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Der Astronaut
Bewertung:
(3.0)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 30.01.2014
Autor:Danilo Beyruth (Autor und Zeichnungen)
Übersetzer:Monja Reichert
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Weltall
VerlagPanini Comics
ISBN/ASIN:978-3-86201-743-0
Inhalt:82 Seiten, Hardcover
Preis:16,95 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Der Astronaut, beseelt von dem Gedanken, jedes mal weiter zu gehen, an Orte, die nie jemand anderes zuvor betreten hat, verschlägt es auf seiner neuen Mission zu einem einzigartigen Schauspiel: Dem Magnetar. Hier soll der Astronaut an Ort und Stelle Daten des sonderbaren Gestirns sammeln, das die Grenzen der physikalischen Gesetze auf die Probe stellt. Alles scheint reibungslos zu funktionieren. Seine kugelförmige Raumkapsel erreicht den Magnetar und die Landung gelingt. Der Astronaut muss sich allerdings nach draußen begeben um Sonden für die Messungen anzubringen. Während er gerade damit beschäftigt ist den Hauptsensor aufzustellen, erreicht ihn vom Bordcomputer eine Warnung, da der Magnetar starke Aktivität auszustrahlen beginnt. Kurze Zeit später steht der Astronaut in einer gewaltigen Welle einer Explosion, die er glücklicherweise unbeschadet überstehen kann, allerdings hat seine Raumkapsel Schaden genommen und sämtliche Systeme sind ausgefallen.

 

Es gelingt dem Astronauten die Lebenserhaltungssysteme wieder zum laufen zu bringen, doch alles andere an Technik funktioniert im Moment nicht und ein Gefühl überkommt den Astronauten, wie ein Schiffbrüchiger im Weltall zu treiben. Selbst ein Hilferuf über Funk würde durch die starke Energie des Magnetar in statische Energie verwandelt und so scheint seine Lage zunächst nicht sonderlich hoffnungsvoll. Auf sich alleine gestellt, schickt sich der Astronaut an, aus der Situation das beste zu machen und zu überleben. Über 146 lange Tage sollen folgen, in denen er langsam aber sicher wahnsinnig wird und Halluzinationen ihn durch die Gänge seiner Kapsel treiben. In seinen Wahnvorstellungen begegnet er seinem Vater und anderen Mitgliedern seiner Familie, die er mit seiner unbändigen Drang nach immer neuen Missionen sträflich vernachlässigt hat.

 

In einem lichten Augenblick beschließt der Astronaut jedoch einen wagemutigen Plan, um seiner vermutlichen Todesfalle zu entkommen. Ein überdimensionierter Raumanzug, der für schweres Gelände konzipiert wurde, soll ihm bei seiner Flucht helfen.

 

Schreibstil & Artwork:

Der Astronaut, den der Leser im gleichnamigen Band kennen lernt, ist eine von Danilo Beyruth sehr persönlich gestaltete Interpretation des von Mauricio de Sousa 1963 geschaffenen Helden, der in den Comic-Strips der Zeitung „Diario de S. Paulo“ veröffentlicht wurde. Sousa wollte seinerzeit einen futuristischen Helden erschaffen, der mit dem ausländischen Material mithalten konnte, das in den Zeitungen gedruckt wurde. Und so entstand ein überaus brasilianischer Held, der durch das Weltall reist und spannende Abenteuer voller guter Laune, Wissenschaft, Fantasie und auch Philosophie erlebt. Eine Figur, die auch Generationen von Zeichnern prägen sollte und so wundert es nicht, als zwischen 2009 und 2011 in Brasilien Autoren und Zeichner gesucht wurden, die ihre eigene Version dieser und anderer bekannter Figuren von Mauricio de Sousa entwickeln sollten. Einer von ihnen ist der 1973 in Sao Paulo geborene Danilo Beyruth.

 

Viele Jahre lang war Danilo Beyruth Art Director der Werbeagentur DPZ, die er zusammen mit Marcelo Braga, Marcelo Daldoce und Mauricio Zuardi mit dem Vorhaben verließ, das Illustrationsstudio „Macacolandia“ zu gründen, das zwischenzeitlich mit den bekanntesten Werbeagenturen kollaborierte. 2007 begann er, in der Comicbranche zu arbeiten und selbständig die Serie „Necronauta“ zu veröffentlichen. Diese hatte so großen Erfolg, dass Image Comics ihm anbot, mit einer 16-seitigen Geschichte seines Comic-Helden am Sammelband „Popgun – Volume 3“ mitzumachen. Im Dezember 2009 veröffentlichte der Verlag HQ Maniacs die ersten Geschichten von „Necronauta“ in einem eigenen Band.

 

Beyruth hat aber auch bei zahlreichen anderen Comic-Sammelbänden mitgearbeitet, unter anderem an „Jesus hates Zombies“, „Fierro Brasil“ und „MSP + 50 Mauriciode Sousa por mais 50 artistas“, für das er eine Geschichte mit dem Gespenst Penadinho anfertigte. 2010 veröffentlichte er dank des Verlages „Zarabatana“ den Comic „Banda de Dois“ und erhielt dafür den Angelo Agostini Preis für die beste Veröffentlichung und die Preise HQ Mix für die beste nationale Sonderedition, das beste nationale Szenario und als bester nationaler Zeichner. Seitdem hat Beyruth mit dem Verlag Zarabatana auch „Necronauta – O Almanaque dos Mortes“ mit diversen unveröffentlichten Geschichten herausgebracht. Zudem wurde ihm angeboten, den Band „Der Astronaut“ zu realisieren, den Erstling der „Graphic MSP – Reihe“. Momentan arbeitet Beyruth wieder in der Werbebranche und hat mit seinem neuen Projekt „Sao Jorge“ begonnen.

 

Als Autor und Zeichner bietet Danilo Beyruth seinem Leser einen überaus erwachsenen Astronauten, der zwar von seinen Charakterzügen seinem klassischen Vorbild sehr ähnelt, er diesen Charakter aber durch seinen Stil in die Gegenwart rettet und eine letztlich sehr psychedelische Reise für seinen Astronauten darbietet. So verwandelt sich gegen Ende des Bandes der weitläufige und unendliche Weltraum mit seinen etlichen noch unerforschten Geheimnissen zu einem Ort, an dem der Mensch völlige Isolation erdulden und sich seines eigenen Daseins schmerzlich bewusst werden muss. Ein gelungenes Psychogramm eines ehrgeizigen Menschen, der durch diese absolute Grenzerfahrung geläutert wird und den es zurück nach Hause treibt, zu seiner Familie und seinen Freunden.

 

Zeichnerisch merkt man das eigentliche Metier von Beyruth – die Werbebranche. Auch wenn er fast gänzlich eine modernistische Panel-Anordnung verzichtet, so stimmen doch jede Einstellung und Perspektive, in denen der Leser dem Protagonisten in seinem verzweifelten Kampf ums Überleben folgen kann. Unterstützt wird Beyruth in der Farbgestaltung durch den Koloristen Cris Peter, der mit einer sehr ausgewogenen Mischung aus Farben die jeweiligen Bilder unterstützt.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Der Panini Verlag bietet dem Leser eine gebundene Hardcoverausgabe im Format A 4, die sowohl durch ihre Verarbeitung als auch die Druckqualität überzeugt. In Sachen Ausstattung gibt es ein Vorwort von Mauricio de Sousa als auch von Marco M. Lupoi, dem Publishing Director Europe Panini Comics, die sich beide mit der Entstehung und den Hintergründen der Geschichte des Astronauten auseinandersetzen. Zudem gibt es im Anhang ein Glossar, da sich Beyruth mit recht intensiv mit dem Gebiet der Astrophysik auseinandergesetzt hat und es somit dem Leser etwas einfacher fällt, verschiedene Fachbegriffe richtig einzuordnen. Als weiteres Bonus-Material gibt es einen Blick in den Skizzenblock von Danilo Beyruth, als auch den Nachdruck der ersten farbigen Sonntagsausgabe des Astronauten von Sousa, die 1963 in der Beilage für jung Leser im „Diario de S. Paulo“ veröffentlicht wurde. Die absolut gelungene Übersetzung stammt von Monja Reichert und lässt sich überaus angenehm lesen. Das Lettering besorgte Alessandro Benedetti.

 

Fazit:

Wer sich den Nachdruck des Astronauten von 1963 im Anhang des Bandes anschaut, kann sich sicherlich ausmalen, wer eigentlich die Zielgruppe von Sousa gewesen ist: Kinder. Als Beilage für „jung Leser“ wollte Sousa seinen Helden als furchtlosen Wissenschaftler und neugierigen Weltall-Forscher präsentieren, mit dem sich vornehmlich Kinder identifizieren konnten. Was Beyruth dieser Figur abgewinnt, um sie mit solcher Wucht in die Gegenwart zu katapultieren ist atemberaubend. Da ist zwar immer noch der Astronaut, der mit seinem Schutzanzug Abenteuer im Weltall erlebt und beständig mit seinem Bordcomputer spricht, doch das Schicksal hat sich gewandelt und aus dieser kleinen niedlichen Figur ist ein Mensch geworden, dessen Forscherdrang ihm seine eigenen Grenzen aufzeigt und somit diese Neuinterpretation dieses Klassikers von Sousa zu einer ganz besonderen Erfahrung machen.