„Legacy of the Crystal Shard“ ist das zweite Abenteuer der „Sundering“-Reihe und damit der Nachfolger von „Murder in Baldur´s Gate“. Diese Abenteuerserie ist insofern etwas besonderes, da sie einerseits sowohl mit den Regeln der Version 3.5, der Version 4E als auch mit den kommenden D&D Next-Regeln, die momentan als Playtest vorliegen, spielbar sind, andererseits die Spieler und Spielleiter direkt an den Veränderungen der Forgotten Realms in Richtung D&D Next teilhaben lassen. Um das Abenteuer in irgendeiner Version spielen zu können, muss man sich kostenlos das passende pdf der NSC-/Monsterwerte herunterladen, welches auf der WotC-Homepage hier zu finden ist!
Das Abenteuer ist für die Charakterstufen 1 – 3 ausgelegt und spielt in den Forgotten Realms, genauer in Icewind Dale bzw. Ten Towns, dem Schauplatz der bekannten Drizzt-Romane von R. A. Salvatore bzw. des gleichnamigen PC-Spiels.
Das Abenteuer beinhaltet drei verschiedene Utensilien. Zum einen ist ein vierseitiger Spielleiterschirm enthalten, zum anderen ein 64seitiger Hintergrund-/Kampagnenband und eben das 32seitige Abenteuer. Ich werde auf alle drei Dinge später noch genauer eingehen.
Der erste Eindruck: Wow! Alles in Hochglanz, die Illustrationen sind anders, als ich sie noch aus 3.5-Zeiten kenne, aber richtig gut. Nachteil: Nach mehrmaligen Transport und Lesen der Hefte wirken sie halt schon…benutzt. Liegt in der Natur der Sache, da das Material eben doch empfindlicher ist, als das früherer Produkte. Kritikwürdig? In meinen Augen auf keinen Fall.
Ich werde jetzt die drei Inhalte des Pakets der Reihe nach durchgehen. Das Abenteuer kommt als letztes dran, trotzdem bitte auch beim Kampagnenband vorsichtig sein; er kann ebenfalls Spoiler beinhalten (wenn auch nur kleinerer Art). Regeltechnisch, allerdings nur ganz am Rande, habe ich mich der Version 3.5 bedient, da ich mit dieser vertraut bin. Inhalt:Der Spielleiterschirm: Der Spielleiterschirm ist ebenfalls Hochglanz und ist optisch definitiv ein Hingucker. Im Vergleich zu älteren Exemplaren ist er aber auch deutlich niedriger (ca. 75 % der Höhe), dafür sind die einzelnen Seiten auch breiter. Ist sicherlich Geschmackssache, aber mir persönlich wäre er als Sichtschutz schon fast zu tief und er nimmt doch sehr viel Fläche auf dem Spieltisch ein, was eventuell zu Problemen führen kann.
Was beinhaltet er? Außen, für die Spieler, ist eine Karte der Ten Towns abgebildet, mit Einzelkarten von Easthaven/Bryn Shander (groß) und den restlichen Städten (klein). Definitiv eine gute Übersicht, wenn man keine andere Karte der Region besitzt.
Innen ist für den Spielleiter eine Karte der gesamten Umgebung enthalten, von Sea of Moving Ice bis in den Norden nach Evermelt bzw. Süden nach Luskan. Sehr nützlich, wenn man vorhat, noch weitere Abenteuer in dieser Region zu spielen.
Neben einigen Tabellen für Random Encounter, die nicht nur aus Kämpfen bestehen, sind hier auch für mich zwei echte Perlen zu finden, die sehr nützlich sein können:
Erstens Reisezeiten von einer Stadt/Region zur anderen sowie Überraschungen durch das Wetter. Was normalerweise eher langweilig klingt, macht hier sehr viel Sinn, da das Abenteuer zu Beginn des Winters spielt und das Wetter direkte Auswirkungen auf die Spieler hat (zur Erklärung für Nichtkenner: Icewind Dale ist eine arktische Region). Lange Reisezeiten gepaart mit Wetterauswirkungen und zufälligen Encountern (20 % Chance pro Stunde): Klingt für mich nach zusätzlichem Spaß außerhalb der eigentlichen Geschichte und macht in meinen Augen das ganze lebendiger, wenn man es nicht übertreibt.
Campaign Guide: (Achtung! Leichte Spoiler! Kommen wir zum eigentlichen Herzstück des Pakets, dem Campaign Guide. 64 Seiten vollgepackt mit Informationen, Illustrationen und Karten. Richtig, Karten, denn das Abenteuer enthält nicht eine einzige (wie auch keine Illustrationen), was zu meiner einzigen echten Kritik am Gesamtwerk führt:
D&D Next soll meines Wissens nach wieder hin zu Erzählkämpfen und ein wenig weg vom „Battlemap-Geschiebe“ der v3.5/4E. Jedoch braucht der Spielleiter dann doch auch eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was er beschreiben soll und ganz ohne geht es eventuell dann doch nicht. Ich muss ehrlich sagen, hier hätte es dann doch ein bisschen mehr i. S. v. größer bzw. ausgearbeiteter sein dürfen, denn jetzt steht einem Spielleiter doch noch ein ganzer Brocken Arbeit bevor, um das ganze deutlich zu visualisieren.
Trotzdem habe ich den Kampagnenband förmlich verschlungen. Nicht nur, dass er alle relevanten NSC aufführt und beschreibt (wie gesagt: Keine Regelblöcke in diesem Buch; alles Text und Bilder!), sondern es werden auch alle Städte Ten Towns sehr detailliert beschrieben. Dabei wird bei Charakteren sowohl auf ihren Hintergrund als auch auf ihre Motivation bzw. Beziehungen untereinander eingegangen. Ebenso bei den einzelnen Städten, bei denen die jeweils wichtigen Gebäude auch dem Spielleiter nähergebracht werden. Gespickt wird das ganze mit zahlreichen Adventure Hooks für zukünftige Abenteuer im Icewind Dale.
Einen größeren Teil des Platzes nehmen natürlich auch Informationen in Anspruch, die für das eigentliche Abenteuer benötigt werden. Da das Abenteuer aber durchaus so angelegt ist, dass die hier gegebenen Informationen nach Abschluss nicht zwangsweise obsolet sind, ist das vollkommen in Ordnung. Kleiner Mangel (Achtung, Spoiler!): Regeltechnische Auswirkungen von „Black Ice“ muss man sich selbst ausdenken. Was Black Ice ist…später.
Das Abenteuer: (Achtung, Spoiler!) Wenn man gleichzeitig auf Stufe 1 – 3 gegen die Arcane Brotherhood, eine Chosen of Auril und Akar Kessel (jener Akar Kessel, der mittels des Artefakts Crenshinibons vor 100 Jahren Icewind Dale fast vernichtet hätte, wenn es Drizzt nicht gäbe…) vorgehen muss und dann noch ein paar Werratten, drogensüchtige Piraten und Zwerge dazu packt, dann kann man wohl sagen: Welcome to the Forgotten Realms! Was, selbst für mich als bekennender Forgotten Realms-Fan, erstmal sehr übertrieben klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als weniger wild, als es zu Beginn klingt.
Kurz mal die Hintergründe angerissen: Die Charaktere haben es mit drei Bedrohungen zu tun, die es zu stoppen gilt.
I. Ein Magier der Arcane Brotherhood versucht durch Diplomatie, Einschüchterung und Intrigen die Macht in Bryn Shander und damit in Ten Towns an sich zu reißen.
II. Eine ausgestossene Barbarin wird von Auril auserkoren und damit zur Chosen. Was zu v3.5 Zeiten noch episch war, ist im Zeitalter des „Sundering“ nicht wirklich vergleichbar, da die Götter erst langsam wieder zu Kräften kommen. Eine Chosen jetzt ist in dem Fall quasi nur eine Agentin der Göttin, die aber trotzdem einerseits ihren alten Stamm vernichten und andererseits die Macht über Ten Towns erlangen will.
III. Akar Kessel wird aus seinem eisigen Grab befreit (als Untoter) und will Rache. Unterstützt wird er dabei von Zwergen, die durch den Einfluss der Rest von Crenshinibons abhängig von Black Ice geworden sind, welches ihren Geist beeinflusst (und von jedem anderen, der damit in Berührung kommt…)
Die Charaktere sind vollkommen frei zu Beginn des Abenteuers, welche dieser Bedrohung sie angehen wollen. Allerdings steht die Zeit nicht still: Egal, wie sie es angehen, sie werden es nicht schaffen, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt alle drei Bedrohungen zu eliminieren. Je nachdem, was sie geschafft haben, wird an anderer Stelle ein katastrophales Ereignis eintreten, das dauerhafte Auswirkungen auf Icewind Dale hat.
Diese Vorgehensweise kann mal als unfair empfinden, ich finde es großartig! Es ist ein echter Zwischenhöhepunkt, der in meinen Augen massiv zur Spannung beiträgt und auch in keinster Weise verhindert, dass die Charaktere danach dort weiter ansetzen können, wo sie aufgehört haben.
Legacy of the Crystal Shard ist ein Abenteuer, das die unterschiedlichsten Dinge beinhaltet, so dass auch bei der Wahl der Charakterklassen keine besser oder schlechter ist als eine andere. Natürlich sind naturverbundene Klassen wie Druide oder Waldläufer eventuell in bestimmten Bereichen im Vorteil, da aber auch Diplomatie, Detektivarbeit und „normale“ Kämpfe gefragt bzw. an der Tagesordnung sind, wird jeder seinen Beitrag leisten können.
Ich bin sehr angetan von Legacy of the Crystal Shard. Es ist spannend, fordernd mit der Möglichkeit von verschiedenen Ausgängen und Weiterführung bestimmter Handlungsstränge. Mir gefällt die Kombination aus eigentlichem Abenteuer verbunden mit dem harschen Klima (Frostburn als Regelwerk kann hier gute Dienste leisten, denke ich) und den zeitabhängigen Events. Fazit:„Legacy of the Crystal Shard“ ist definitiv einen Kauf wert. Man kann es für ca. 20,00 € erstehen und es bietet dafür doch einiges. Gut, nicht jeder wird mit dem Tenor der „neuen“ Forgotten Realms zurechtkommen, aber das war ja schon immer so.
Abzüge gibt es eigentlich nur bei den Karten und vielleicht bei einigen regeltechnischen Sachen im pdf. Hier muss ein Spielleiter noch mal Zeit investieren, um ein paar Dinge geradezubiegen bzw. vorzubereiten.
Trotzdem eine klare Empfehlung von mir, ich habe von der Story und den Möglichkeiten, ein Abenteuer auszuspielen, lange nicht mehr so etwas Gutes in der Hand gehabt. |
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