Links zur Rezension Inhalt:Für die Siedler des Planeten, die jeden Tag Blut und Wasser schwitzen, um die Zukunft der menschlichen Rasse zu sichern, gibt es einen Ort der Erholung und Zerstreung verspricht: Myjoy – ein gigantischer Komplex mit über 300.000 Hektar Größe, die sich auf zwei Ebenen verteilen und einzig der Freizeit und dem Vergnügen von täglich 18 Millionen Besuchern gewidmet sind.
Allerdings bietet Myjoy auch Arbeit für zahllose Menschen, wie beispielsweise die Polizei-Akademie, zu der Zachary Buzz unterwegs ist, um dort seine Ausbildung anzutreten. Der etwas einfältige Hüne spricht immer wieder mit seiner Plastikpuppe, die den Superhelden „Overtime“ darstellt, der sich dem Kampf gegen das Verbrechen gewidmet hat und der ihm beständig vor seinem geistigen Auge erscheint.
Angekommen in Myjoy kommt Zachary in die Obhut seines Coaches Membertu, der ihn die nächsten sechs Monate betreuen soll und ihm einen ersten Einblick in Myjoy als auch über die weitere Ausbildung an der Polizei-Akademie gibt um später ein „Urban-Interceptor“ zu werden. Dank der zahlreichen Überwachungskameras und dem Einsatz von A.L.I.C.E., dem elektronischen Verwaltungsprogramm von Myjoy, obliegt der größte Teil des Kampfes gegen Gewalt und Kriminalität entsprechenden Drohnen. Menschliche Einsatzkräfte werden nur eingesetzt, wenn es sich wirklich lohnt. Auf dem Weg zu seiner Unterkunft wird Zachary Zeuge eines Überfalls und ist mehr als erstaunt über den raschen und reibungslosen Einsatz einer solchen Drohne, welche den Kriminellen nicht nur stellt, sondern auch umgehend bestraft.
Das Leben in Myjoy ist ungewohnt und die Ausbildung für Zachary ziemlich hart, insbesondere wenn man lernen muss, Verhaftungen nicht nur einfach durchzuführen sondern für die Kameras geradezu in Szene zu setzen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Rekruten, welche in der Schwerelosigkeit aufgewachsen sind und diesen Umstand auch im Training für sich nutzen können, ist die Konstitution von Zachary zwar recht widerstandsfähig, doch bei weitem nicht flink genug. So wird im letzten und entscheidenden Trainingskampf Isham El Ghellab zum neuen Interceptor gewählt, der wenig später sogar direkt seinen ersten Einsatz erhält.
Al Bangy, ein Ermittler der Polizei von Neo-Amsterdam, einer Minenstadt des Satelliten Ganymeda, wurde ermordet und A.L.I.C.E. schickt sich an, Isham El Ghellab medienwirksam mit der Erfassung des Mörders zu beauftragen. Da die Spur noch heiß ist, wird auf sämtlichen Bildschirmen in Myjoy die Verfolgung live übertragen. Aber Ghellab ist dem Mörder nicht gewachsen und stirbt ebenfalls. Dies und andere böse Erlebnisse lassen Zachary an seinem neuen Job zweifeln, insbesondere als er sich auf die Spur von Ishrat macht, die als Hostess in seinem Wohnblock arbeitet.
Schreibstil & Artwork:Luc Brunschwig, geboren am 03.09.1967 in Belfort, hat Werbung und Marketing studiert und begann seine Karriere natürlich später in einer Werbeagentur. Seine Leidenschaft für Comics (die er seit dem achten Lebensjahr pflegt) ist so stark, das er dem Drang nicht widerstehen kann Szenarien zu schreiben. Als Bewunderer des narrativen Techniken von Frank Miller und Alan Moore, begeisterter Leser von Comics und Fan von Frank Capra, Steven Spielberg, Woody Allen und dem Universum von Alfred Hitchcock sind die Szenarien von Brunschwig fast schon von Natur aus sehr dunkel und futuristisch. Die Chance sich als Szenarist zu verwirklichen kam 1989 während er für die Arbeit an Kinderbuch-Illustrationen auf den talentierten Zeichner Laurent Hirn stieß, mit dem er später einige erfolgreiche Comicserien schuf. Die Holmes-Serie dürfte bislang sein ambitioniertestes Werk.
Auch wenn es schon einige Jahre her ist, so hat Luc Brunschwig die SF-Geschichte um den gigantischen Vergnügungspark Myjoy nicht gänzlich neu erfunden. Bereits 1999 wurde „Urban Games“ veröffentlicht, der vor dem gleichen Hintergrund spielt und bei dem sich Raufflet als Zeichner nicht unbedingt hervortat. Jetzt nimmt Brunschwig seinen immer noch recht interessanten Hintergrund, den er scheinbar gründlich überarbeitet hat und füllt ihn erneut mit einem ansehnlichen Protagonisten, der weniger als Held, als bislang vielmehr mehr durch seine humanistische Ader und seine Geradlinigkeit besticht. Und so kann sich der Leser an einer neuen Version des Spieles „Urban Interceptor“ erfreuen, welches die Massen in Myjoy erfreut und hohe Wetteinsätze mit sich bringt.
Die Welt von Myjoy ist trotz ihres hohen Unterhaltungswertes für die Besucher dennoch ein recht düsterer Ort, an dem riesige Menschenmassen die Straßen säumen und den dekadenten Ausschweifungen der Gäste keine Grenzen gesetzt sind. Hier geht das Szenario von Brunschwig noch nicht in die Tiefe und so bleibt vieles für den Leser unverständlich. Man erfährt nicht, wer beispielsweise hinter der Organisation von Myjoy steckt, womit sich die Besucher im einzelnen amüsieren (außer mit ihrer Kostümierung) und wie der Rest der Welt aussieht. Zumindest ist das Szenario kurzweilig in Szene gesetzt und besticht durch die gelungene Zusammenarbeit mit Zeichner Roberto Ricci.
Roberto Ricci wurde am 21. September 1976 in Rom geboren. Er wuchs mit Musik, Bildern und Comics (insbesondere „Heavy Metal“, der englischen Ausgabe des französischen Comic-Magazins „Métal hurlant“) auf. Die visuelle Wirkung seiner Zeichnungen beruht zu einem guten Stück auf den Werken von Gimenez, den er sehr verehrt, ebenso wie Moebius, dessen „Arzach“ er im Alter von 11 las und bei ihm einen dauerhaft Eindruck hinterließ. Eigentlich zieht es Ricci zunächst in den Bereich der Musik, doch chronische Sehnenscheidenentzündungen machen ihm einen Strich durch seinen Lebensentwurf und so schreibt er sich an der International School of Comics in Rom ein. Für die Bilder von „Les Âmes d'Hélios“ lässt er sich von Filmen wie „1984“, „Dune“ oder auch „Alien“ inspirieren. Immer wiederkehrende Einflüsse stammen allerdings unverkennbar von Gimenez.
Im Gegensatz zu Raufflet entpuppt sich Roberto Ricci als wahrer Glücksgriff, da es ihm scheinbar mühelos gelingt sowohl imposante Hintergründe und Handlungsorte zu zeichnen als auch überzeugende realistisch gehaltene Charaktere zu präsentieren, die durch die schon fast aquarellhafte Kolorierung und ihre akkurate Ausführung zum Lesevergnügen beitragen. Technisch auf absolut hohen Niveau und mit der Unterstützung der Digikore Studios bei der Kolorierung ist hier fast schon ein kleines Meisterstück entstanden, auch wenn das Szenario noch nicht so recht zu packen weiß.
Qualität, Ausstattung & Übersetzung:Der Splitter Verlag bietet seinem Leser auch mit diesem Hardcoverband die gewohnt vorbildliche Qualität. Für sein Geld erhält man einen solide verarbeiteten Band, der sowohl durch ein angenehmes Druckbild als auch durch seinen Hochglanzumschlag überzeugt. Extras gibt es bedauerlicherweise keine, hätte ich doch gerne einige Skizzen und Entwürfe von Roberto Ricci gesehen oder aber auch etwas mehr über die Welt von Myjoy erfahren. Die tadellose Übersetzung von Tanja Krämling ist wie immer angenehm zu lesen.
Fazit:Eine moderne Dystopie mit einigen klassischen Elementen, die ohne den erhobenen Zeigefinger daherkommt und dem Leser einen nicht allzu abwegigen Einblick in eine mögliche Zukunft gibt, sprach doch bereits Neil Postman in seinem gleichnamigen Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ von einem Zusammenbruch der moralischen Verhaltensregeln in einer immer mehr durch Fernsehsendungen und digitalen Medien geprägten Welt.
In der bunten Welt von Myjoy, die Roberto Ricci dennoch in dunklen Farben präsentiert, steht der sympathische Protagonist einer Weltanschauung gegenüber, der er nicht folgen kann und die ihm sogar gänzlich fremd zu sein scheint. Insgesamt ein recht stimmiges Szenario, welches nicht zuletzt durch die beeindruckenden Zeichnungen von Ricci lebt und trotz einiger bekannter Elemente aus anderen SF-Bereichen zu überzeugen weiß. Ich bin sehr gespannt auf die Fortsetzung, da Brunschwig sicherlich noch mit einigen Überraschungen aufwarten kann.
|
||||||||||||||||||||||