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Cthulhu - Spielleiterhandbuch - Zweite Edition
Bewertung:
(4.7)
Von: Ralf Schemmann
Alias: Uthoroc
Am: 08.06.2007
Autor:Sandy Petersen, Lynn Willis, Frank Heller, Marcus Johanus, u.a.
Übersetzer:Heinrich Glumpler
Typ:Grundregelwerk
System:Call of Cthulhu (BRP)
Setting:Cthulhu 1890, Cthulhu 1920, Cthulhu Now
VerlagPegasus Press
ISBN/ASIN:978-3-937826-95-0
Inhalt:469 Seiten, Hardcover
Sprache:Deutsch

„Call of Cthulhu“ ist ein echter Rollenspielklassiker und erfreut sich auch in Deutschland seit vielen Jahren einer großen Fangemeinde. Die Übersetzung erscheint bei Pegasus Spiele unter dem einfachen Namen „Cthulhu“. Im Gegensatz zu den meisten anderen amerikanischen Rollenspielsystemen macht die deutsche Redaktion aber weit mehr als reine Übersetzungsarbeit: Bestehende Ausgaben werden erweitert und angepasst und komplett neue Publikationen produziert. In Qualität und Sorgfalt stehen sie den Originalen in nichts nach – im Gegenteil, häufig übertreffen sie diese.

 

Neben dem zuletzt rezensierten Spielerhandbuch (Link befindet sich rechts in der Info-Box) bildet das Spielleiterhandbuch die zweite Säule des Regelwerks für die deutsche Auflage von Call of Cthulhu. Es ist ebenfalls in einer zweiten, überarbeiteten Auflage erschienen, die ich mir hier etwas näher ansehen werde.

 

Der äußere Eindruck

Grundsätzlich gelten für das Erscheinungsbild dieses Buch die gleichen Kommentare wie für das zuvor rezensierte Spielerhandbuch [ www.dnd-gate.de/gate3/page/index.php ]: Ein Cover, dem ich nicht viel abgewinnen kann, aber ansonsten eine ganz herausragende Produktionsqualität. Sehr gute Illustrationen, schweres Papier, eine ausgezeichnete Bindung, bei der man das Buch auch problemlos aufgeschlagen auf dem Tisch liegen lassen kann, ein Lesezeichen und ein stabiler Einband machen das „Handling“ des Buches zu einem reinen Vergnügen. Diese hohe Qualität ist auch vonnöten, denn mit 469 Seiten ist das Buch fast doppelt so dick wie das Spielerhandbuch und bei jeder anderen Art von Bindung liefe es wahrscheinlich Gefahr, sehr schnell auseinander zu fallen.

 

Auch die Innenillustrationen sind wieder von derselben hohen Qualität. Besonders hervorheben will ich aber die wunderbare Idee im Kapitel über die Monster: Anstatt das Übliche zu tun und die verschiedenen grausigen Kreaturen direkt darzustellen, sind sie hier allesamt in die verschiedensten Medien integriert: Gemälde, Fotos, Werbeanzeigen, usw., so als ob jemand in der Vergangenheit ihre tatsächliche Existenz dokumentiert hätte. Das ist sehr viel stimmungsvoller als die kleinen schwarz-weiße Zeichnungen aus der englischen Ausgabe des Regelbuches. Ein großes Lob an Pegasus für diese clevere Idee!

 

Satz und Layout sind vorbildlich und machen das Buch trotz der anspruchsvollen grafischen Gestaltung perfekt lesbar.

 

Der Inhalt

Auf 469 Seiten ist eine Menge Platz für Hintergrundmaterial, und da die meisten Regeln des Spiels schon im Spielerhandbuch abgehandelt wurden, nimmt dies auch den Löwenanteil dieses Platzes ein. Allein das reine Lesen des Buches nimmt eine ganze Reihe von Abenden in Anspruch – wie der Rezensent am eigenen Leib erfuhr.

 

Nach dem Vorwort gibt es wie im Spielerhandbuch einen kurzen Absatz mit den Änderungen zur ersten Auflage. Neben den eingefügten Errata wurden ein paar Artikel erweitert, aber die größte Änderung findet sich bei den Abenteuern: Eines wurde erweitert, ein anderes komplett durch ein neues ersetzt und dann noch ein zusätzliches Szenario hinzugefügt. Das ist sehr erfreulich, denn neues Spielmaterial, das die Spieler nicht schon aus einer der vorherigen Auflagen kennen, ist natürlich besonders willkommen.

 

Passend zum Titel und Adressaten des Buches beginnt der eigentliche Inhalt dann mit einem langen Kapitel (fast 60 Seiten) über Rolle und Aufgaben des Spielleiters im Cthulhu-Rollenspiel. Zugegebenermaßen war ich nach meinen Vorbehalten im Spielerhandbuch (siehe meine Rezension) etwas misstrauisch gegenüber diesem Kapitel, aber meine Bedenken zerstreuten sich schnell. Längst nicht mit so erhobenem Zeigefinger geschrieben, enthält es jede Menge nützliche Hinweise, wie man Atmosphäre und Geheimnisvolles bewahrt, eine Kampagne am Laufen hält und insgesamt den Spielspaß einer Cthulhu-Runde steigert.

 

Nach einer kurzen Übersicht über alle bisher in Deutschland erschienenen Cthulhu-Publikationen, die hauptsächlich für Sammler interessant sein dürfte, geht es dann ans Eingemachte, den Cthulhu-Mythos, seinen Autor und die Umsetzung im Spiel.

 

Die Kapitel „Der Cthulhu-Mythos“, „Howard Philips Lovecraft“ und „In Rerum Supernatura“ geben einen umfassenden Überblick über den literarischen Hintergrund des Spiels, dessen Autor(en) und die Einbettung des Fiktiven in unsere „reale“ Welt. Natürlich bekommt man einen besseren Eindruck von dem, was Lovecrafts Werk ausmacht, wenn man seine Bücher und Kurzgeschichten liest. Nützlich ist diese Zusammenfassung aber allemal.

 

Mit „Kreaturen des Mythos“, „Die Gottheiten des Mythos“ und „Tiere und Monster“ folgt die notwendige Darstellung der Schreck- und Hindernisse, die den Spielercharakteren so begegnen können. Erfreulicherweise liegt der Schwerpunkt deutlich auf der atmosphärisch dichten Beschreibung der Kreaturen und nicht auf ihren regeltechnischen Werten. Das Kapitel über die Götter verzichtet leider auch nicht auf recht absurde Werte (z.B. Konstitution 170 für Shub-Niggurath). Im Text wird zwar klar gemacht, dass das nur zur Verdeutlichung der Unbesiegbarkeit dieser Kreaturen dienen soll, es stellt sich aber die Frage,, ob man sie dann nicht besser weggelassen hätte.

 

Die wunderbare grafische Illustration dieser Kapitel habe ich schon anfangs erwähnt. Auf Dauer eher störend wirken leider die kurzen Mini-Geschichten, die jeden Eintrag einleiten. Da sie fast alle nach dem Schema „Typ beschwört/trifft Monster, andere Typen finden verstreute Reste des ersten Typen“ aufgebaut sind und ihr Stil auch immer fast identisch ist, wird ihre Lektüre schnell sehr ermüdend. Ein sparsamerer Einsatz dieser Texte wäre hier besser gewesen.

 

Nach einem kurzen Kapitel über „Außerirdische Technologien“, die ein unbedeutenderer Aspekt des Mythos sind, geht es weiter mit der „Magie des Mythos“ und dem „Grimoire des Mythos“. Im Magie-Kapitel findet sich einer der zentralen Bestandteile der meisten Cthulhu-Szenarien und Geschichten: Uralte, wurmzerfressene Bücher voller dunkler Geheimnisse und blasphemischer Enthüllungen. Die wichtigsten sind umfassend dargestellt und es gibt eine längere Liste anderer Titel, die nur kurz aufgelistet sind.

 

Das Grimoire enthält viele verschiedene Zaubersprüche, die zwar häufig eine wichtige Rolle in Cthulhu-Szenarien spielen, aber meistens eher in den Händen der Gegenspieler. Denn Spielercharaktere, die freizügig zaubern, landen schnell dauerhaft im nächsten Irrenhaus – pardon, Sanatorium.

 

Die „Spielhilfen“ beinhalten einiges Material zu Lovecrafts fiktivem Teil Neuenglands (Arkham, Arkham County, eine Reihe NSC), das leider nur für das „Standardsetting“ Neuengland in den 1920er Jahren zu verwenden ist. Allgemein nützlicher sind die umfangreichen Listen zu fiktiven Ereignissen des Mythos, echten Katastrophen und geschichtlichen Begebenheiten, die mehr als ein Jahrhundert (von 1890 bis 2006) umspannen. Hier kann sich der Spielleiter Inspirationen und Ideen für seine Abenteuer holen.

 

Möchte er dagegen direkt auf vollständig vorbereitete Abenteuer zurückgreifen, bietet ihm das letzte Kapitel „Szenarien“ erstaunlich viel Auswahl für ein Regelwerk. Immerhin sechs Abenteuer stehen zur Verfügung; so viele vorgefertigte Szenarien habe ich noch in keinem Regelbuch gesehen. Und ihre Qualität ist durchgehend hoch. Allerdings sind nicht alle neu, was auch nicht zu erwarten war.

 

Die eine Hälfte der Abenteuer spielt in Deutschland, die andere in den USA. Die deutschen Schauplätze sind der Schwarzwald, ein Jahrmarkt, der überall stattfinden kann, und Berlin. Besonders „Das Geheimnis des Schwarzwaldhofs“ verspricht eine wirklich unheimliche und auch überraschende Geschichte. Nur mit dem dritten Beitrag, den „Kerkerwelten“, kann ich mich nicht so ganz anfreunden. Zwar ist die Idee einer alptraumhaften, verzerrten Gegenwelt unter Berlin interessant, aber im Abenteuer erscheinen die SC eher als Zuschauer als als handelnde Akteure.

 

Zwei der in den USA spielenden Szenarien sind aus dem englischen Regelwerk übernommen. „Am Rande der Finsternis“ - im Original „The Lurker in the Attic“ - ist das klassische Einsteiger-Szenario für Cthulhu, mit dem schon der Rezensent seine Cthulhu-Karriere begann. „Blues für Marnie“ („Dead Man Stomp“) ist eines der besten Kurzabenteuer für Cthulhu überhaupt und ebenso gut für Anfänger wie erfahrene Spieler geeignet. Das dritte USA-Abenteuer „Das entsetzliche einsam gelegene Haus im Wald“ fällt ein bisschen ab, ist aber sicher gut als Füller in einer laufenden Kampagne geeignet.

 

Es folgen noch zwei sehr nützliche Anhänge: Ein ewiger Kalender, der so wichtige Fragen beantwortet, wie „Was für ein Wochentag war der 9. November 1918?“, und der für ein so umfangreiches Regelwerk unverzichtbare Index. Der einzige Wermutstropfen am Index ist, dass er nicht beide Bücher (Spieler- und Spielleiterhandbuch) umfasst.

 

 

Fazit:

Wie schon das Spielerhandbuch ist auch das Spielleiterhandbuch ein ausgezeichnetes Produkt. Ja, es gefällt mir sogar noch ein gutes Stück besser, denn hier begegne ich nicht dem erhobenen Zeigefinger, der mir sagt, wie „richtiges“ Rollenspiel geht. Auch gibt es so gut wie kein überflüssiges Material; alles hilft dem Spielleiter auf die eine oder andere Weise.

 

Die neuen Abenteuer machen die Anschaffung sogar für die etwas interessanter, die die erste Auflage schon besitzen, allerdings sind 40 Euro für zwei neue (und ein erweitertes) Abenteuer wohl doch etwas viel. Für jemanden, der neu in das deutsche Cthulhu einsteigt, ist der Preis jedoch voll gerechtfertigt.

 

Insgesamt bekommt das Cthulhu-Spielleiterhandbuch von mir eine ausgezeichnete 4,0, für ein ausgezeichnetes, nützliches Regelbuch. Für die herausragende Produktionsqualität addiere ich 0,5 und dann nochmal 0,2 für die klasse Idee mit den Monsterillustrationen; das ergibt eine Gesamtnote von 4,7. Nur kleinere, persönliche Abstriche (Cover, nervige Texte bei den Kreaturen, Index nicht für beide Werke) verhindern eine perfekte Note.