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Roland, Ritter Ungestüm 7
Bewertung:
(3.9)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 20.08.2013
Autor:François Craenhals (Autor und Zeichner)
Übersetzer:Uli Pröfrock und Willi Diwo; Gerhard Förster, Markus Tschernegg u.a.
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Mittelalter
VerlagCross Cult
ISBN/ASIN:978-3-941248-77-9
Inhalt:176 Seiten, Hardcover A4
Preis:29,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Der siebte Band der Roland-Reihe beinhaltet mit den beiden letzten albenlangen Geschichten „Die Verlobte des König Artus“ und „Blutende Mauern“ erneut bisher auf Deutsch zum Teil unveröffentlichtes Material und mehrere Kurzgeschichten.

 

Die Verlobte des König Artus

Nach seinen zahlreichen Abenteuern in der Fremde zieht es Roland wieder in die Heimat. Er möchte nach Wallburg, um seinen Vater Frank zu besuchen, auch wenn ihn die Sehnsucht nach seiner geliebten Gwendoline quält. Die Freude über das Wiedersehen und die Feierlichkeiten können Roland aber nicht den erwünschten Trost bringen. Er bleibt noch einige Tage, bevor er nach Rotteck weiter reist. Hier erwartet ihn bereits ein Brief von Gwendoline, die sich in Sehnsucht nach ihrem geliebten Roland verzehrt. So geht es für Roland rasch weiter an den Hof von König Artus, wo die Stadt allerdings Kopf zu stehen scheint, da eine bedeutende spanische Gesellschaft eingetroffen ist.

 

König Artus hegt große Pläne und will sich mit der kastilischen Prinzessin Ines verloben. Mit dieser Heirat könnte es ihm gelingen die Macht über bedeutende strategische Seehäfen an der Küste von Spanien zu erlangen. Doch die Verlobung hat auch ihren Preis: Im Gegenzug soll König Artus ein Vasallenheer aufstellen, um den Kastilliern in ihrem Kampf gegen die Mauren zu unterstützen. Als Anführer dieses Heeres hat König Artus Roland auserkoren, der sich aber gegen diesen königlichen Befehl brüsk zur Wehr setzt.

 

Aber Prinzessin Ines scheint ohnehin insgeheim ganz eigene Pläne zu hegen, da sie kein Interesse daran hat, das Roland Spanien erreicht. Sie setzt alles daran ihn aus dem Weg zu schaffen und scheut nicht vor Mordanschlägen zurück. Roland wittert den Verrat der Prinzessin und ihres Vertrauten, der Graf von Sevilla, Don Alonso, und will der Sache nachgehen. Da er ständig unter Beobachtung zu stehen scheint, greift er zu einer List und verkleidet sich als Pilger, der sich anschickt eine Reise nach Santiago de Compostella zu unternehmen.

 

Keine ungefährliche Reise, da man der List von Roland auf die Schliche kommt, aber zum Glück trifft er auf seiner Reise Gefährten, die ihn unterstützen und helfen. Auf einem gefürchteten Bergpass in den Pyrenäen kommt es dann zu einem ungleichen Kampf, der nicht nur Roland, sondern auch seine Begleiter in Gefahr bringt.

 

Blutende Mauern

Prunkvolle Festlichkeiten gehen mit dem dreißigjährigen Thronjubiläum von König Artus einher, doch die Stimmung ist getrübt, als Artus auf der Suche nach drei Nonnen vom Orden der Benediktinerinnen ist, von denen er meint, sie im Pulk der Schaulustigen gesehen zu haben. Artus scheint wie von Sinnen und auch das abendliche Festmahl zeigt dem Hofstaat einen stillen und ermüdeten Monarchen.

In seiner Not sucht König Artus noch in der gleichen Nacht Antworten bei dem geheimnisvollen Thamatos, doch selbst dieser erinnert ihn nur an seine eigenen Verfehlungen in der Vergangenheit, die Artus ganz genau kennt. Roland ist Artus in die Nacht gefolgt und als dieser sich nach seinem Besuch bei Thamatos anschickt auf dem Friedhof die Kapelle seiner verstorbenen Frau Marmanda aufzusuchen, gerät Artus in einen Hinterhalt. Einzig Roland kann ihn retten, doch statt Dankbarkeit zeigt sich Artus erzürnt über das nachspionieren von Roland und scheint zugleich zutiefst verwirrt durch die Geschehnisse der Nacht zu sein. Während Artus wieder in die Burg zurückkehrt, schickt sich Roland an, die Kapelle genauer zu untersuchen. Und tatsächlich – das Grab der Königin ist leer und scheinbar führt ein Geheimgang in der Kapelle zu einem verborgenen weiteren Ort. Roland beschließt am nächsten Tag wiederzukommen und die Sache genauer zu untersuchen.

 

Der Geisteszustand von König Artus hat sich noch in der Nacht weiter verschlechtert und bei Hofe munkelt man bereits über eine Verschwörung gegen den König. Für eine kurze Zeit scheint der Geheimgang vergessen, doch Roland scheint zu ahnen, das sich etwas wichtiges dort unter der Kapelle befinden muss. Mit einigen Getreuen untersucht er den Gang und stößt an dessen Ende auf eine riesige Waffenkammer, in der Belagerungsmaschinen hergestellt werden. Und wirklich – es scheint eine Verschwörung gegen den König zu geben. Schließlich steht Roland einem alten Feind von Artus gegenüber, der alles daran setzt die Stadt zu zerstören, den Palast einzureißen und den Hochmut des Königs zu brechen, um Rache zu nehmen an dem Mann, der ihn vor vielen Jahren ins Unglück stürzte.

 

Kurzgeschichten

Zusätzlich erscheinen in diesem Band mit „Ochsenblut“, „Die Geistergrabstätte“, „Die Wette“, „Das Mädchen mit den lila Augen“, „Der Fährmann“, „Der Liebestrank“, „Die Gesandte“, „Der Halsreif“ und „Die Füchsin“ mehrere Kurzgeschichten, die aus der Jugendzeit des ungestümen Ritters erzählen. Die Bandbreite reicht von recht stillen, aber spannenden Abenteuern, in denen Roland beispielsweise eine Wette abschließt, um ein Schmuckstück aus einer Schatzkammer zu entwenden, über das Geschick von Roland in einem Ehestreit als Schlichter wider Willen zu dienen oder aber einfach nur auf die typisch ungestüme Art für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen. Aber auch Gwendoline hat einen sehr schönen Auftritt in der Kurzgeschichte „Die Gesandte“, in deren Mittelpunkt einer Mann steht, der sich in eine Nereide, eine Meeresnymphe, verliebt haben soll.

 

Schreibstil & Artwork:

Der belgische Comiczeichner François Craenhals wurde am 15.11.1926 in Ixelles, einem kleinen Vorort südlich von Brüssel, geboren. Der leidenschaftliche Zeichner gab nach dem Besuch verschiedener Kurse an der Akademie der schönen Künste (L'Académie des Beaux-arts) in Brüssel seinen Beruf als technischer Zeichner auf und konnte schon recht bald einige Karikaturen an das Magazin „Vrai“ und eine Agentur verkaufen. Sein erster Comic erschien 1948 im Wochenmagazin „Le Soir Illustré“. Wenig später lernte er Fernand Cheneval kennen, der als Herausgeber für das recht erfolgreiche belgische Comic-Magazin „Héroïc-Albums“ verantwortlich war. Cheneval war es, der Craenhals, als großer Fan der amerikanischen Comics von Alex Raymond und Hal Foster, ermunterte, seinen ersten größeren Comic „Karan“ im Stile von Tarzan zu entwickeln.

 

Bereits zu dieser Zeit schuf er für die „Le Soir Illustré“ einen Comic mit einem Ritter als Protagonisten, den er allerdings dem Magazin „Tintin“ vorstellte, worauf man ihn umgehend einstellte. Craenhals entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem der wichtigsten Produzenten von Comics für Magazine und Zeitungen und so konnte er ein eigenes Studio eröffnen. Craenhals war auch einer der ersten Comiczeichner, dem sich Hergé später beim Verlag Casterman angeschlossen hat, wo, inspiriert von der Figur des „Prince Valiant“ („Prinz Eisenherz“) aus der Feder des Amerikaners Hal Forster, 1966 sein „Chevalier Ardent“ entstand, der später in Deutschland unter dem Namen „Roland - Ritter Ungestüm“ bekannt werden sollte.

 

In den 1990er Jahren zog es Craenhals nach Rivières-de-Theyrargues in Südfrankreich, wo er bis zu seinem Tod am 02.08.2004 in Montpellier arbeitete, es bedauerlicherweise aber nicht mehr schaffte seine Saga um den ungestümen Ritter Roland zu einem Ende zu bringen.

 

Der vorliegenden Band der Gesamtausgabe des frankobelgischen Comicklassikers beinhaltet mit den beiden albenlangen Geschichten „Die Verlobte des König Artus“ und „Blutende Mauern“ bisher auf Deutsch unveröffentlichtes Material und macht zugleich mit dem ersten Teil der bislang über Jahre hinweg verstreut erschienenen Kurzgeschichten den vorliegenden Band zu einem echten Sammlerstück für Fans des ungestümen Ritters.

 

Nachdem sich Craenhals in den zurückliegenden Szenarien mit seinem ungestümen Ritter auf den unterschiedlichsten und zum Teil auch exotischen Schauplätzen ausgetobt hat, nimmt er sich in „Die Verlobte des König Artus“ Zeit für seinen Protagonisten, damit dieser nicht nur am Hofe seines Vaters, sondern auch auf einer Pilgerreise ein Stück weit innere Einkehr halten kann. Der Hintergrund der eher ungewollten Pilgerreise ist zwar wiederum den Plänen von König Artus geschuldet, inhaltlich macht sich aber Gérard Dewamme, ein Historiker, der Craenhals bei diesem Szenario unterstützt hat, bemerkbar. Mit einem angenehmen Maß an historischer Genauigkeit bekommt der Leser einen Einblick das Leben als Pilger auf dem Jakobsweg – egal ob es sich um das Kennenlernen neuer Freunde handelt oder aber auch den gemeinsamen Kampf gegen allerlei Gefahren. So wird der Pilgerweg zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela im entfernten Galicien zu einem Abenteuer ganz besonderer Art für den ungestümen Ritter.

 

Bedauerlicherweise kommt das Intrigenspiel der kastilischen Gesandtschaft und die Pläne für die Verlobung von König Artus mit Prinzessin Ines gegen Ende des Szenarios etwas zu kurz und fast scheint man schon vergessen zu haben, warum sich Roland eigentlich auf den weiten Weg Richtung Spanien gemacht hat. Hier lässt Craenhals mit der Reconquista, der „Befreiung“ der iberischen Halbinsel von muslimischen Eroberern durch christliche Heere, als Idee für weitere Abenteuer zwar aufkommen, aber legt sie dann gemeinsam mit den ursprünglichen Plänen von Artus über die Nutzung der zu erobernden Seehäfen beiseite.

 

So gibt es dann auch einen harten Sprung in die Geschichte „Blutende Mauern“, in der sich König Artus nach vielen Jahren mit dem plötzlichen Auftauchen seiner Tod geglaubten Frau Marmanda konfrontiert sieht. Hier bietet Craenhals einen Artus, wie ihn die bisherige Reihe noch nicht gesehen hat: Am Rande des Wahnsinns und auch körperlich geschwächt, zeigt Craenhals seinen mächtigen Herrscher, den es ansonsten eigentlich obliegt Roland mit immer neuen Einfällen zu drangsalieren, als alten und reumütigen Herrscher, der gegen Ende des Szenarios ein Stück weit auch Frieden mit der Verbindung von Gwendoline und Roland schließt.

 

Zeichnerisch zeigt sich Craenhals weiterhin auf recht hohem Niveau und nutzt die schön arrangierte mittelalterliche Kulisse für die Abenteuer seines nach wie vor aufbrausenden Ritter, der in dynamischen Bildern mit gelungener Perspektive und Einstellung den jeweiligen Spannungsbogen vorantreibt. Besonders hervorzuheben sind sicherlich die Zeichnungen zur Sage in „Die Verlobte des König Artus“, wo Craenhals seine Zeichnungen als Glasmalereien von Kirchenfenstern in Szene setzt oder aber die Kurzgeschichte „Die Füchsin“, in der Craenhals gänzlich ohne Kolorierung arbeitet und man so den exakten Strich seiner Figuren und Hintergrundzeichnungen bewundern kann.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

Der siebte Band und vorletzte Band der Gesamtausgabe besticht als solide Hardcoverausgabe, deren Titel das Cover von „Blutende Mauern“ ziert. Bemerkenswert ist die gewählte Papierqualität von Cross Cult, die das Gefühl von Comics der 60er Jahre vermittelt, auch wenn dieses Papier mit seiner sehr guten Druckqualität überzeugt. Die Übersetzung der beiden Alben stammt stammt von Uli Pröfrock und Willi Diwo. Die Kurzgeschichten haben Gerhard Förster, Markus Tschernegg und andere Übersetzer ins deutsche übertragen.

In Sachen Ausstattung gibt es wiederum einen sehr guten redaktionellen Teil im Anhang von Volker Hamann, der unter dem Titel „Das Ende einer langen Reise“ steht, als auch einige Illustrationen und Cover der Originalausgaben umfasst.

 

Fazit:

Mit dem siebten Band von „Roland, Ritter Ungestüm“ setzt der Cross Cult Verlag seine Reihe der wunderschön aufgemachten und hervorragend ausgestatteten Büchern fort, an deren Ende erstmals die vollständige deutsche Gesamtausgabe des zeitlosen Klassikers von François Craenhals steht, die mit ihrer Sammlung von Kurzgeschichten sogar die französische Ausgabe in den Schatten stellt. Bemerkenswert an diesem Band sind die bisher in Deutschland unveröffentlichten Geschichten „Die Verlobte von König Artus” und „Blutende Mauern”. Selbst wer bislang von sich behaupten konnte, alle deutschsprachigen Abenteuer in älteren Ausgaben sein eigen zu nennen, der wird um diese Ausgabe nicht vorbeikommen. Aber auch die Kurzgeschichten, in denen Craenhals sich mit kleinen, aber interessanten Ideen austobt, laden zum lesen ein.

 

Die Macher von Cross Cult kann man mit ihren Engagement für diese Reihe nur beglückwünschen, da nicht nur alle einzelnen Geschichten um Roland in einer behutsam restaurierten Form und ihrer korrekten chronologischen Erscheinung präsentiert werden, sondern die Reihe auch mit sehr lesenswertem zusätzlichen Material im redaktionellen Teil aufwarten kann. Für mich ist nicht nur dieser Band, sondern die gesamte Reihe eine absolute Leseempfehlung mit wohligem Nostalgie-Flair, die sich überaus wohltuend von dem vorherrschenden modernen „Heldentum“ abhebt und mehr als deutlich beweist, warum es ausgerechnet diese Reihe zu einem echten Klassiker des Genre geschafft hat.