The Quintessential HalflingAllgemeines & Layout: Das nunmehr 20. Buch aus der Quintessential-Reihe von Mongoose widmet sich einmal mehr einer Rasse. Immerhin 128 Seiten stark kommt das Softcover in gewohnter Lederoptik daher, passend zu den anderen Büchern der Reihe, die sich immerhin als „Collector Series“ versteht. Damit ist der farblich gestaltete Teil des Buches auch schon abgehandelt, denn auch diesmal setzen die Engländer auf schwarz-weiß. Die Qualität der Illustrationen ist größtenteils in Ordnung, einige verdienen jedoch gerade mal den Titel „Skizze“. Hier wäre es ratsam für Mongoose endlich mal einen einheitlichen Standard für diese Reihe zu etablieren. Auch das Textlayout kommt im gewohnten zweispaltigen Aufbau daher. Die Schrift ist gut lesbar, die Gliederung übersichtlich. Die Bindung könnte, auch für ein Softcover, ein wenig stabiler ausfallen.
Das Erscheinen der Revised Edition ist auch an dieser Serie nicht vorbei gegangen und so wirbt das Cover schon mit dem Aufdruck „v3.5 Compatible“. Gegenteiliges konnte ich nicht feststellen.
Inhalt: Nach der obligatorischen Einleitung folgen die so genannten Character Concepts. Diese werden bei Erschaffung eines Charakters ausgewählt und bieten kleine Vorteile, die durch Nachteile aber auch wieder ausgeglichen werden. Die Konzepte stellen den Anspruch, dem Charakter einen stimmigen Hintergrund zu geben oder zumindest Anhaltspunkte für einen solchen zu liefern. Der Aufbau ist bei allen gleich: Eine kurze Beschreibung, Begründungen für das Abenteurerdasein und Anmerkungen zur rollenspieltechnischen Umsetzung. Den Abschluss bilden die Erklärungen zu Vor- und Nachteilen. Obwohl sich hier einige interessante Anhaltspunkte finden lassen, wirkt die Umsetzung durch Regeln ein wenig undurchdacht. So dürfte die als Nachteil gedachte Vorschrift des Clan Cleric, mindestens die Hälfte aller Fertigkeitspunkte pro Stufe in die Fertigkeit Heilen zu investieren bei einem Kleriker mit hoher Intelligenz auf Probleme stoßen. Teilweise tief greifende Änderungen der Grundregeln lassen im Bezug auf diese Konzepte bei mir Skepsis in Hinsicht auf Balance und Spielbarkeit aufkommen. Wer seinem Charakter jedoch ein wenig Tiefe verleihen will, ist in diesem Kapitel erst einmal richtig. Dazu hält auch eine optionale Regel Einzug: Clan Loyalty. Darauf möchte ich aber im vorletzten Kapitel erst näher eingehen.
Als zweites Kapitel stehen dann die Prestige-Klassen zur näheren Erläuterung an. Sowohl auf fünf als auch auf zehn Stufen ausgelegte Prestigeklassen sind hier zu finden, die ausgeglichen wirken, wenngleich teilweise ein wenig unkreativ bis einfallslos. Es wird eigentlich nichts revolutionär Neues geboten, mit Ausnahme des Master Chefs der aber hauptsächlich für NSCs in Betracht kommen dürfte. Es sollte für jede Klasse etwas zu finden sein, die meisten Prestigeklassen sind ganz klar auf eine gute Gesinnung und die Gemeinschaft der Halblinge ausgerichtet. Spielleiter sollten aber etwas finden, was sie für ihre Halblinge noch suchen.
Kommen wir nun zum dritten Kapitel mit der Überschrift „Tricks of the Halflings“. Als erstes stehen einmal wieder neue Nutzungsmöglichkeiten für Fertigkeiten auf dem Plan. Das Kopieren eines Schlüssels mittels Mechanismus ausschalten und ähnliche, mittlerweile übliche Regeldehnungen finden sich am Anfang des Abschnitts. Darauf folgen genau vier neue Tricks, die Tieren antrainiert werden können, hier im speziellen Hunde, und etwas ausführlicheren Regeln zum Kochen. Die größte Aufmerksamkeit wird danach neuen Kampftaktiken gewidmet. Zum Leidwesen der Kompatibilität mit den Grundregeln werden hier bereits vorhandene Regeln geändert oder einfach nur verstärkt. Hinzu kommen völlig neue Taktiken, die allerdings auch einiges an neuen Regeln mit sich bringen. Für Fighting on Monsters wurden ganze vier Seiten aufgewandt und auf den ersten Blick sieht es gut ausgearbeitet und durchdacht aus. Bei genauerer Betrachtung stechen zwei Dinge ins Auge. Zum einen das Trefferzonensystem, das vielleicht noch Geschmackssache ist, aber essentiell für diese Taktik. Zum anderen ist dieses System relativ kompliziert und passt nicht zu dem ansonsten abstrakten Prinzip des d20 Systems. Ob man den letzten Teil der Taktik-Sektion ernst nimmt oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen. Mir ist es nicht ganz gelungen. Zumindest werden hier Regeln für die Verwendung anderer Charaktere als Wurfwaffen präsentiert. Insgesamt scheint mir das Taktik-Kapitel ein wenig mit dem nächsten, welches neue Talente vorstellt, vertauscht worden zu sein, da hier bestimmt an der ein oder anderen Stelle ein Talent als Vorraussetzung oder zur Umsetzung der Taktiken angebracht gewesen wäre.
Wie gesagt fährt das Buch im nächsten Kapitel mit neuen Talenten fort. Hier sind einige Ansätze zu finden, die sicher zur Individualisierung eines jeden Halbling - Charakters beitragen. Fast zwei dutzend Talente sind nicht wenig, leider wurde hier von der Gelegenheit Gebrauch gemacht, auch viel falsch zu machen. Für das, was sie bieten haben einige Talente eindeutig zu geringe Vorrausetzungen, mit drei Ausnahmen sind alle ohne Probleme auf Stufe eins wählbar. An zwei Talenten möchte ich einmal deutlich machen, welche Fehler ich meine. Erstens Common Sense. Eine Aktion abbrechen zu dürfen, wenn an merkt, dass man zu hoch würfeln müsste gehört für mich in die Kategorie „Metagaming“. Zweitens Dive for Cover. Durch dieses Talent wird Evasion emuliert, zwar nur unter bestimmten Bedingungen, die aber viel zu großzügig gewählt wurden. Ein wenig mehr auf das Flair zu achten anstatt Halblinge zu übervorteilen könnte an dieser Stelle noch etwas retten.
In „Tools of the Halflings“ kann man seinen Halbling dann nach Herzenslust ausstatten. Von auf die Rasse zugeschnittenen Waffen und Rüstungen über Gegenstände des Alttags ist hier viel neu erdacht oder an die behandelte Rasse angepasst worden. Ein Extraabschnitt über Reithunde rundet die nicht - magsiche Ausrüstung ab. Auch Magische Gegenstände dürfen nicht fehlen, unter den zehn an der Zahl findet sich aber nichts, dass hier Erwähnung finden müsste. Ob nun Clan Sword, Halfling Plate oder Dropframe, hier ist vor allem für Kämpfer und Schurken vieles zu finden. Leider werden aber auch hier teilweise Regeln gebrochen oder zu Ungunsten der Spielbalance gedehnt.
Das mittlerweile sechste Kapitel bemüht sich nun, durch die Einführung von Subraces ein wenig Abwechselung und Tiefe zu vermitteln. Settled Haflings und Traveling Halflings machen hier den Anfang. Beide legen die aus den Grundregelwerken bekannten Halblinge voraus und eigentlich erfährt man hier nichts, was einem nicht zu den beiden Begriffen sofort einfallen würde. Fey, Pygmy, Stoneborn und Waterborn sind leichte Abwandelungen, wie man es von einer Unterkategorie einer Rasse erwartet, nur Twistborn und Shadlings sind ein wenig extravaganter, wirken aber gleichzeitig auch zu stark. Die einzelnen Subraces wurden detailliert ausgearbeitet und wirken in sich konsistent.
Ein kurzes siebtes Kapitel führt wieder einmal neue Regelmechanismen ein. So genannte Boons sollen bei der Benutzung bestimmter Fertigkeiten helfen. Durch Verwendung eines Spell slots des 0ten Grades wird ein Bonus zur benutzten Fertigkeit aktiviert. Hier hat der Autor allerdings deutlich über die Stränge geschlagen. Beschränkungen einiger Fertigkeiten werden gleichermaßen außer Kraft gesetzt, wie Sprüche höheren Grades emuliert werden. Hier besteht eindeutig Bedarf zur Nachbesserung.
Wer sich mit dem ein oder anderen großen Campaign Setting einmal näher auseinander gesetzt hat, wird bei Kapitel 8 ein kleines Déjà-vu erleben. Bekannte Götter unter neuem Namen, die ein wenig ungeschickt mit anderen Domänen versehen wurden. Hier mag nicht ganz das Gefühl aufkommen, dass alles seine Richtigkeit hat. Die Beschreibungen sind aber durchaus gelungen und gut ausgearbeitet. Zwei neue Domänen, Clan und Fate finden sich am Ende des Kapitels, da diese zu zwei der vorigen Götter gehören.
Mit „Secrets of the Halflings“ ist das neunte Kapitel betitelt und verspricht dadurch viel. Fast zwei Seiten zum so genannten Six Stone Casting, einer Methode zur Wahrsagerei, machen den Anfang. Durch einfaches Würfeln wird einem Spielercharakter die Zukunft vorhergesagt. Dies schlägt sich dann in Boni, bzw. Mali auf einige Spielwerte nieder. Wer schon immer nach einer Möglichkeit suchte, begründete Boni in gewissen Situationen zu vergeben, wird hier auch mit dem nötigen Flair versorgt. Weiter geht es mit einem Abschnitt über diverse Organisationen, die, nach Gesinnung geordnet kurz erläutert werden, zusammen mit einigen Tabellen zu Aktivität, “Sichtbarkeit“ und Loyalität eben dieser.
Clan and Family möchte uns nun den Aufbau von Clans sowie deren Erschaffung durch Spielleiter oder Spieler näher bringen. Nachdem sich das Mysterium Clan Loyalty nun wie ein roter Faden durch das gesamte Buch gezogen hat, kommt im letzten Kapitel schließlich die Auflösung. So optional wie beim Lesen des Hinweises am Anfang des Buches glauben mag, ist diese Regelung dann doch nicht, viele Elemente des Buches werden ohne sie nutzlos oder stark überarbeitungsbedürftig. Im Prinzip handelt es sich lediglich um den Versuch, Auswirkungen von Gesinnung, Verhalten oder Bedeutung für den Clan in Regeln zu pressen.
Gebäude und Karawanen behandelt das letzte Kapitel Halfling Structures. Ein paar Tabellen, kurze Beschreibungen, mehr bietet sich dem Auge hier nicht mehr.
Fazit: Nach dem Durchlesen möchte ich fast sagen „Setzen! Sechs!“. Es ist sicherlich eine Frage des Geschmacks, ob man alternative oder neue Regeln mag. Fallen sie allerdings so aus, wie in diesem Buch, sollte man eher die Frage nach Spielbarkeit und Kompatibilität stellen. Der Titel könnte auch „Halblinge als Eierlegende Wollmilchsäue“ lauten, es würde wenig bis kaum auffallen, meiner Meinung nach sogar besser passen. Rollenspiel sollte kein Wettrüsten der Charaktere sein, das scheint der Autor hier übersehen zu haben. Übersehen hat er wohl auch die ein oder andere Passage in den Grundregelwerken. Nahezu selbstverständlich werden aus meiner Sicht Tabus verletzt oder geflissentlich übergangen. Anzuraten ist es jedem, sich Gedanken zu dem Vorgestellten zu machen oder es gar zu überarbeiten. Das kann allerdings nicht der Sinn eines solchen Buches, für das immerhin fast 20 Euro den Besitzer wechseln, sein. Unter dieser deutlichen Schwäche in regeltechnischer Hinsicht leiden dann unausweichlich auch das „Flair“ bzw. die Hintergrundinformationen. Es vergeht kaum eine Seite, ohne zumindest einen Schwierigkeitsgrad, eine Tabelle oder irgendeinen Hinweis auf Regeln. Natürlich ist es unmöglich über einhundert Seiten mit lauter exklusiven und nie da gewesenen Ideen und Informationen zu füllen, gerade beim dem vorliegenden Thema. Aber bekannte Informationen in durcheinander gewürfelten Beschreibungen zu Papier zu bringen und zum tausendsten Mal einen Bonus für Halblinge einzubauen stellt einfach keine befriedigende Lösung dar. Wer jedoch unter vollkommener Ideenlosigkeit leidet, oder bereit ist das gesamte Werk wegen einiger netter Kleinigkeiten anzuschaffen, möge hier zugreifen. Eben diese Kleinigkeiten, welche sogar stellenweise sehr gut gefallen haben, retten das Buch vor der am Anfang dieses Fazits angesprochenen Schulnote. Die Anmerkung des Autors, dass einiges Material eine Extrapolation bekannten Materials und dies sein erstes Buch gewesen sei, lasse ich als (vielleicht sogar präventiv gedachte?) Entschuldigung nicht gelten. Mongoose sollte sich an dieser Stelle sowohl über die Qualität der bereits erwähnten Illustrationen als auch über die Wahl der Autoren und den von ihnen gelieferten Inhalt ernsthaft Gedanken machen.
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