Links zur Rezension Inhalt:Fünfunddreißig Jahre hat Dennis für seine Taten hinter Gittern gebüßt und wird nunmehr aus der Haft entlassen. Nie hat er in diesen Jahren seinen Auftraggeber verraten und so bekommt er stillschweigend eine kleine Rente – mehr oder weniger Gangsterehre für sein jahrzehntelanges Schweigen. Er bezieht ein kleines altes Haus an einem Kanal im Mississippi-Delta und will sein altes Leben hinter sich lassen. Vielleicht bleiben ihm noch einige gute Jahre, aus denen er etwas machen kann. Seine neuen Nachbarn, Erna, Eddy und deren Sohn Linus nehmen den Fremden ohne zu zögern als Freund an und Dennis ist dankbar für die angebotene Freundschaft und das in ihn gesetzte Vertrauen.
Nachts holt ihn allerdings immer wieder die Vergangenheit ein und lässt ihn nicht schlafen. Dann steht Dennis auf, kocht sich einen Kaffee und setzt sich an den Kanal, wo er seinen Gedanken und Erinnerungen nachhängt.
Linus hat Dennis in sein Herz geschlossen und Dennis ist stolz darauf, dem Jungen so etwas wie ein Onkel sein zu können. Gemeinsame Angelausflüge mit Eddy und Linus, Spaziergänge mit Linus, bei denen Dennis dem Jungen versucht Werte zu vermitteln und ein starkes Gefühl von Geborgenheit verändern Dennis, bis er eines nachts die weiße Motorjacht auf dem Kanal sieht und die geheimnisvolle Frau an deren Ruder, die ihm nicht mehr aus dem Sinn geht.
Doch als Dennis eines nachts wieder einmal nicht schlafen kann und im dichten Regen mit seinem Boot ohne Ziel auf dem Kanal entlang fährt, stößt er auf die weiße Motorjacht, welche gekentert zu sein scheint. Dennis rettet die geheimnisvolle Frau und nimmt sie mit zu seinem Haus, wo sie sich beide lange im Regen unterhalten. Und auf einmal scheint alles anders zu werden, da Dennis eine Seelenverwandte in der Frau erkennt, nach der er sich über so viele Jahre hinweg gesehnt hat. Aber die Dinge ändern sich nicht immer unbedingt zum Positiven, wie Dennis schon sehr bald am eigenen Leib erfahren muss.
Schreibstil & Artwork:Der 1946 in Nürnberg geborene und in Hamburg lebende Künstler und Dozent Matthias Schultheiss zählt zu den international anerkannten Stars der Comicszene und hat sich als Pionier des deutschen Comicromans einen Namen gemacht.
Nach einer Lehre als Möbelschreiner folgte von 1967 bis 1968 ein Studium an der Hochschule für bildende Künste (HFBK) mit dem Schwerpunkt Illustration in Hamburg. Nach seinem Abschluss arbeitete er bis 1978 zunächst als freier Illustrator und veröffentlichte 1981 seine erste Graphic Novel „Trucker“ im Comic Reader der Edition Becker & Knigge, die rasch auf den talentierten Künstler aufmerksam machte. Auch in Frankreich wurde auf Schultheiss aufmerksam und so schaffte er 1985 seinen Durchbruch in dem renommierten französischen Verlag Albin Michele mit dem Comic „Kalter Krieg“, in dem ein junger Hacker die Weltgeschichte durcheinander bringt, da er ein koreanische Flugzeug in den Luftraum der Sowjetunion steuert. 1986 folgte „Theorem de Bell“ und beim Verlag Glenat „Le Reve du Requin“. Überaus erfolgreich gestaltete sich auch seine graphische Umsetzung der Kurzgeschichten von Charles Bukowski, deren Ausgaben sogar Amerika vertrieben wurden. Rasch folgten die jeweils beeindruckenden dreibändigen Reihen „Die Wahrheit über Shelby“ (1986) und „Die Haie von Lagos“ (1986). Für sein kreatives Schaffen erhielt er 1987 er den Max-und-Moritz-Preis der Stadt Erlangen als bester deutschsprachiger Comic-Künstler. In den folgenden Jahren erschienen „Night Taxi“ (1990), „Talk Dirty“ (1991) und „Blutsbrüder“ (1992). Den renommierten italienischen Comic-Preis „The Yellow Kid“ erhielt er 1990 in Lucca und 1992 sollte eine Ausstellung seines Gesamtwerkes in Angouleme folgen.
Nach gescheiterten Projekten in den neunziger Jahren für den amerikanischen und japanischen Markt, ließt das Engagement von Schultheiss im Bereich des Comics deutlich nach und so folgten in den nächsten Jahren lediglich Illustrationen für Comicnovellen und Kinderbuchprojekte. Ende 2007 unterschrieb er einen Exklusiv-Vertrag bei dem französischen Verlag Glenat und legte als erstes von den drei geplanten umfangreicheren Graphic Novels den Band „Die Reise mit Bill“ vor, der in Deutschland in Lizenz vom Splitter Verlag herausgegeben wird. Ende März 2008 veröffentlichte er in dem Japanischen Manga-Magazin „Mandala“ die Graphic Novel „Woman on the River“, der in 2009 „Daddy“ folgte. Matthias Schultheiss lebt und arbeitet in Hamburg, wo er an der DFI (Design Factory International) Illustration, Storyboard und Figürliches Zeichnen unterrichtet.
Auf den ersten Blick scheint das Szenario von Schultheiss eine irgendwie vertraute Geschichte zu erzählen, wie man sie bereits in etlichen Versionen und Varianten im laufe seines Lebens gesehen oder gelesen hat: Ein Ex-Häftling, der nach vielen Jahren hinter Gittern einen Neuanfang startet und letztlich von seiner Vergangenheit heimgesucht wird. Doch es wäre nicht Schultheiss, wenn dieses vermeintlich abgedroschene Szenario letztlich den Kreis des Vertrauten verlässt und sich anschickt mit seiner dichten Atmosphäre den Leser zu packen und dem Anti-Helden Dennis auf seinem Weg nach Glück und Erfüllung zu folgen, der tragisch enden soll. Es sind die dichten Monologe von Dennis, die den Leser mitnehmen auf die Reise in das Innere des Menschen, der äußerlich als schwergewichtige Erscheinung mit Mantel, Hut und seinen langen Haaren fast schon das Klischee des Italo-Westerns im Stil eines Sergio Leone bedient. So leidet man förmlich als Leser mit diesem Menschen, der seine Chance nutzen will und es dann irgendwie doch nicht schafft oder aber vielleicht auch nie schaffen konnte.
Grün und Braun sind die dominierenden Farben, mit denen Schultheiss eindringlich die schwüle Hitze des Mississippi-Deltas dem Leser näher bringt. Hier und da wirkt sein Strich etwas unsicher und manchmal scheint es, als würde Dennis sowohl sein Gesicht als auch die Proportionen ändern. Ob dies so gewollt war oder einfach künstlerische Freiheit bei den Figuren ist mag dahin gestellt sein. In zum Teil großformatigen Panels gibt er seinen Figuren auf jeden Fall Raum sich zu entfalten, zumal er auch einiges an Platz für die Texte benötigt.
Fazit:Eigentlich präsentiert uns Schultheiss mit diesem Band kein außergewöhnliches Szenario, wie man es vielleicht mit „Die Reise mit Bill“ oder „Daddy“ aus den letzten Veröffentlichungen gewohnt war. Auf fast wohltuende Art und Weise präsentiert Schultheiss dem Leser eine einfach Geschichte, mit einem einfachen Protagonisten der den Traum von großen Glück träumt. So sind es die fast schon bescheidenen Dialoge und die überzeugenden Innenansichten von Dennis, die einen echten Menschen zeigen und auf seltsame Art und Weise das Szenario so lebensecht machen. Ich hatte zumindest nach der Lektüre das Gefühl, nach vielen Jahren endlich wieder einmal einen anspruchsvollen und wirklich überzeugenden amerikanischen Film gesehen zu haben, selbst wenn es sich um einen Comic handelt und mir manchmal einige Schnitzer bei den Zeichnungen aufgefallen sind.
Unterm Strich ein einfaches aber feines neues Werk von Schultheiss, welches sich sehr wohltuend vom Krach und Getöse anderer Veröffentlichungen abhebt und mit dem Thema „Es gibt kein Ziel, nichts zu lernen oder erreichen, denn alles ist schon längst hier“ bereits nach wenigen Seiten dem Leser einfach nur auf die Nerven gehen.
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