Vorwort:„Wrath of Ashardalon“ (WoA) ist das zweite Spiel aus der D&D-Brettspielserie von Wizards of the Coast. Prinzipiell basieren diese Brettspiele auf den Spielmechaniken der 4. Edition des Dungeons & Dragons-Rollenspiels, jedoch in noch weiter vereinfachter Form. Wie ich schon seinerzeit in meiner Besprechung zum Spielerhandbuch der 4. Edition geschrieben habe, bewegte sich das D&D-Rollenspiel mit der vierten Edition in meinen Augen eh weiter in die Richtung „fantastisches Brettspiel“, sodass eine Umsetzung der Spielidee in der Form eines reinen Brettspiels eigentlich nur eine logische Fortführung der Entwicklung darstellt.
Da im Rahmen des Brettspiels eigentlich alle wesentlichen Produkte des D&D-Rollenspiels auch Verwendung finden (Dungeon Tiles, Miniaturen, abgespeckte Rollenspielregeln, W20 etc.), bieten sich die Spiele dieser neuen Reihe beinahe als Starter Sets für Rollenspieleinsteiger an, zumal fast das gesamte Material in einer D&D-Rollenspielkampagne weitergenutzt werden kann.
Anmerkung: Da sich hinsichtlich der Regeln und des Spielablaufs relativ wenig im Vergleich zur ersten Box „Castle Ravenloft“ geändert hat, verweise ich bezüglich dieser Punkte auf die in meinen Augen sehr ausführliche und gut gelungene Gate-Rezension des Spiels von Aeringa.
Die Box, der Inhalt und Qualität des MaterialsDie Spielschachtel, in der das gesamte Material von WoA verstaut ist, kommt schwer, solide und unheimlich beeindruckend daher. Die Box selber ist höher als eine gewöhnliche Spieleschachtel (deutlich höher etwa als die Descent Grundbox) allerdings nicht länglich, sondern beinahe quadratisch von den Abmessungen her.
Das Titelbild ziert der Rote Drache Ashardalon, der dem Spiel seinen Namen gegeben hat. Dieses Ungetüm und seine Vasallen gilt es in den dreizehn im Abenteuerbuch enthaltenen Herausforderungen zu bekämpfen.
Neben dem Abenteuerbuch und einem 16-seitigen Regelheft (welches man auf der Produktseite der Wizards kostenlos herunterladen kann) finden sich noch Unmengen von qualitativ hochwertigem Spielmaterial in der Kiste: Diverse Dungeon-Tiles (anders als die Standard-Tiles aus der DT-Serie haben diese Platten Pappnasen und Einschnitte, sodass man sie mehr oder weniger gut aneinander befestigen kann), die einseitig bedruckt sind, mit denen man zufällig das zu erkundende Gebiet aufbauen kann.
Dann gibt es noch 200 Spielkarten, etwa in Magic-Spielkarten Größe, jede Menge Papp-Marker („tokens“ für die unterschiedlichsten Dinge) und natürlich einen großen Satz von Miniaturen.
Diese Minis scheinen größtenteils aus der mittlerweile eingestellten D&D Minis-Serie zu stammen und liegen dem Spiel unbemalt bei. (Im Netz gibt es Videos auf denen Fans versucht haben nachzuvollziehen, welche Miniatur in welcher Serie und unter welchem Namen schon mal bemalt auf dem Markt war!)
Vertreten sind (in Blau) die fünf Helden des Spiels und (in Rot) 37 Monsterfiguren (sieben davon stellen spezielle Gegner da). Natürlich gibt es eine tolle Ashardalon-Figur! Die Miniaturen sind von gewohnter Qualität aber eben nicht vorbemalt!
Die Tiles sind in verschiedene Kategorien unterteilt. So gibt es einen Satz standardisierter Bodenplatten, die in jedem Abenteuer zum Einsatz kommen. In diesen Pool werden dann aber je nach Abenteuervorgabe einige besondere Platten eingemischt, die zu einer verhältnismäßig unbestimmten Zeit des Spiels aktiv werden und dann die Schlussphase des Abenteuers einleiten.
Alle Pappteile des Spiels, also tokens und tiles, sowie die Charaktertafeln für Freund und Feind, sind aus stabiler Pappe, ansehnlich bedruckt und sicherlich haltbar. Leider haben sich die Designer und Macher keinerlei Mühe gegeben, was die 200 Spielkarten angeht. Diese sind zwar handwerklich gut hergestellt, also sehr stabil, beschichtet und haltbar, leider sind sie aber gleichzeitig auch unfassbar langweilig! Die Rückseiten der Karten sind mit langweiligen Schriftzügen und keinerlei nennenswerter Graphik ausgestaltet und die Ausrüstungskarten weisen z.B. nur Fließtext und keinerlei Artwork auf. Richtige Stimmung kommt mit diesem Teil des Materials leider nicht auf. Beim ersten Ansehen hatte ich das Gefühl, eine Prototypversion des Spieles in Händen zu halten, die später dann für die endgültige Version noch optisch hätte aufgewertet werden sollen. Dieser Schritt ist jedoch unterblieben und fällt schwer ins Gewicht. Grade die Ausrüstungskarten stellen die einzige Möglichkeit dar, seinen Helden etwas anzupassen und zu charakterisieren. Bei anderen Spielen aus diesem Genre, wie etwa HeroQuest und Descent – Die Reise ins Dunkel sind diese Karten besonders liebevoll ausgestaltet worden, weil sie ja zur Atmosphäre am Spieltisch direkt beitragen. Rüstungen, Artefakte, Gegenstände und Waffen sind hier leider nur mit Text beschrieben. Hier ist großes Potential verschenkt worden.
Dem gegenüber fällt mein letzter Kritikpunkt an der Ausstattung doch stark ab: denn, obgleich er ein zentrales Spielelement ist, liegt dem Spiel nur ein einzelner W20 bei. Bei Rollenspielerhaushalten dürfte das natürlich kein Problem darstellen, aber da sich das Spiel eben nicht nur an Spieler des D&D-Rollenspiels richtet, hätte ich es schöner gefunden, wenn für jeden der fünf Spieler ein Würfel bei-gelegen hätte.
Insgesamt ist das Material qualitativ toll und haltbar und entgegen anderweitiger Behauptungen und Befürchtungen ist die Spieleschachtel überraschenderweise in der Lage das gesamte Material auch nach dem Auspacken sicher wieder in sich aufzunehmen. Ich mag so was sehr und kritisiere es immer wieder, wenn man zur Verstauung eines Spiels eigene Lösungen braucht. Hier hat alles seinen sicheren Platz. Das gut gemachte Plastikinlay bietet Nischen für die Karten, tokens, Minis und den Würfel. Hebt man sich sogar ein paar der Stanzbögen auf, in denen die tokens und anderen Pappteile kamen, kann man das Plastikinlay wunderbar in der Schachtel fixieren und das Spiel sicher transportieren. Einige der Stanzbögen befinden sich übrigens bei der Auslieferung unter dem Plastikinlay. Das hat wohl wirklich schon zu Reklamationen geführt von Leuten, die dachten ihre Box sei nicht vollständig ausgeliefert worden.
Das Spielprinzip:Bei den D&D-Brettspielen handelt es sich um kooperative Brettspiele. Jeder Spieler am Tisch übernimmt einen eigenen Helden. In WoA stehen Keyleth (ein weiblicher Elf Paladin), Haskan (ein Dragonborn Wizard), Quinn (ein Human Cleric), Tarak (ein Half-Orc Rogue) und Vistra (eine weibliche Dwarf Fighter) zur Auswahl. Prinzipiell ist es auch möglich, die Heldenfiguren aus dem vorangegangenen Spiel der Serie „Castle Ravenloft“ oder nachfolgenden Spielen zu übernehmen. Überhaupt sind die Komponenten der einzelnen Spiele der D&D Board Game-Reihe kompatibel und die Spielteile beliebig untereinander austauschbar.
Im Spielverlauf tritt die Heldengruppe, bestehend aus einer Zahl zwischen einem und fünf Helden, gemeinsam gegen ein Szenario an. Dem Spiel liegt ein Heftchen mit diversen Herausforderungen bei. Der Gemeinschaftsaspekt wird durch de Spielregeln deutlich unterstrichen: Die Helden verlieren das Spiel, wenn auch nur ein einziger (!) aus ihrer Mitte getötet und nicht mehr sofort wiederbelebt werden kann, weil die Gruppe ihre Healing Surges verbraucht hat. Es braucht also keinen Total-Party-Kill, um das Spiel zu verlieren!
Anders als bei anderen Spielen ist es möglich auch als Einzelspieler, ohne die Anwendung von Hausregeln, gegen das D&D-Brettspiel alleine anzutreten, da kein Spieler die Rolle eines „Spielleiters“ übernehmen kann, der die Monster spielt und als Gegenspieler fungiert. Hierdurch unterscheiden sich die neuen Spiele deutlich von anderen Dungeon-Crawl-Brettspielen, wie dem Klassiker HeroQuest oder dem moderneren Descent. Die Monster, Fallen und Ereignisse, die das jeweilige Szenario aufbietet, steuern sich über Informationen auf den Spielkarten selber und das Spielbrett baut sich mittels verdeckt gezogener Dungeon-Tiles zufällig und selbständig auf. Das Prinzip funktioniert sogar so gut, dass ein Solospiel nicht nur regeltechnisch möglich ist, sondern auch tatsächlich Spielspaß vermittelt! Mehr Spaß ist natürlich im Spiel, wenn man mit Freunden antritt.
Anmerkung: Anders als bei der Castle Ravenloft-Variante passt hier die Umsetzung des Spielfeldes als Dungeon stilistisch besser zur Hintergrundgeschichte: Die Heldengruppe schickt sich an, die Umgebung zu sichern und am Ende den Roten Drachen Ashardolon zu vertreiben, dessen Einzug unter den Berg die aktuelle Monsterplage ausgelöst hat. Während manr bei Abenteuern in und um eine Burg vielleicht auch irgendwann einmal Räumlichkeiten des Schlosses oder der Zitadelle erwartet hätte, die ausblieben, ist ein von Dungeons durchlöcherter Berg plausibler und stimmiger.
Das Spielgefühl, das Solo- und das kooperative Spiel:Wie schon gesagt, basieren die Spielregeln auf denen der 4. Edition des D&D-Rollenspiels, sodass man unter anderem auf die diversen „Powers“ (at-will, daily und utility) aber auch auf Healing Surges und einen W20 zur Entscheidungsfindung trifft. Woran ich mich in Bezug auf die Kräfte einfach nicht gewöhnen kann, was mir aber auch schon beim D&D-Rollenspiel missfallen hat, ist, dass bei manchen „Powers“ (zumeist bei den mächtigen, selten einsetzbaren Daily-Powers) auch ein Fehlgehen der Anwendung noch einen Erfolg (gemessen in Schaden beim Gegner) einbringt.
Auffällig ist, dass das Spiel schwer zu gewinnen ist. Die Sterblichkeit der Helden ist einfach zu groß. Die Kämpfe gegen die Monster sind dabei gar nicht mal das Schlimmste. Vielmehr sind die regelmäßig während des Spiels zu ziehenden Encounter-Karten zu oft mit negativen Folgen belegt und in der Summe kaum zu überstehen. Wird in einem Spielerzug keine neue Sektion erforscht (also eine neue Bodenplatte aufgedeckt, auf der ein neues Monster stehen würde), muss der jeweilige Spieler eine Encounter-Karte ziehen und die Anweisungen ausführen, die dort zu lesen sind. In den seltensten Fällen passiert dann aber etwas Gutes (etwa die Begegnung mit fliegenden Zwergenhändlern). Zumeist droht der Gruppe Unheil in Form von Begegnungen, Umwelteinflüssen etc., die oftmals die Gesundheit der Helden in Mitleidenschaft ziehen. Dazu kommt erschwerend, dass die Gruppe nur über eine sehr eingeschränkte Möglichkeit der Wiederbelebungen gestorbener Helden (in Form von Healing Surges) verfügt. Sind diese aufgebraucht und ein weiterer Held stirbt, ist das Spielende nicht mehr aufzuhalten und die Gruppe muss erneut antreten. Das kann einerseits zu Frustration, aber auch zur Entwicklung von Ehrgeiz und besserer Taktik bei den Spielern führen. Wobei bessere Taktik gegen die Mechanik der zu ziehenden Encounter Karten nicht wirklich hilft.
Dass das Spiel die Möglichkeit eröffnet, alleine gegen es zu spielen ist natürlich ein Bonus, der die D&D Board Game-Serie flexibler und etwas reizvoller macht als andere Fantasy-Brettspiele. Man hat einfach nicht immer genug gleichgesinnte Spieler um sich. Spielt man alleine kommt zwar nicht die gleiche Stimmung auf, wie wenn man sich der Herausforderung mit Freunden stellt, es ist aber eine durchaus lustige Ablenkung.
Beim kooperativen Mehrspieler-Spiel fällt auf, dass die Sterblichkeit, wie bereits erwähnt, sehr hoch ist. In meiner Test-Gruppe von Gelegenheitsspielern führte das schnell zu Frustration und einer Ablehnung des Spiels. Die Regeln an sich waren aber schnell vermittelbar und auch die Mechanik, die es ermöglicht ohne Spielleiter direkt „gegen das Spiel“ zu spielen, funktionierte (für meine Begriffe überraschend) gut. Nur Kleinigkeiten störten manchmal den Ablauf.
In dieser besonderen Mechanik liegt vielleicht zugleich die größte Stärke und die größte Schwäche der neuen Spielereihe. Die Tatsache, dass man eben nicht gegen einen denken Mitspieler antritt, sorgt zwar für ein größeres Zusammengehörigkeitsgefühl am Spieltisch, kann aber auf Dauer auch langweilen. Spielt man gegen einen anderen Menschen, wie den Overlord bei Descent entstehen ganz andere, durchaus reizvolle Situationen am Spieltisch. Man taktiert, frozzelt und neckt sich. Das entfällt hier alles. Da aber nicht immer jemand die Gegenseite übernehmen möchte (was ja auch beim Rollenspiel ein Problem sein kann, einen willigen Meister zu finden...), bietet es sich schon an, eines der neuen kooperativen D&D-Brettspiele im Schrank zu haben, um eben auch dann gemeinsam spielen zu können.
Der direkte Vergleich mit den Genre-Größen:Als dem Gate-Rezensenten von Descent und bekennendem HeroQuest-Nostalgiker kann ich nicht umhin, einen direkten Vergleich zwischen den Genre-Größen und der neuen kooperativen D&D Board Game Spielereihe anzustellen.
Während mich die Reichhaltigkeit des Spielmaterials bei beiden Produkten anspricht, fällt das D&D Board Game zwar nicht qualitativ, aber doch (wie oben ausführlich dargestellt), was die künstlerische Ausgestaltung des Spielmaterials angeht, leider deutlich von dem ab, was die Konkurrenz zu bieten hat. Hier wurde leichtfertig Potential verschenkt.
Was den Spielspaß angeht, sind sich beide Ansätze prinzipiell ebenbürtig, wobei ein gewiefter Overlord-Spieler unbillige Härten eines Spielverlaufs oder Szenarios abmildern und somit den Spielspaß in der Gruppe hoch halten kann, während ein schlechter Verlauf im D&D Board Game schnell zum Abenteuerende und –neuanfang führt. Hier liegt aufgrund der hohen Sterblichkeit im Kampf- und Encounter-System ein echter Knackpunkt des neuen D&D Board Game. Natürlich kann ein fieser Overlord-Spieler aber auch zu Frust am Spieltisch führen, so dass man diesen Punkt nicht überbewerten sollte. Mir gefällt die Idee, dass die Gruppe auf sich und jeden einzelnen Mitspieler aufpassen muss, wenn das gemeinsame Ziel erreicht werden soll.
Der größte Vorteil den die D&D Board Games den anderen Spielen voraus haben, ist die Tatsache, dass das Spiel alleine spielbar ist und dabei auch noch Spaß macht. Da kann keines der mir bekannten Fantasy-Brettspiele mithalten.
Auch wenn ich wahrscheinlich häufiger zu einem Vertreter der von mir so bezeichneten Genre-Größen greifen werde, kann ich Fantasy-Brettspiel-Fans durchaus dazu raten, sich das Spiel anzuschaffen. Es ist eine gelungene Ergänzung zu den Spielen, die bereits auf dem Markt (und teilweise auch schon in den Spieleschränken) zu finden sind.
Fazit:„Wrath of Ashardalon“ ist ein kooperatives Brettspiel mit opulenter Ausstattung, die an manchen Stellen vielleicht noch etwas besser hätte sein können. Bis zu fünf Spieler treten gemeinsam gegen das Spiel selber an. Einen menschlichen Gegenspieler gibt es nicht. Das macht Zugleich die größte Stärke und das größte Manko des Spieles aus. In meinen Augen ist es immer reizvoller gegen bzw. mit einem menschlichen Gegenspieler zu agieren, als gegen eine Mechanik. Allerdings läuft die Spielmechanik angenehm rund und ermöglicht, auch alleine mit dem Spiel Spaß zu haben, wenn mal gerade keine Mitspieler zur Hand sind. Das ist wohl ein unschlagbarer Vorteil. Das Spiel ist jedoch von seiner Spielanlage und seinem Schwierigkeitsgrad nichts für Gelegenheitsspieler, sondern eher für Fans von Fantasy-Welten und -Spielen. Das Spiel selber basiert auf (abgespeckten) Regeln der vierten Edition des D&D-Rollenspiels mit all seinen viel diskutierten Facetten. Bei mir wird es die Reihe wohl nicht schaffen, Spielen wie Descent oder HeroQuest den Rang abzulaufen, sie stellt aber eine gelungene Abwechslung und Alternative dar und gehört für mich in einen gut sortierten Dungeon-Crawler-Spieleschrank.
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