Links zur Rezension Inhalt:Im sechsten Band der Moebius-Collection kann sich der Leser auf folgende Szenarien freuen: „The Long Tomorrow“, „Rock City“, „Das Universum ist ein Dorf“, „Rotbart und der Hirnpirat“, „Das Artefakt“, „Anflug auf Centauri“ und „Variation Nr. 4070 über „das" Thema“
The Long Tomorrow Der Privatdetektiv Pete Club, der sein Büro im 97. Bezirk unterhält, bekommt einen neuen Auftrag, der ihn in die 12. Ebene verschlägt, in der die Reichen wohnen. Seine Auftraggeberin, Dolly Vook zu Katterbar, stellt sich als überaus attraktive Frau heraus, die Club darum bittet, ihr aus einem Schließfach in der Sub-Station auf der 199. Ebene einen Handkoffer zu besorgen. Eigentlich ein leichter Job, auch wenn die 199. Ebene nicht unbedingt ein empfehlenswerter Ort ist. Club übersteht einen Überfall in der 199. Ebene, kommt aber in den Besitz des Koffers. Allerdings kann er diesen nicht an Dolly Vook ausliefern, da man diese getötet hat und es in ihrem Apartment von Cops wimmelt. Hier muss Club erfahren, das sich ein arkturischer Spion in der Stadt aufhält, der sich auf die Suche nach dem Gehirn des Majors gemacht hat und die verstorbene Dolly Vook wohl eine Geliebte des Majors war. So kann sich Club fast an einer Hand abzählen, was sich in dem Koffer befindet, den er besorgen sollte. Doch bereits auf dem Weg zurück in Büro gerät er in einen Schusswechsel mit einem Auftragskiller und muss später sogar noch einmal seine Auftraggeberin treffen, da es sich bei der ermordeten Frau im Apartment lediglich um Androiden-Double gehandelt hat. Schließlich ist es Zeit für Pete Club Entscheidungen zu treffen.
Rock City Irgendwo im futuristischen Rock-City steht ein Mann auf, sitzt rauchend auf seiner Bettkante, zieht sich an um sich dann auf einen Spaziergang durch die Menschenmengen der Stadt zu machen. Ständig überwacht von Kameras überwältigt er einen Sicherheitsbeamten und erschießt diesen. Bewaffnet flieht er auf den höchsten Turm der Stadt um sich von dort in die Tiefe zu stürzen. Sein Leben findet allerdings keine Ende, da er gerettet wird und der Leser sich nicht sicher sein kann, ob er einem Traum folgt oder einer Inszenierung von Wissenschaftlern, die mit diesem Mann ein perfides Spiel spielen.
Das Universum ist ein Dorf Ein Raumschiff setzt zur Landung auf einem Planeten an. An Bord befindet sich ein Liebes-Pärchen, welches endlich wieder einmal festen Boden unter den Füßen spüren möchte. Auch wenn der Planet angeblich unbewohnt ist, so befindet sich doch ein Schiffbrüchiger auf der kleinen Insel, der mit seiner Rakete hier gestrandet ist. Das Paar trifft auf einen Mann und dessen Tier Max, der sich als Labajoue herausstellt. Und scheinbar kennen sich Labajoue und der andere Mann namens Tormy. Das Universum scheint ein Dorf zu sein, zumal wenn man alte Rechnungen zu begleichen hat und Labajoue unvermittelt versucht Tormy zu erwürgen. Die Situation eskaliert und nimmt ein böses Ende.
Rotbart und der Hirnpirat Boomy ist unterwegs nach Kassiop auf dem Raumschiff Transcas 3L mit einer Fracht Floluol und gemasertem Blavuol. Er ist bereits 30 Standard-Tage in Verzug und sein Auftraggeber macht ihm Druck. Seine Sorgen gelten aber nicht nur dem Verzug, sondern auch seinem schizoparanoiden Mechaniker, einer Drohne Marke Hirnex Major V, der Boomy für Captain Rotbart hält. Als Boomy sich den Schädel stößt und ohnmächtig am Boden liegt, sorgt die Drohne, die ihn vermeintlich für Tod hält, für eine angemessene Beisetzung. Kurzerhand packt sie ihn in einen Behälter und lässt diesen vom Raumschiff aus in die Leere des Weltalls schweben.
Das Artefakt Das Raumschiff Gimbarde hat einen gewaltigen Planeten vom Typ A entdeckt, der über gewaltige Vorkommen von Billenium verfügt. Ein Landungstrupp macht sich auf den Weg zur Oberfläche und am Strand entdecken sie eine gewaltige Burg, welche die Männer für ein gewaltiges Artefakt halten. Eine nähere Untersuchung der scheinbar verlassenen Burg führt die Männer allerdings in ihr Unglück.
Anflug auf Centauri Das Navigieren eines Raumschiffes kann viele Gefahren mit sich bringen, insbesondere wenn man beim Eintauchen in den Hyperraum aus dem Kontinuum geschleudert wird. Welche brutalen Erfahrungen man dann durchstehen muss, erlebt ein Navigator praktisch am eigenen Leib.
Variation Nr. 4070 über „das" Thema Ein atomarer Krieg, der über die Erde rast und nichts als Zerstörung und Tote hinterlässt und ein makabrer Schluss, für eine Geschichte, die gänzlich ohne Worte auskommt.
Schreibstil & Artwork:Der 1938 in Nogent-sur-Marne (in der Nähe von Paris) geborene Zeichner Jean Giraud, der dem Publikum eher unter seinem Künstlernamen Moebius oder auch Gir bekannt sein dürfte, veröffentlichte nach dem Studium der angewandten Kunst an der Académie des Beaux-Arts in Paris 1956 seinen ersten Comic in Magazin „Far West“. Der eigentliche Durchbruch begann allerdings erst 1963, als er für das Jugend-Magazin „Pilote" die Westernserie „Blueberry“ (dt. „Leutnant Blueberry“) nach einem Szenario von Jean-Michel Charlier zeichnete. Während Jean Giraud klassische Western-Abenteuer mit „GIR" signierte, zeichnet er unter dem Pseudonym „Moebius" humoristische und extravagante Comics für Erwachsene.
1975 war Moebius Mitgründer des Verlages "Les Humanoïdes Associés" und des Comic-Magazins "Métal Hurlant" („Schwermetall", „Heavy Metal"). 1980 startete er die skurrile Science-Fiction-Serie John Difool (Text von Jodorowsky). Giraud und Jodorowsky lernten sich kennen, als dieser an der Vorbereitung für die Verfilmung des Romans „Der Wüstenplanet“ von Frank Herbert arbeitet. Auch wenn dieses Projekt an einigen recht lustigen Details scheiterte (mehr dazu im Anhang des vorliegenden ersten Bandes der Reihe), entwickelten beide 1978 gemeinsam den Comic „Die Augen der Katze“ und begannen dann zwei Jahre später für das französische Magazin „Métal Hurlant“ mit der SF-Reihe „John Difool“, die es bis 1989 letztlich auf sechs Bände brachte und rasch Kult-Status erreicht.
Er arbeitete auch an Filmen wie „Tron“ und „Das fünfte Element“ mit, denen er ein zum Teil ganz typisches und unverwechselbares Design gab. Daneben entstanden aber auch zahlreiche andere Comic-Stories, zu denen unter anderem „Jim Cutlass“, „Le garage hermétique“ (dt. „Die hermetische Garage“) oder aber die 6-teilige Science-Fiction-Comicserie „Le monde d'Edena“ (dt. „Die Sternenwanderer“) gehören.
Als Multitalent arbeitete er aber auch für die Werbebranche und zeichnete unter anderem Kampagnen für den französischen Schuhhersteller Eram, Citroën und BMW. Nach Aufenthalten in Japan und Los Angeles lebte Giraud seit der Trennung von seiner ersten Frau und der Heirat mit Isabelle Champeralle 1988 wieder in Frankreich. Am 10. März 2012 verstarb Jean Henri Gaston Giraud, genannt Moebius im Alter von 73 Jahren an Lymphdrüsenkrebs.
Auch dieser Band versammelt einige bemerkenswerte Geschichten von Moebius, zu denen mit Sicherheit „The Long Tomorrow” aus dem Jahr 1975 gehört, die von Dan O’Bannon geschrieben wurde und die Moebius geradezu genial umgesetzt hat. Beide lernten sich kennen, als Moebius gerade mit Jodorowsky an der Verfilmung von „Dune“ arbeitete. Aus einer Laune heraus entstanden die ersten Panels und die Grundidee einer Geschichte, die später mehr oder weniger als direkte visuelle Vorlage für das Kino-Meisterwerk „Blade Runner“ von Ridley Scott diente und auch Luc Besson zu „Das fünfte Element" inspirierte. Selbst William Gibson diente diese kurze Geschichte als Anregung für seine „Neuromancer“-Trilogie. Das es nicht immer Dialoge braucht, beweist Moebius in der Geschichte „Rock City“, dessen Held wie ein Gefangener in einem Käfig lebt und es wohl nie schaffen wird auszubrechen. Hier bleibt viel Platz für den visuellen Eindruck der Bilder und der Leser ist geradezu selbst gezwungen sich seine eigenen Sprechblasen zu entwickeln. Es gibt auch Momente voll schwarzem Humor, wie er beispielsweise in „Das Universum ist ein Dorf“ oder „Rotbart und der Hirnpirat“ gepflegt wird. Insbesondere letztere ist gespickt mit Anspielungen, wie beispielsweise, das der Computer wie Kapitän Haddock flucht, Rotbart ein von Jean-Michel Charlier erschaffener Held ist und noch vieles mehr. Hier lohnt es sich, das kleine Szenario aufmerksam zu lesen, insbesondere, wenn man die Arbeiten von Charlier kennt.
Überaus beeindruckend ist auch die Auftragsarbeit „Variation Nr. 4027 über „das“ Thema“, in dem sich Moebius mit dem Thema Atomkrieg auseinandersetzt, ein Thema, welches zu seiner Zeit wesentlich präsenter und aktueller in den Köpfen der Menschen war als heute. Für Moebius waren die Zeichnungen bei ihrer Erschaffung mehr als nur Bilder, sie sollten provozieren und ins Bewusstsein der Menschen eindringen. Ein hoher Anspruch, dessen Wirkung er sich selbst nicht sicher war.
Zeichnerisch bleibt Moebius fast gänzlich der traditionellen Anordnung von Panels verpflichtet und lässt kaum Abweichungen vom Normaufbau zu. Was Moebius auszeichnet, ist der absolut überzeugende Blick für die richtige Perspektive und die Anordnung seiner Figuren und phantastischen Landschaften aus. Egal ob mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet oder aber fast skizzenhaft zu Papier gebracht, zeigt sich immer ein herausragendes Können in der visuellen Gestaltung. So hat es auf jeden Fall seinen Grund, warum Generationen von Zeichnern und Filmschaffenden aus dem reichhaltigen Repertoire von Moebius schöpfen, um ihre SF-Welt mit Leben zu füllen.
Qualität, Ausstattung & Übersetzung:Der Verlag Cross Cult schickt sich an, eine auf sieben Bände konzipiert Moebius-Collection auf den Markt zu bringen, die als gebundene Hardcoverausgaben in identischem Design und Format erscheinen und die einflussreichsten Episodencomics, die den Namen und Ruf von Moebius als Comicikone begründeten, nach sage und schreibe 20 Jahren erstmals wieder lieferbar machen.
Auch der sechste Band der Reihe überzeugt sowohl durch seine Verarbeitung als auch die Druckqualität. Wie bereits bei den anderen Bänden gibt es ein überaus informatives Vorwort von Moebius, der dem Leser einiges zur Entstehung der Kurzgeschichten erläutert, auch wenn man manchmal hier und da Schwierigkeiten hat, seiner Gedankenwelt zu folgen. Hier bedarf es schon an einigen Stellen an Hintergrundwissen, was einem aber nicht das Vergnügen an dem Inhalt des Bandes nimmt. Gerne hätte ich auch in diesen Band einige editorische Notizen zur Erstveröffentlichung der Geschichten gesehen, aber das ist dann auch schon jammern auf recht hohem Niveau. Die tadellose Übersetzung der Kurzgeschichten stammt wiederum von Rossi Schreiber und lässt sich überaus angenehm lesen, wohingegen das Vorwort von Moebius von André Winter übersetzt wurde.
Fazit:Zweifelsohne dürfte „The Long Tomorrow“ eine der eindruckvollsten Geschichten dieses Bandes sein, der sechs weitere Comic-Kurzgeschichten von Moebius enthält, die zu seinen düstersten, sozialkritischsten und gleichzeitig überraschendsten gehören. Und so gibt es für den Leser einen Rausch von Ideen im Bereich der SF, die ihresgleichen suchen und nach fast über 40 Jahren immer noch gänzlich frisch und unverbraucht daher kommen.
Ein zum Teil recht aufschlussreiches Vorwort von Moebius beantwortet eine ganze Reihe von Fragen, die sich in den surrealen Welten dem Leser zweifelsohne auftun, aber auch hier gilt, das man sich gänzlich auf das Universum einlassen sollte, zu dem Moebius dem Leser die Tür öffnet.
Wer die bisherigen Bände der Reihe kennen gelernt hat, der dürfte von diesem Band ebenso begeistert sein, wie ich es bin. In diesen zum Teil kurzen Geschichten, die nur auf wenigen Seiten ausgearbeitet sind, bringt Moebius grandiose Einfälle zu Papier, mit denen andere Autoren oder Zeichner vielleicht ganze Alben gefüllt hätten. Für mich auf jeden Fall eine Empfehlung, die in keinem Comic-Regal fehlen darf und vielleicht auch Einsteigern einen Zugang in die manchmal recht verwirrende Gedankenwelt des Franzosen ermöglicht. |
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