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Geschichten aus dem Finsterland
Bewertung:
(3.5)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 07.10.2013
Autor:Georg Pils (Autor und Herausgeber)
Typ:Anthologie
System:Finsterland
Setting:Finsterland
VerlagGeorg Pils Verlag
ISBN/ASIN:978-3-95032-705-2
Inhalt:Taschenbuch mit 16 Illustrationen, 288 Seiten
Preis:12,90 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Mörder, Magier, Sensationen - Sprechende Hunde, Homunculi und Butterbrote, die man anschreien muss, bevor man sie essen kann. All das und noch viel mehr finden sie in diesem nützlichem Kompendium, meine Damen und Herren.

 

Grundlage für die Kurzgeschichten dieses Bandes ist das österreichische Rollenspiel „Finsterland“, welches in einer Welt spielt, die dem Europa das 19. und 20. Jahrhunderts ähnelt, aber Magie, Monster und revolutionäre Technologien enthält: Der alte Kaiser ist tot, der neue jung und unerfahren, die Kurfürsten gieren nach Macht. Der Bürgerkrieg hat das Finsterland in einem chaotischen Zustand hinterlassen. Die einfachen Leute klammern sich an ihre alten Werte, aber zugleich schreitet die technologische Entwicklung immer rasanter voran. Das Korsett der sozialen Zwänge droht zu zerspringen, während neue Gesellschaftsformen in Mode kommen. Riesige Luftschiffe und der Rauch der Fabriken verdunkeln den Himmel. Mächtige Magier, gierige Politiker und heimliche Verschwörer – jede Fraktion versucht, das größte Stück vom Kuchen zu bekommen und in der Finsternis erwacht das uralte Böse.

 

Sybille Lengauer: Fraukensteigs Monster

Der reiche Hotelmogul Franz-Wilhelm Easterházy hat den berühmten Meister Eduard Fraukenstein engagiert, damit dieser ihm einen Automaten, den kleinsten je geschaffenen Homunculus, für seine Tochter als Geschenk baut. Fraukenstein, Meister der Robotik und ein einzigartiger Künstler unter den Automatenbauern gelingt das große Kunststück einen einzigartigen Homunculus zu erschaffen. Doch Tochter Margot hat gänzlich andere Vorstellungen von einem Homunculus und dessen Benehmen als auch der Homunculus selbst, der sich sein „Leben“ anders vorstellt.

 

Emil Jens Geiger: Sie nannten ihn Schemel

Jens Bresofsky, ein gestandener Kriegsveteran, arbeitet für eine private Sicherheitsfirma. Ein Auftrag führt ihn in den „Urigen Leopold“, wo er nicht nur seinem Auftrag nachkommen muss, sondern sich auch bald mit einigen Attentätern auseinandersetzen muss, die unversehens den Saal stürmen. Vermischt mit Mundart ein höchst amüsantes und spannendes Szenario.

 

Susanne Firzinger: Zeit für Tee

Alfred Justus ist Magier. Eigentlich kein großes Thema, allerdings hat er in erheblicher Weinlaune auf einer Feier mit einigen Freunden zur allgemeinen Belustigung etliche prominente Geister beschworen und so wacht er nicht nur mit einem ausgewachsenen Kater am nächsten Tag auf, sondern auch mit einer geisterhaften Erscheinung in seiner Wohnung. Geister kann man allerdings recht leicht auch wieder dorthin schicken, woher sie kamen. Vorausgesetzt, man macht alles richtig und bekommt keine Herzbeschwerden.

 

Dennis Maciuszek: Das Meervolk

Seltsame Diebstähle von Teekisten führen die junge Adeptin Tess ins Hafenviertel von Sundheim. Allerdings sind es wohl keine menschlichen Diebe, sondern Wassermännlein, die für den dreisten und andauernden Diebstahl verantwortlich sind. Ihr Weg führt sie tief in Katakomben eines Lagerhauses und tief verborgen im Wasser stößt sie auf ein erschreckendes Geheimnis, hat sich doch ein Wissenschaftler in einem unterseeischen Labor etlicher Kriegsversehrter angenommen und scheint dunklen Plänen nachzuhängen.

 

Georg Pils: Unruh

In einem nicht sonderlich gut beleumundeten Leuinger Stadtteil ist Frantisek K. unterwegs, um eine junge Frau zu retten, die sich anschickt vom Dach eines Hauses zu springen. K. ist kein selbstloser Mensch, sondern arbeitet als Amtsmagier. Da die junge Frau von einem Dämon besessen zu sein scheint, nimmt er sich zwangsläufig dieser überaus gefährlichen Sache an. Die Ermittlungen von K. führen ihn zur Schwester der Besessenen als auch zu deren Arbeitgeber und K. muss einige erschreckende Entdeckungen machen.

 

Florian Weiss: Der Probeschuss

Nach Motiven der Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber inszeniert Florian Weiss die Geschichte eines Mörders, der mit magischen Kugeln Rache an einer Reihe von Personen nimmt und sich zu guter letzt seines letzten Opfers in der Felsenheimer Oper entledigen will. Doch wie es mit der Magie halt so ist,so hat diese doch auch ihre Tücken.

 

Mathieu Völker: Atavatar

Zentrales Motiv dieser Geschichte ist das apokalyptische Schlachtfeld von Rennanzio und seine fatalen Auswirkungen auf die Soldaten, die in diesen schier sinnlosen Krieg ziehen. Einer von diesen Soldaten wird zum Helden, doch den Preis den er dafür zahlen muss ist hoch. Eine sehr philosophische und bittere Betrachtung mit einigen sehr interessanten Dialogen.

 

Michael Prammer: Der Schatten von Eschweiler

Magnus Holmberg muss sich als Ermittler mit der Todesursache von Emilia Hartmann beschäftigen und stellt rasch parallelen zu anderen Mordfällen fest. Scheinbar hängt dieser Tod mit anderen Morden zusammen. Zugleich bekommt der Leser aber auch einen Einblick in die Seele und die Befindlichkeiten des Mörders und so bekommt diese recht moderne Kriminalgeschichte einen ganz eigenen und überzeugenden Stil.

 

Über die Autor(innen):

Da schickt sich der überaus umtriebige Georg Pils an und ruft im Internet eine Art Autorenwettbewerb für Kurzgeschichten aus, die seine Welt von „Finsterland“ mit allerlei kurzen und interessanten Abenteuern und Erlebnissen füllen sollen. Eine schöne Idee, der einige gefolgt sind und es letztlich acht Kurzgeschichten in diese Anthologie geschafft haben. Als Autorinnen und Autoren haben Sybille Lengauer, Emil Jens Geiger, Susanne Firzinger, Dennis Maciuszek, Florian Weiss, Mathieu Völker und Michael Prammer ihre Idee veröffentlicht, so wie es sich Georg Pils nicht nehmen ließ, die Kurzgeschichte „Unruhe“ beizusteuern. Insgesamt eine Riege von mehr oder weniger bekannten aber ambitionierten Hobby-Autoren, die zum Teil eigene Seiten im Internet pflegen oder aber auf einschlägigen Rollenspielveranstaltungen anzutreffen sind. Über die Qualität der vorliegenden Texte läßt sich vortrefflich streiten, handelt es sich doch letztlich um ein Fanprodukt, welches Sympathisanten oder offenen Bekennern zum Rollenspiel „Finsterland“ eine Bühne bietet, um ihre Ideen zu präsentieren. Diese sind manchmal recht skurill angelegt, wie man unschwer in „Fraukensteigs Monster“ bemerkt, wo man sprechenden Hunden und einem allzu menschlichen Homunculus begegnet, einer gehörigen Portion Wiener Mundart in „Sie nannten ihn Schemel“ oder aber einer phantastischen Welt unter Wasser, die sich der Adeptin Tess bietet.

 

Erschienen sind diese Geschichten wiederum im Eigenverlag, gedruckt von der Druckerei DGS Wien, als Taschenbuch mit gediegenem Umschlag, der ein wenig von dem antiquierten Charme von „Finsterland“ atmet und mit seinen stilisierten Verzierungen an Art Deco erinnert. Für mich auf jeden Fall Qualitativ eine sehr gute Verarbeitung, an der sich große Verlage gerne ein Beispiel nehmen könnten. Einzig eine Karte der Welt von „Finsterland“ vermisse ich, die dem Leser einen Überblick über die zahlreichen Handlungsorte gegeben hätte.

 

Fazit:

Die Idee von Georg Pils, seine wundersame Welt von „Finsterland“ durch Dritte mit Leben füllen zu lassen und so die zahlreichen, zum Teil skurrilen Möglichkeiten, des Rollenspielhintergrundes für Kurzgeschichten zu nutzen ist überaus lobenswert. So bekommt der neugierige Leser, dem unter Umständen auch die Kurzgeschichten des Grundregelwerkes oder der Quellenbände gefallen haben, die Chance, einen weiteren Blick auf das nicht immer alltägliche Leben von „Finsterland“ zu erhalten. Die Autorinnen und Autoren der Geschichten kennen sich zwar mit dem Leben und den Gepflogenheiten von „Finsterland“ aus, sind allerdings keine gestandenen Schriftsteller. Ein Umstand der häufiger dazu führt, sich ein wenig durch die kantigen und nicht immer glatt formulierten Texte zu kämpfen und so ein wenig Freude an den ausgefallenen Ideen nimmt. Man nimmt dies einer überaus professionellen Hobby-Produktion allerdings nicht übel – im Gegenteil. Es hat schon etwas recht herzliches, wenn man sich durch die einzelnen Geschichten liest und die zahlreichen Aspekte dieser Rollenspielwelt kennenlernt. Wer es nicht unbedingt mit dem Wiener Dialekt haben sollte, der sei allerdings gewarnt – in einigen Geschichten gibt es reichlich Mundart, die sich aber glücklicherweise recht flüssig lesen läßt.

 

Da ich selbst die Welt von „Finsterland“ in einigen Rezensionen vorgestellt habe, konnte ich diesem Band einiges abgewinnen, brachte er mich doch auf einige neue Ideen, die ich gerne in den nächsten Runden umsetzen werde. Wer allerdings bislang noch keine Berührungspunkte mit „Finsterland“ hatte, dem sei zunächst der umfangreiche Internet-Auftritt von „Finsterland“ auf www.finsterland.net empfohlen. Wer danach neugierig geworden ist, dem sei dieser kleine Band durchaus als Lektüre empfohlen, da „ein wahrer Gentleman dieses Buch gelesen haben muss” (Revue Fortschritt). Für mich auf jeden Fall eine Empfehlung für neugierige Leser, welche mehr von den kurzen Geschichten lesen möchten, die es bereits im Regelwerk und den Quellenbänden gab und für Einsteiger im Rollenspiel „Finsterland“. Wer einfach einen Band mit Kurzgeschichten im Bereich „Steampunk“ oder ähnliches sucht, der könnte unter Umständen vom Inhalt enttäuscht sein. Wobei natürlich auch das Gegenteil eintreten könnte und man sich rasch das Rollenspiel anschafft, um selbst in die Welt von „Finsterland“ einzutauchen.