Post von Roland
Hallo Sharn,
es ist viel zu lange her, dass wir das letzte Mal voneinander gelesen haben. Ich habe in der Zwischenzeit zwei Gefolgsleute und einen äußerst tüchtigen Leibdiener angestellt und sogar schon einen Abstieg in die Eingeweiden unseres schönen Zuhauses getan. Aber ich möchte heute nicht von diesen Gefolgsleuten erzählen, sondern von einer viel wichtigeren Bekanntschaft: Gorsch.
Gorsch ist ein Wandler, der irgendwo in den dunklen Tiefen Sharns sein Leben fristet. Wir trafen ihn, als er uns mit einem Freund in den Abwasserkanälen auflauerte und angriff. Wie sich herausstellte, wurde Gorsch für fünf Goldstücke angeheuert, mich (und möglichst auch meine Begleiter) umzubringen.
Ich weiß, was ihr jetzt denkt, und ich denke dasselbe: Wie schwer muss es dieser arme Mann haben, dass er den Wert des Lebens anderer so niedrig ansetzt – zumal, wenn es sich zumindest in meinem Falle nicht nur um einen Angehörigen eines gemarkten Hauses, sondern sogar den Träger eines Drachenmals handelt. Was ist Gorsch widerfahren, dass er solche schrecklichen, schmutzigen und schlecht bezahlten Aufträge annehmen muss?
Als wir Gorsch laufen ließen, mussten wir ihm zur Sicherheit auch seine schäbige Rüstung abnehmen, was mir im Nachhinein noch größere Sorgen bereitet. Natürlich beschäftigt mich auch, dass wir seinen Freund im Kampf töten mussten, aber so etwas kann man nicht immer verhindern, nehme ich an. Jedenfalls hat mich der Anschlag ziemlich geschockt, denn er verdeutlichte mir das Elend in den Untervierteln deutlicher als der Besuch auf dem Rattenmarkt es je könnte. Darum fordere ich alle Leser dieser Post auf, heute in ihrem Tagesablauf innezuhalten und etwas Gutes zu tun. Füttert einen Straßenköter, gebt einem Bettler ein Kupferstück oder unterhaltet euch mit einer Dirne über ihr Leben. Tut es für Gorsch!
Ansonsten möchte dieser bescheidene Schreiber noch erwähnen, dass er das Vergnügen der Gesellschaft der Mylady Elaidrin Davaune aus dem Hause Cannith hatte, und auch wenn die Zusammenkunft in einer geschäftlichen Angelegenheit erfolgte, konnte ich mich des Eindruckes doch nicht erwehren, dass sich zwischen uns die Andeutung eines Hauches eines zarten Bandes bildete. Natürlich ist Elaidrin bestimmt zehn Jahre älter als ich, aber sie ist kein stinkender Halbling, wenn ihr versteht, was ich meine. Wünscht mir also Glück!
Bevor ich schließe, muss ich noch eine letzte Empfehlung loswerden. Wachtmeister Dolom, der mir an der Morgrave-Universität begegnete, ist ein stattlicher Zwerg und nicht nur eine Quelle der Gerechtigkeit, sondern auch der Weisheit. Meinem Eindruck nach ist er wesentlich weniger bestechlich als der durchschnittliche Wächter, also wendet euch an ihn, wenn ihr Not habt, und sagt ihm, dass Roland euch schickt.
Jetzt muss ich aber für heute Schluss machen. Mein Diener hat sich anscheinend in einem alten Tempel verlaufen und meine Gefolgsleute suchen nach dem Eingang zu einer alten Schmiede, und ich glaube, ich höre das Krabbeln von Käfern aus einem Höhleneingang. Aber ich will euch nicht langweilen. Habt einen guten Tag und denkt daran: für Gorsch!
Euer Roland