisch, was eine direkte Orientierung unnötig erschwert. Der Abdruck der englischen Karte hatte scheinbar organisatorische Gründe, aber im Gegenzug lässt sich die Karte (zusammen mit einem Englisch-Deutsch-Glossar der Regionen) auf der Prometheus-Homepage runterladen.
Was bekommt der Spielleiter denn nun geboten? Nun, das ist schnell gesagt: 48 Provinzen werden geschildert und wir erfahren etwas zu 15 bösen Organisationen. That’s it. ACHTUNG! Wir haben es hier nicht mit einem Spielleiterhandbuch zu tun und die meisten Infos zum alltäglichen Leben in Rassilon und zu seiner Geschichte finden wir schon im Spielerhandbuch – hier gibt es also wirklich nur gebündelt Informationen zur Hintergrundwelt – zumeist direkt schon auf eine gewisse Abenteuertauglichkeit hin abgeklopft.
Nach nur fünfeinhalb Seiten Einleitung, kurzer Hinweise, wie man eigene Bauwerke, Gehöfte, Dörfer und Städte entwerfen kann und wie man die „Eigenschaftsblöcke“ liest, geht es gleich in medias res: In alphabetischer Reihenfolge (sehr schön übrigens, dass wir hier eine deutsche alphabetische Reihung haben und nicht die englische einfach übernommen wurde)bekommen wir die 48 Provinzen mit 100 Städten und unzähligen möglichen Abenteuerorten um die Ohren geballert. Großer Pluspunkt dieser Einleitung ist eine unscheinbare grüne Box, in der man etwas zur Größe Rassilons erfährt. So kann man, auch wenn man kein Geographie-Experte ist, einen groben Eindruck gewinnen, mit welchen Ausmaßen man es hier zu tun hat. Netterweise gibt es nicht nur Bezugspunkte zu Amerika, sondern auch zu Europa, aber die für mich hilfreichste Info war die, dass Rassilon ungefähr die Ausdehnung Australiens hat. Danke!
Bei den Provinzenbeschreibungen wird man einfach ins kalte Wasser geworfen und es gibt leider auch keine historische Zusammenfassung oder eine Art vorgeschaltete Zeittafel, so dass man viel mit dem Spielerhandbuch querlesen muss, um sich einen groben Überblick bilden zu können. Auch gebündelte Infos zu politischen Allianzen oder Feindschaften wären wirklich eine gute Sache gewesen. Die Provinzen haben jeweils zu Beginn einheitliche Angaben zu ihrer Bevölkerung, Ihrem Herrscher, der vorherrschenden Religion sowie Im- und Exporten. Dann folgen allgemeine (Hintergrund-)Informationen, Wissenswertes über die Geographie und – bei den wichtigeren – ein Abschnitt über Geschichte und Soziales. Gerade diese historischen Abschnitte bieten jede Menge Abenteuerfutter. Im Anschluss daran gibt es eventuelle Städte oder besondere Gegenden, auch diese wieder zu 100% in Abenteuer ummünzbar.
Versteht mich nicht falsch. Die Beschreibungen der Provinzen, Städte, Ruinen… lesen sich wirklich gut und jeder Spielleiter, der etwas auf sich hält, wird auf jeder Seite locker 10-15 Abenteueraufhänger finden, aber ohne einen großen Überblick gestaltet sich die Planung einer Kampagne dann doch schwieriger, als es unbedingt nötig wäre. Auch das Kapitel zu den Organisationen lässt in meinem Kopf etliche „Hooks“ entstehen, aber eine R-Map zu den Verhältnissen der Organisationen untereinander oder vielleicht eventuelle „gute“ Gegenspieler wären wirklich eine Segen gewesen. Wenn ich also Hellfrost leiten will, wird vermutlich meine erste „Amtshandlung“ sein müssen, mir einen Überblick zu verschaffen, wer gerade welches Verhältnis zu wem hat und ob es darüber hinaus noch irgendwelche Gegner oder Verbündete gibt. Schade. Die Arbeit hätte man mir abnehmen können.
So, das war jetzt echt viel gemeckert, aber es ist ganz und gar nicht angebracht, das „zarte Pflänzlein“ Hellfrost direkt wieder schlacht zu schreiben. Das Setting hat nämlich wirklich ordentliche Eier. Zwar weist es nicht sonderlich viele Alleinstellungsmerkmale auf, aber es ist eine wirklich brettharte Welt mit etlichen Konflikten, die bespielt werden können – ja geradezu müssen.
Steht euch also der Sinn nach Reisen, Eis, dem Kampf Gut gegen Böse, dann gebt Hellfrost eine Chance. Wenn ihr Malmsturm geil fandet, aber mit FATE nichts anfangen könnt, gebt Hellfrost eine Chance, wenn euch die Vorgärten Aventuriens zu eng werden, gebt Hellfrost eine Chance, wenn ihr auf nordische Mythen steht, gebt Hellfrost eine Chance, wenn ihr ein Savage Worlds-Setting haben wollt, dessen Welt euch nicht von einer Plot Point-Kampagne vorgekaut wird, gebt Hellfrost eine Chance… Ich stelle gerade fest, dass das ein hervorragendes Fazit wäre, tja.
Fazit:Ein toller und solide übersetzter Band für Spielleiter, die Inspirationen für eigene Abenteuer suchen und für Spieler, die mal eben etwas zu einer bestimmten Region nachschlagen wollen – aber definitiv nix für alle, die sich einen schnellen Überblick über Rassilon und das Leben in dieser Welt verschaffen wollen. Auch muss einem klar sein, dass man es hier nicht mit einem Spielleiterhandbuch zu tun hat, denn Erwartungen in dieser Richtung können nur enttäuscht werden. Wir haben es hier wirklich „nur“ mit einem Weltenband zu tun – sprich: die einzelnen Regionen werden kurz geschildert, zusätzlich gibt es noch einige Organisationen, die man meist als Bösewichte ins Spiel bringen kann. Wer eine Hellfrost-Kampagne planen will, der wird um dieses Kompendium nicht herumkommen – der sollte aber auch direkt davon ausgehen, dass er sich zusätzlich besser noch die als englische PDFs verfügbaren kleinen Zusatzbände kaufen sollte, um die bespielte Region noch besser mit Leben füllen zu können. Wollt ihr kaufentscheidungstechnisch in die „richtige“ Richtung gedrängt werden, lest doch einfach noch mal den Abschnitt direkt über diesem Fazit.
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