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Cartland – Integral 1
Bewertung:
(3.8)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 16.10.2013
Autor:Lawrence Harlé (Autor) und Michel Blanc-Dumont (Zeichnungen)
Übersetzer:Eckart Sackmann
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Nordamerika – Wilder Westen
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-508-3
Inhalt:208 Seiten, Hardcover - Großformat
Preis:36,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Der erste Band der Gesamtausgabe beinhaltet die ersten vier Abenteuer von Jonathan Cartland: „Indianerfreund", „Letzter Treck nach Oregon", „Der Geist des Wah-Kee“ und „Der Schatz der Spinnenfrau".

 

Indianerfreund

Nach mehreren Monaten auf der Jagd macht sich Jonathan Cartland auf den Weg in die Stadt, um sich dort mit Lebensmitteln und Munition einzudecken. Hier wird er Zeuge, wie man Two Guns, einen Indianer, des Mordes an einem Goldsucher beschuldigt und ihn nach einem kurzen Prozeß erhängt. Cartland greift nicht ein, schenkt aber den Aussagen kein Vertrauen. Auf dem Weg zurück in die Big Belt Mountains schwört er der Sache nachzugehen.

 

Es wird Winter und Cartland trifft auf die beiden Indianer Black Turtle und Lazy Dog. Er spricht mit ihnen über den Mord, den man Two Guns angehängt hat und verdächtigt die Crow hinter der Sache zu stecken. Und tatsächlich stoßen die Männer auf eine Gruppe von Crow, die sie überfallen wollen und finden im Gepäck Gold.

 

Allerdings scheint hinter den Überfällen der Crow ein System zu stecken, welches von Fort Hope ausgeht, wo sich der dortige Captain mit einem skrupellosen Grundbesitzer vereint hat und beide das Land von Indianern „befreien“ wollen. Cartland ahnt von all dem noch nichts, als er nach Fort Hope reist, wo er mit dem Colonel über die Vorfälle mit den Indianern sprechen will. Rasch entwickelt sich alles anders, als Cartland es sich vorgestellt hat und die gesamte Situation im Gebiet der Oglala-Sioux eskaliert.

 

Letzter Treck nach Oregon

Im Frühjahr 1857 haben Jonathan Cartland und seine Frau Schneeflocke vom Stamm der Oglala-Sioux in den Absaroke Mountains eine neue Heimat gefunden. Schneeflocke ist schwanger und Cartland ist mit seinem bescheidenen Leben als Trapper zufrieden. Doch die Idylle wird durch den Tod von Schneeflocke zerstört, die scheinbar von Schoschonen ermordet wurde. Der Sohn von Cartland hat den Überfall überlebt und schier von Sinnen durchlebt Cartland die nächsten Tage im traurigen Wahn über den Tod seiner geliebten Frau.

 

Glücklicherweise wird Cartland in der Wildnis von zwei Trappern gerettet, die mit einem Trupp Soldaten unterwegs sind. Als sie jedoch zu den Soldaten zurückkehren, befinden sich diese mitten in einem Feuergefecht mit angreifenden Indianern. Doch die Lage für die Soldaten scheint aussichtslos – eingekesselt und in der Unterzahl wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis sie ihr Ende finden. Einzig Cartland erklärt sich dazu bereit alleine nach Fort Laramie zu reiten, um dort Verstärkung anzufordern. Er schafft es die Soldaten zu retten, aber sein Leben ist aus den Fugen geraten und er verfällt über etliche Tage dem Alkohol, bis Louis, ein befreundeter Indianer ihn aus seiner Lethargie treibt und ihn als Trapper für einen Treck nach Oregon anheuert.

 

Der Weg nach Oregon ist weit und in der Weite des Landes gibt es nur wenige freundlich gesonnene Indianer und einige Banditen, die nur auf einen Treck warten, der sich auf den Weg ins gelobte Land macht. Und so trifft Cartland auf den Mörder seiner Frau und muß die Pioniere seines Trecks vor den Angriffen skrupelloser Banditen verteidigen. Aber auch der Natur gilt es zu trotzen, als der Treck seine letzte große Hürde auf der Reise anstrebt.

 

Der Geist des Wah-Kee

Im Sommer 1859 ist Cartland in St. Louis, wo ihm einige merkwürdige Geschehnisse widerfahren, als er sich im Saloon „Aux deux lions“ ein wenig entspannen will und auf eine Gruppe von Männern stößt, die nach Wolfpoint abreisen will, wo sich auch Fort Union befindet und sich Louis, das Halbblut, als Scout verdingt. Bei den Männern handelt es sich um Jedediah Rowlands, Nelson Terell und dessen Vormann Hiram Billings, mit denen Cartland sich nach einigen Drinks über die zur Zeit äußerst angespannte politische Situation unterhält. Allerdings kommt es nach einigen Drinks und Beleidigungen zu einem Handgemenge im Saloon, so das sich die Männer lieber rasch auf dem Weg zu ihrer Unterkunft machen. Sie ahnen allerdings noch nicht, in dieser Nacht Zeuge eines Vorfalles zu werden, der ihr Leben in Gefahr bringen soll.

 

Ein unerwartetes Telegramm aus Fort Union veranlasst Cartland am nächsten Tag, zusammen mit seinen neuen Freunden den Missouri hinaufzufahren. Allerdings ereignen sich während der Reise merkwürdige Dinge und es kommt zu einem Todesfall. Die Lage spitzt sich zu, als in Fort Berthold der Indianer Wah-Kee das Schiff betritt.

 

Der Schatz der Spinnenfrau

Im März 1860 hat es Jonatha Cartland nach San Francisco verschlagen, wo er noch nicht einmal mehr seine Unterkunft bezahlen kann. Beim Versuch den Wirt seiner Unterkunft um die Miete zu prellen, wird er zusammengeschlagen und seiner wenigen Habseligkeiten beraubt. Aber Cartland hat Glück, da er vom Chinesen Li gefunden wird, der ihn nicht nur mit neuer Kleidung ausstattet, sondern ihm auch einen neuen Job als Führer für eine Expediton vermittelt.

 

Der überaus wohlhabende Mr. Bolton möchte eine archäologische Expedition nach Arizona führen, wo er hofft das Grab eines Pueblo-Indianers zu finden. Begleitet werden Mr. Bolton und Cartland auf ihrer Reise von dem britischen Archäologen Sir Edward Raleigh und dessen Tochter Cynthia-Ann. Schon vor Beginn der Reise kommt es zwischen Bolton und Cartland immer wieder zu Spannungen, hält Cartland die vor ihnen liegende Reise für überaus strapaziös und spätestens nach ihrer Ankunft in Fort Buchanan, als die Expedition Richtung Norden zieht, laufen die Dinge nicht nur für Cartland richtig schief. Bolton erhält die Nachricht, das Wolcott, der Mann der seinen Diener in San Francisco umgebracht hat, aus dem Gefängnis geflohen ist um ihn umzubringen.

 

Der Reise mit ihrem ungewissen Ziel stehen allerdings noch einige unschöne Überraschungen bevor, insbesondere als Cynthia-Ann von Indianern entführt wird.

 

Schreibstil & Artwork:

Im Jahre 1973 erschuf die am 15. April 1949 geborene Laurence Harlé zusammen mit dem Zeichner Michel Blanc-Dumont die Figur Jonathan Cartland, welche zuerst in dem kurzlebigen Magazin Lucky Luke und später in Pilote veröffentlicht wurde. Die dreifache Mutter betätigte sich aber nicht nur als Szenaristin für die Reihe „Jonathan Cartland“, sondern auch als Autorin und Kolumnistin für französischsprachige Publikationen.

Sie schrieb unter anderem die Szenarien für „Reste-t-il du miel pour le thé?“ (Zeichner : Patrick Lesueur), „La Cavalerie américaine“ (Zeichner: Jean Marcellin) und „Les Yeux de cendre“ (Zeichner : Rémy Brenot). Ab 1990 folgten Romanadaption für das monatliche Jugendmagazin „Je Bouquine“. Unter anderem war sie zwischen 1999 bis 2002 auch Mitglied der „Commission BD du Centre National du livre“. Nach langer Krankheit verstarb Laurence Harlé am 04.06.2005 im Alter von 56 Jahren.

 

Geschichten aus dem Wilden Westen standen bei Comic-Verlagen in den 70er Jahren hoch im Kurs. Zahlreiche Western mit Revolverhelden in den Hauptrollen, die sich mutig gegen Indianer und Banditen stellten, ließen jedes Abenteurerherz höher schlagen. Neben Reihen wie „Leutnant Blueberry“ und „Comanche“ zu bestehen war allerdings kein leichtes Unterfangen. Dennoch gelingt Laurence Harlé eine der wohl eindringlichsten und realistischste Schilderung des Wilden Westens, in dem sie in ihren Szenarien zum Teil ganz andere Schwerpunkte setzte als die Konkurrenz.

 

Laurence Harlé ist bemüht, eine möglichst realistische Schilderung des alltäglichen Lebens der Menschen, aber auch der Indianer wiederzugeben. Insbesondere Indianer, die zumeist im klassischen Western in der Rolle der Plünderer, Diebe und Feinde vorkommen, werden als das dargestellt, was sie wirklich waren. Ein einfaches Volk mit seinen Sitten und Bräuchen, welches in seinem Land lebt, mit anderen Stämmen um die Nahrungsvorräte kämpft, aber vom weißen Mann in Ruhe gelassen werden will. Harlé ist jedoch weit entfernt von jeglicher Schwarz-Weiß-Zeichnerei und zeigt Indianer nicht nur als Opfer des „weißen Mannes“, sondern auch wie diese weiße Siedler überfallen und ermorden.

 

Trapper Jonathan Cartland, dem die Lebensweise der Indianer bestens vertraut, ist das Bindeglied zwischen der Welt der Weißen und sich unweigerlich nahenden Zivilisation, der sich in beiden Welten bewegt und somit der ideale Protagonist für zahlreiche Abenteuer ist. Im Gegensatz zu anderen Helden, ist der Charakter von Cartland fast schon als zurückhaltend zu bezeichnen, ist sein Handeln doch zumeist eher von persönlichen Interessen geprägt und weniger von Rauf- und Abenteuerlust. So durchläuft der Protagonist in den unterschiedlichen Szenarien des Bandes nicht nur klassische Western-Abenteuer, sondern auch eher untypische Krimigeschichten. Hier beweist Harlé ein sicheres Gespür für ihren sympathisch Helden, der manchmal unversehen in Geschehnisse hineingezogen wird, auf die er sich unter normalen Umständen nicht eingelassen hätte.

 

Der französische Comiczeichner Michel Blanc-Dumont wurde 1948 in Saint-Amand-Montrond geboren und studierte nach seiner Schulzeit an der Hochschule für angewandte Kunst in Paris, wobei sein Schwerpunkt auf Illustrationen und Comics lag. Nach seinem Studium arbeitete er drei Jahre mit seinem Vater zusammen, einem bekannten Restaurator und Konservator von Kunstobjekten und Gemälden. Bereits zu dieser Zeit begann er erste eigene Comics und Cartoons zu zeichnen und schaffte es schließlich seine erste Kurzgeschichte 1973 im Magazin „Phoenix“ zu veröffentlichen. Weitere sollten folgen und wurden unter anderem im Magazin „Jeunes Années“ veröffentlicht. Bereits zu dieser Zeit zeigte sich für Blanc-Dumont deutlich ein Faible für Geschichten aus dem „Wilden Westen“.

 

Seine eigentliche Karriere sollte 1974 beginnen, als er mit Laurence Harlé die Western-Reihe „Jonathan Cartland“ begann, die zunächst im „Lucky Luke Magazin“ erschien. Die Qualität seiner Zeichnungen und die für damaligen Verhältnisse ungewöhnlichen Szenarien im amerikanischen Western waren den Machern des Magazins „Pilote“ nicht entgangen, wo er die Reihe fortsetzte und die später vom Verlag Dargaud als Hardcover bis 2006 komplett veröffentlicht wurde. Diese Reihe sollte es auf insgesamt 10 Alben bringen und zählt mit ihren zum Teil spektakulären Landschaftsbildern den Besten, die der Perfektionist Blanc-Dumont herausbringt. Seit 1981 übernahm seine Frau Claudine, mit der er die beiden gemeinsamen Kinder Benjamin und Lucie hat, die Koloration seiner Alben.

 

Sein größter Erfolg dürfte sicherlich der Band „Les Survivants de l'ombre“ (dt. „Die Überlebenden des Schattens“) sein, der 1988 auf dem 15. Festival international de la bande dessinée d'Angoulême als bestes Album des Jahres ausgezeichnet wurde. Nach einer Pause von sechs Jahren erschien 1995 das letzte Album der Reihe und Blanc-Dumont wandte sich anderen Produktionen zu. Neben der Arbeit an der Reihe „Jonathan Cartland“ zeichnete Blanc-Dumont zahlreiche Illustrationen im Werbebereich und für Buchcover.

 

In den Jahren 1991 bis 1997 kam es zu einer Zusammenarbeit mit Greg und zum Start der Krimireihe „Colby“, die bei Dargaud erschien und die im Amerika der 40er und 50er Jahre angesiedelt ist. Im Jahr 1998 beendete Zeichner Colin Wilson nach nur sechs Alben die Arbeit an der Reihe „Die Jugend von Blueberry“ und wurde durch Blanc-Dumont ersetzt, der somit wieder seinem eigentlichen Genre treu sein konnte. Doch Blanc-Dumont zeigt sich auch mit anderen Veröffentlichungen seinem Publikum: Im Jahr 2000 erschien „Sur la piste avec Blanc-Dumont“, 2005 „Le Parcours de Citoyenneté“ und 2010 „62 auteurs de boulogne dessiné“

 

Ein klassischer Seitenaufbau, in dem die immer wieder unterschiedlich hohen Panels vorwiegend in Zeilen aufgebaut sind und es nur hier und da bei der Darstellung von bestimmten Hintergründen Ausnahmen gibt, prägen den ersten Eindruck vom markanten Stil. Doch Michel Blanc-Dumont bricht immer wieder geschickt aus diesem Aufbau aus, wenn die Dynamik des Szenarios dies erfordert oder die Geschichte einfach durch ihre Bilder wirken muss. Das ist alles sehr harmonisch im Aufbau und das Auge des Betrachters kann dieser Aufteilung intuitiv folgen.

 

Die Unwirtlichkeit und der Brutalität von Landschaft und Witterung setzt Blanc-Dumont ebenso wunderbar in Szene wie auch die stetigen Einwandererströme mit ihren Menschen, die nach einem besseren Leben unterwegs als auch und den bereits spürbar nahenden Untergang der Plains- und Prärieindianer. Es sind gelungene und stilsichere Bilder von Westernstädten mit Main Street und Saloon, Ranchhäusern bis hin zu den größeren etablierten Städten, die mit gediegenen Steinbauten aufwarten können. So zeigen sich die unterschiedlichen Szenarien in detailverliebten und atmosphärisch dichten Panels, die zugleich auch Zeugnis über die künstlerische Entwicklung von Blanc-Dumont im lauf der Reihe abgeben.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Die großformatige und schwergewichtige Hardcoverausgabe von „Cartland“ überzeugt wie die anderen Bände des Splitter Verlages durch ihre gute Verarbeitung und die hohe Qualität des verwendeten Materials. Hier bekommt man auf jeden Fall einen Band geboten, der sein Geld wert ist, zumal man eine vollkommen restaurierte Fassung der ursprünglichen Bände erhält und nicht nur einen einfachen Nachdruck. In Sachen Ausstattung umfasst dieser Band die vier ersten Geschichten der insgesamt zehn Bände umfassenden Reihe „Cartland“, dem zwei weitere opulente Bände mit jeweils drei Geschichten folgen sollen. Ein umfangreiches und kenntnisreiches Nachwort von Volker Hamann, der eine Zeitreise durch die Entstehungsgeschichte der Western-Reihe „Jonathan Cartland“ gibt, vermittelt einen sehr guten Einblick in die nicht einfache Anfangsphase der Reihe, als „Cartland“ noch eine recht unsichere Zukunft vor sich hatte. Die gelungene und angenehm zu lesende Übersetzung stammt von Eckart Sackmann.

 

Fazit:

Horst Gotta, neben Delia Wüllner und Dirk Schulz einer der drei Gründer des Splitter Verlags, ist und bleibt in seinem Herzen überzeugter Western-Fan. Und so dürfte es den Leser nach der erfolgreichen Veröffentlichung der Reihe „Comanche“ und „Wanted“ nicht wundern ein weiteres Highlight des Genres in Händen zu halten. Mit „Cartland“ präsentiert der Splitter Verlag eine Reihe, die nur auf den ersten Blick angestaubt aussieht, deren Szenarien und Zeichnungen es allerdings problemlos mit den bekannteren Helden des Western-Genres aufnehmen können. Mit dem Charakter von Jonathan Cartland gibt es einen Protagonisten, den man nicht ohne weiteres in sein Herz schließen kann, scheint er doch nicht dem vermeintlichen Heldentypus des Western-Genres zu entsprechen. Aber gerade hier besteht ein großer Reiz zu verfolgen, wie dieser Charakter in den geschickt aufgebauten Szenarien von Laurence Harlé entwickelt und zudem auch seine Prinzipien offengelegt werden.

 

Für mich eine wunderbare Wiederentdeckung eines zu Unrecht unterschätzten Klassikers einen sehr guten Zeichners und auf jeden Fall für Fans von intelligenten Western-Comics ein absolutes Muss. Endlich erscheint einer der großen Western-Klassiker in einer einheitlichen und definitiv kompletten Edition.