Links zur Rezension Inhalt:In einer Winternacht des Jahres 1728 fährt ein Schiff auf einer Handelsroute über den atlantischen Ozean. Seit Wochen verloren im Nebel wütet die Pest an Bord des Schiffes und fordert ihre Opfer. So auch den Eigner des Schiffes, den Vater des späteren Protagonisten Zachary. Dieser nimmt in langer und dunkler Nacht Abschied von seinem Vater, dessen Körper von der Pest gezeichnet ist und Zachary ist sich bewusst schon bald ebenfalls von der Pest befallen zu werden. Nur wenige Tage später zeigt auch sein Körper die typischen Anzeichen der Erkrankung. In seiner Agonie und Todessehnsucht stürzt sich Zachary in die Fluten des Meeres, um den raschen und gnädigen Tod in den kalten Fluten zu finden.
Seinen letzten Atemzug von sich gebend, wird er aber von einem zauberhaften und mysteriösen Wesen des Meeres gerettet, welches ihn in eine Bucht schleppt und somit das Leben rettet. Als Zachary sich seiner Rettung bewusst wird, ist er außer sich, weiß er doch um seinen baldigen und qualvollen Tod durch die Pest. Aber das mysteriöse Wesen, welches ihn bereits einmal gerettet hat, ist in Liebe zu dem Menschen entflammt. Es ist ein Kuss, der Zachary ein neues Leben schenkt, aber dafür das Wesen zu einem qualvollen Tod verurteilt.
Schreibstil & Artwork:Die spanische Künstlerin Victoria Francés wurde am 25. Oktober 1982 in Valencia geboren und studierte an der Königlichen Akademie der Schönen Künste von San Carlos Valencia. Nach ihrem Studium begann ihre Laufbahn als Illustratorin. Francés erledigte zunächst diverse Auftragsarbeiten und gestaltete Cover für Bücher. Der Durchbruch in Deutschland gelang ihr mit dem Erscheinen der Zeitschrift „Schattenreich – pulp magazine“, einer kurzlebigen Heftreihe des Bastei-Verlages mit allerlei genreüblichen Kurzgeschichten von meist noch unbekannten Autoren.
Victoria Francés hat sich nach eigenen Angaben in all ihren Werken der sogenannten Schwarzen Romantik und dem Vampirismus verschrieben. Sie beschäftigt sich neben der Malerei mit der Literatur und gilt auch als begnadete Texterin. Für ihre Arbeit ließ sie sich unter anderem vom Werk Goethes und Edgar Alan Poes inspirieren. Zahlreiche Bildbände hat die Künstlerin bislang veröffentlicht, von denen einige nur noch in Spanien erhältlich sind und als begehrte Sammlerstücke gelten.
Ihre bekannte „Favole“-Bildbandreihe besteht aus drei Teilen: „Tränen aus Stein“, „Befreie mich“ und „Eiskaltes Licht“. Diese Bildbände beziehungsweise Artbooks sind sehr beliebt und enthalten neben Bildern Kurzgeschichten von Victoria Francés. Mittlerweile ist sie aus der Kunst- und Gothicszene nicht mehr wegzudenken. Es gibt nahezu alles an Artikeln mit Motiven von ihr, so dass für Fans kein Wunsch offen bleiben dürfte: Kalender, Poster, Mousepads, T-Shirts, Bettwäsche, Decken, Kissen und noch vieles mehr.
So schickt sich Victoria Francés nunmehr an, eines der wohl berühmtesten Märchen der Welt zu adaptieren, was bei ihrem Hang für „schwarze Romantik“ unter Umständen naheliegend aber etwas irreführend ist. Die Märchen von Hans Christian Andersen, die vor Fantasie und Ideenreichtum nur so strotzen, haben zwar meist auch eine dunkle Seite – die nicht zuletzt in dem Dichter selbst verankert war und in denen Hoffnungslosigkeit, Gewalt und Düsternis häufig eine zentrale Rolle spielen. Das weltberühmte Märchen „Die Kleine Meerjungfrau“ erschien erstmalig 1837. Dabei handelt es sich um ein durch und durch literarisches Märchen, da es den Drang zur Unsterblichkeit, zu Gott, der in der Natur verborgen liegt, im Menschen erwacht und seine geistige Reise über die Schwelle hinaus fortsetzt, die Tod heißt, thematisiert.
Nun nimmt sich Victoria Francés dieses Stoffes an und ersetzt den von Andersen erdachten Prinzen durch einen pestkranken Händlersohn, der seinem Leben durch einen Sprung in die Weite des Meeres ein Ende bereiten will und die ehemalige Meerjungfrau, durch ein recht seltsames Meeresgeschöpf, welches über magische Fähigkeiten zu verfügen scheint, da es todkranke Menschen heilen kann. Außer dem Fischschwanz der Meerjungfrau (und dem Meer) bleiben da nicht mehr viele Ähnlichkeiten, die eine moderne Adaption eigentlich benötigt hätte. Da ist der von der Pest gezeichnete Zachary, der mich irgendwie in seinem optischen Erscheinungsbild an Tom Cruise in seiner Rolle als Vampir Lestat in der Verfilmung „Interview mit einem Vampir erinnert“ und diese Meerjungfrau, die, trotz ihres Schwanzes, ebenfalls eher das Flair eines weiblichen Vampires ausstrahlt. Zeichnerisch hält sich dieses „Artbook“ auf dem gehobenen Niveau einer Bewerbungsmappe für eine Kunsthochschule, da Victoria Francés ihr Handwerk sehr gut versteht, es allerdings an Leben in ihren realistisch gezeichneten Figuren vermissen lässt. Wahrscheinlich sollen sie aber gerade dieses leicht morbide Gefühl verbreiten. Hier und da sind die durchgehend schwarz-weiß gehaltenen Zeichnungen mit einigen Klecksen koloriert, was sich recht hübsch ausmacht, die Darstellungen aber irgendwie nicht rettet.
Folgt man dem von Mario Praz 1963 geprägten Begriff der „Schwarzen Romantik“, so lassen sich unter diesem vor allem diejenigen Werke „einordnen", welche sich mit den düsteren Seiten der menschlichen Seele befassen: verborgene Ängste, Träume oder Wahnvorstellungen, von der melancholischen Grundstimmung bis hin zur krankhaften Neigung oder Besessenheit. Das Irrationale, nicht Greifbare, wird in den literarischen Werken dieser Strömung vor allem durch das Phantastisch-Gespenstische, Groteske oder Unheimliche dargestellt. Wie man unschwer gemerkt haben dürfte, gibt es zwar eine ganze Reihe von Motiven, derer sich Victoria Francés in ihrer Geschichte annimmt, die aber weit davon entfernt sind, den Ansprüchen von Praz zu genügen.
Jeweils passend zum Bild gibt es für den Leser auf gegenüberliegenden Seite einen überaus schwülstigen Text von Victoria Francés, der sich anschickt, jeden auch noch so kurzen Satz bis zum Überdruss mit Adjektiven zu verstopfen. Hier rettet auch die tapfere Übersetzung von Katharina Uhlig nicht das Original, bei dem man meinen könnte, sich in den Formulierungen im Tagebuch eines 14jährigen Teenagers verlaufen zu haben. Und so fließt das „Klagelied des Meeres“ dann auf den insgesamt 64 Seiten in allen Variationen dahin, wie man es kitschiger, sentimentaler oder schmalziger nicht hätte darstellen können.
Bei aller Kritik möchte ich aber auch etwas loben: In Sachen Qualität braucht man sich allerdings nicht zu beklagen, hier erhält man von Cross Cult einen Hardcoverband im nicht ganz alltäglichen Format „A4 quer“, der sowohl durch seine Druckqualität als auch das verwendete Material absolut überzeugt.
Fazit:Mit ihrem Coup diesen Band zu verlegen dürften Hardy Hellstern und Andreas Mergenthaler sicherlich mehr als zufrieden sein. Das Marketing des Bandes läuft gut an und die Absatzzahlen dürften sich sehen lassen. Kaum zu reden vor der wahrscheinlich enormen Begeisterung der überwiegend jugendlichen Leserinnen, welche nach der Favola-Reihe nach neuem Futter gieren. So dürfte sich auch hier die beträchtliche Fangemeinde von Victoria Francés im Internet über die Geschichte austauschen und vielleicht selig abends vor dem Einschlafen von dem Kauf einer Kaffeetasse mit dem Konterfei von Zachary träumen.
Was für mich unterm Strich bleibt ist ein „Artbook“ mit einer nicht sonderlich geschickt inszenierten Geschichte und einigen handwerklich sehr gut gemachten Bildern, die mich allerdings überhaupt nicht ansprechen. Ich kann nur hoffen, das dieser Band dem Verlag ganz viel Umsatz bringt und Geld in die Kasse spült, damit dieses dann vielleicht in einige neue Lieblingsprojekte von Hardy Hellstern und Andreas Mergenthaler einfließt. Haben sie doch bereits in der Vergangenheit für einige „echte“ Comic-Highlights gesorgt, deren Aufzählung ich mir an dieser Stelle aus Platzgründen spare.
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