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Moebius Collection 5 – Zwischenlandung auf Pharagonescia
Bewertung:
(4.0)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 28.12.2013
Autor:Moebius (Autor und Zeichner)
Übersetzer:Rossi Schreiber
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Science-Fiction
VerlagCross Cult
ISBN/ASIN:978-3-86425-126-9
Inhalt:56 Seiten, Hardcover, vierfarbig
Preis:16,00 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Im fünften Band der Moebius-Collection kann sich der Leser auf insgesamt acht, zum Teil recht unterschiedliche Szenarien unterschiedlicher Länge freuen:

 

In der längsten Geschichte des Bandes, in Zwischenlandung auf Pharagonescia, begleitet der Leser den Menschen J. D. Foster, der einen Aufenthalt auf Pharago für einen Ausflug in die Stadt nutzen möchte. Er weiß allerdings nicht so genau, was es mit der Mutationsfeier auf sich hat, die von zahlreichen Bewohnern der Stadt gefeiert wird. Ein Besuch in einem Nachtclub soll für Zerstreuung sorgen und tatsächlich versorgt man Foster hier mit „einer Tasse gutem Koks und alles was zum Striegen gehört“ – ganz nach pharagonesischer Art. Allerdings begeht er bei seinem Genuss der einheimischen Köstlichkeiten einen schrecklichen Fehler: Er vergisst das Striegen und brackt sich dadurch ins Pnüschstadium! Und so bleibt dem Wirt nichts anderes übrig, als einen Bantma-Zauberer aufzusuchen, um Foster aus seiner seltsamen Metamorphose zu befreien (zumal diese auch höchst ansteckend ist).

Aber so ganz ohne weiteres lassen sich die Auswirkungen der seltsamen Verwandlung nicht heilen, da man auf Anraten des Bantma-Zauberers den Pharagoiden an einen besonderen und heiligen Ort bringen muss – die Stajirbische Wüste. Und so muss sich der leidgeplagte Wirt mit seiner Begleitung und dem seltsam verwandelten Menschen auf eine denkwürdige Reise begeben, bevor dieser wieder auf sein Raumschiff PII zurück kann.

 

Ein Streit über den Besuch der Schwiegermutter entbrennt in der Geschichte Der Märchenprinz von Phenixon zwischen einem Ehepaar, welches sich anschickt, auf Phenixon Tock-Tock-Felle kaufen, die auf Warlopp ein Vermögen Wert sind. Während sich der Mann nach der Ankunft in den Handel mit den Eingeborenen stürzt, macht seine Frau einen Ausritt auf einem Elefanten und lernt unterwegs einen wilden Pawaschuss kennen und lieben. Und die Moral der Geschichte…? Der Pawaschuss scheint auch nicht unbedingt mehr Feingefühl für den Besuch der Schwiegermutter zu besitzen, doch sie scheinen glücklich zu sein.

 

Gänzlich ohne Worte kommt die zweiseitige Geschichte Doppelflucht aus, in der ein Häftling aus seinem Gefängnis ausbricht und bei der seltsam anmutenden Flucht von einem Wärter erschossen wird. Doch da gibt es nicht nur den physischen Körper, sondern auch den Astralleib des Flüchtigen, der nicht stirbt. Eine kurze Geschichte voller Symbolik und ein wunderschönes grafisches Vergnügen.

 

Ein Expeditionsteilnehmer hat sich verirrt. Alleine und verlassen im ewigen Nebel, wird er von den eingeborenen Monstern dieses fernen Planeten bedroht. Und so kommen ihm die Monster auf die Spur, umzingeln ihn auf seiner Zuflucht und schicken sich an ihn zu fressen. Doch unweigerlich stellt sich den Monstern die nicht nur kulinarische Frage Ist der Mensch gut?

 

 

Der tapfere Held Major Grubert in einem weiteren Abenteuer mit dem geradezu reißerischen Titel “The Forbidden City rides again“. Während Grubert sich über die Zahl seiner Widersacher und die schier aussichtslose Situation Gedanken macht, in der er gerade steckt, flieht sein Faktotum Pferd kurzerhand und hinterlässt eine codierte Botschaft, die Grubert erst sehr viel später entschlüsseln kann. Es sind nicht sonderlich freundliche Worte, die Pferd wählt und so wundert sich Grubert, ob er nur den falschen Code zum dechiffrieren erwischt hat.

 

In der einseitigen Geschichte La Fiore de paradis 9 begleitet der Leser Major Grubert nebst Malwina auf die Mayhani-Hügel des Planeten P9, wo es den wundersamen Fungus Sympathikus gibt, der mit einigen wunderschönen Überraschungen für seine Besucher aufwarten kann.

 

Ein Abenteuer des Major Grubert führt den Helden nach einer langen Wanderung durch eine glühend heiße Wüste auf einem unbekannten Planeten zu einer Baracke, in der sich Major Grubert umgehend ein gut gekühltes Bier bestellt. Sein Begleiter hingegen zieht eine gute Schale Poktroll vor und so endet alles in der Festnahme von Major Grubert, da der Polizeipräsident Yves Toupic nichts von dem Verhalten von Männern hält, die bekleidet mit Tropenhelm nach einem kalten Bier verlangen

 

Einige Einblicke in die wunderbaren Besonderheiten von Para 19 gibt es in Paradise Nine´s Strange Flowers, als auch die Begegnung mit einigen ganz besonderen Menschen.

 

In Une Planche (Eine Seite) genießt Major Grubert es wie ein Blatt im Wind über der australischen Wüste „Toter Mann“ zu spielen und dabei zu lesen. Der Urlaub ist allerdings nur von kurzer Dauer, da ein berittener Bote von Maddox erscheint, der Grubert an den verdrängten Büroalltag erinnert.

 

Schreibstil & Artwork:

Der 1938 in Nogent-sur-Marne (in der Nähe von Paris) geborene Zeichner Jean Giraud, der dem Publikum eher unter seinem Künstlernamen Moebius oder auch Gir bekannt sein dürfte, veröffentlichte nach dem Studium der angewandten Kunst an der Académie des Beaux-Arts in Paris 1956 seinen ersten Comic in Magazin „Far West“. Der eigentliche Durchbruch begann allerdings erst 1963, als er für das Jugend-Magazin „Pilote" die Westernserie „Blueberry“ (dt. „Leutnant Blueberry“) nach einem Szenario von Jean-Michel Charlier zeichnete. Während Jean Giraud klassische Western-Abenteuer mit „GIR" signierte, zeichnet er unter dem Pseudonym „Moebius" humoristische und extravagante Comics für Erwachsene.

 

1975 war Moebius Mitgründer des Verlages "Les Humanoïdes Associés" und des Comic-Magazins "Métal Hurlant" („Schwermetall", „Heavy Metal"). 1980 startete er die skurrile Science-Fiction-Serie John Difool (Text von Jodorowsky). Giraud und Jodorowsky lernten sich kennen, als dieser an der Vorbereitung für die Verfilmung des Romans „Der Wüstenplanet“ von Frank Herbert arbeitet. Auch wenn dieses Projekt an einigen recht lustigen Details scheiterte (mehr dazu im Anhang des vorliegenden ersten Bandes der Reihe), entwickelten beide 1978 gemeinsam den Comic „Die Augen der Katze“ und begannen dann zwei Jahre später für das französische Magazin „Métal Hurlant“ mit der SF-Reihe „John Difool“, die es bis 1989 letztlich auf sechs Bände brachte und rasch Kult-Status erreicht.

 

Er arbeitete auch an Filmen wie „Tron“ und „Das fünfte Element“ mit, denen er ein zum Teil ganz typisches und unverwechselbares Design gab. Daneben entstanden aber auch zahlreiche andere Comic-Stories, zu denen unter anderem „Jim Cutlass“, „Le garage hermétique“ (dt. „Die hermetische Garage“) oder aber die 6-teilige Science-Fiction-Comicserie „Le monde d'Edena“ (dt. „Die Sternenwanderer“) gehören.

 

Als Multitalent arbeitete er aber auch für die Werbebranche und zeichnete unter anderem Kampagnen für den französischen Schuhhersteller Eram, Citroën und BMW. Nach Aufenthalten in Japan und Los Angeles lebte Giraud seit der Trennung von seiner ersten Frau und der Heirat mit Isabelle Champeralle 1988 wieder in Frankreich. Am 10. März 2012 verstarb Jean Henri Gaston Giraud, genannt Moebius im Alter von 73 Jahren an Lymphdrüsenkrebs.

 

Wunderbar leichte Geschichten mit einem starken surrealen Anklang nehmen den Leser mit auf eine Reise zu fremden Planeten, Gebräuchen und Wertevorstellungen. Zwei der wohl wichtigsten Geschichten des Bandes dürften zweifelsohne „Zwischenlandung auf Pharagonescia“ und „Ist der Mensch gut?“ sein. Während es in der einen Geschichte um die Natur der Magie, die Neugierde des Menschen und die damit verbundenen Risiken geht, widmet sich das eher grafische Experiment in „Ist der Mensch gut?“ dem Klischee, ob der Mensch wirklich die Krone der Schöpfung ist oder es andere Wesen gibt, die ihn unter Umständen einfach nur als Beutetier betrachten könnten. Und so gibt es neben einer überaus komischen Komponente auch eine überaus tiefe Symbolik zu erleben, wenn dem Menschen von einem der Monster das Ohr abgebissen wird und sich herausstellt, das der Mensch nicht gut schmeckt.

 

Gleichsam in einem Rausch und dennoch immer zielstrebig entwickelt Moebius für seine kurzen, zum Teil nur eine Seite umfassenden Geschichten, wunderbare Pointen, die oftmals abstrus, grotesk oder einfach nur lächerlich sind. Sie scheinen nicht in diese seltsamen Welten voller Technik, bizarr-schöner Pflanzen oder Wesen zu passen und machen sie einfach nur menschlich nachvollziehbar, handelt es sich doch um zum Teil höchst irdische und normale Probleme. Und so dürften diese Geschichten (bei aller Verwirrung) sicherlich manchem Leser ein überaus seliges Lächeln auf die Lippen zaubern.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Der Verlag Cross Cult schickt sich an, eine auf sieben Bände konzipiert Moebius-Collection auf den Markt zu bringen, die als gebundene Hardcoverausgaben in einheitlichem Design und Format erscheinen und die einflussreichsten Episodencomics, die den Namen und Ruf von Moebius als Comicikone begründeten, nach sage und schreibe 20 Jahren erstmals wieder lieferbar machen.

 

Wie bereits in den vorliegenden Bänden, so gibt es auch in diesem Band ein Vorwort von Moebius, der einige Hintergründe zur Entstehung der unterschiedlichen kurzen oder längeren Szenarien gibt und somit den Leser unmittelbar an seiner Gedankenwelt teilhaben lässt. Ironischerweise sind manche Ideen von Moebius gänzlich „unspektakulär“ und so sollte man sich unter Umständen dieses Vorwort bis zum Schluss aufheben, um sich nicht die Freude an den immer wieder gelungenen Inhalten zu nehmen und zu einer eigenen Interpretation zu kommen. Die wiederum tadellose Übersetzung stammt von Rossi Schreiber und besitzt den passenden Charme, um die Szenarien ins rechte Licht zu rücken.

 

Fazit:

Die einzelnen Geschichten durchzieht ein immer wiederkehrendes Motiv: Die Ankunft eines Charakters in einer ihm unbekannten Welt. Aber es wäre nicht Moebius, wenn diese humorvollen Geschichten, die mit einer unglaublichen Leichtigkeit gezeichnet und inszeniert sind, vor Symbolik und Doppeldeutigkeiten strotzen würden. Sicherlich fällt es mir nicht unbedingt leicht, den Inhalt der Szenarien wiederzugeben und man möge mir verzeihen, nicht unbedingt alles deuten zu können, was Moebius in seinem kreativen Delirium zu Papier gebracht hat, doch möchte ich lediglich Appetit auf diese surreale Achterbahnfahrt machen.

 

Insgesamt ein weiterer gelungener Band mit zwei wichtigen Szenarien des großen französischen Meisters und einigen zum Teil auch experimentellen Geschichten, die zum Nachdenken, aber auch zum Träumen einladen. Ich kann es an dieser Stelle nur noch einmal betonen, Moebius bringt mit zum Teil einfachen Mitteln grandiose Einzelstücke zu Papier, mit deren Ideen andere Autoren oder Zeichner vielleicht ganze Alben gefüllt hätten. Für mich ist auch dieser Band eine absolute Empfehlung, die in keinem Comic-Regal fehlen darf und unter Umständen neuen Lesern Freude an der manchmal recht verwirrenden Gedankenwelt des Franzosen bietet.